Die Fotos der NSA-Zentrale: Die Kaaba des Informationszeitalters

Die NSA schickt Bilder ihres Hauptquartiers um die Welt, die eins symbolisieren sollen: Langeweile. Und genau darin liegt das Problem.

Und? Sehen Sie es auch? Die Ödnis? Bild: NSA

Am meisten leiden unter der Digitalisierung vermutlich die Bildredakteure. Immer wieder schreiben ihre Zeitungen und Magazine über Raubkopien, Netzneutralität und Privatsphäre im Internet. Wie bebildert man das? Wieder mit der selbstgebrannten CD mit Edding-Aufschrift „Raubkopie“? Oder fürs Datenschutzthema noch mal ein paar Zahlenkolonnen, die irgendwie nach Code aussehen?

Wie erleichtert müssen sie alle gewesen sein, als ihnen nach den Enthüllungen um das „Prism“-Programm dieses Foto in die Hände fiel: die Zentrale der National Security Agency (NSA) in Fort Meade, Maryland.

Endlich was Vernünftiges zum Zeigen! Mittlerweile hat man es so oft gesehen, viele Nachrichtenverfolgern können es sicher bereits nachmalen: ein dunkelblau-schwarzer Riesenkasten, in dessen Fassade sich die Autos des Riesenparkplatzes drumherum spiegeln; im Hintergrund Wald und blasser blaugrauer Himmel.

Unglaublich viel Parkplatz

Woher kommt dieses Foto eigentlich? Es handelt sich dabei um – ja, auch die NSA hat so etwas – Info-Material, das sich auf deren Website herunterladen lässt. Die NSA sieht also nicht nur alles von uns. Sie schafft auch, dass wir sie in den Medien so sehen, wie sich selbst präsentieren möchte. Aber welche Botschaft schicken uns die Kryptografen da verschlüsselt in diesem Bild?

Vor allem eine der Normalität. Warum sonst sollte man seinen Stammsitz so fotografieren, dass man unglaublich viel Parkplatz und Autos drumherum sieht? Für die Parkplätze schämt sich Büroarchitektur normalerweise. Sie erzeugen aber zuverlässig das Bild einer normalen, anonymen All-American-Company, die weder hip ist noch geheimnisvoll oder interessant. Verbergen durch Vortäuschen von Langeweile: Unsere Mitarbeiter, erzählt uns die NSA mit ihrer vulgären Abart der //www.google.de/search?q=andreas+gursky&client=firefox-a&hs=e74&rls=org.mozilla:de:official&channel=fflb&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=BZbQUc3IPIXdtAaC0oDoDw&ved=0CAkQ_AUoAQ&biw=1562&bih=670:großformatigen Fotografien von Andreas Gursky, sind langweilige Durchschnittsamerikaner.

Die Kaaba des Pre-Informationszeitalters. Bild: reuters

Sie leben mit ihren Familien in den Suburbs, morgens fahren sie fluchend über den verstopften Highway ins Büro (Ausfahrt „NSA Employees only“), bekommen fluchend nur noch einen Parkplatz weit weg vom Eingang und sitzen dann (still) fluchend in ihren cubicles vor dem Bildschirm.

Dort betreiben sie Big Data, wie man jetzt überall liest. Was nur heißt, dass sie den ganzen Tag Zahlen hin und her schieben, die sie sowieso nicht verstehen – genau was der gute amerikanische Office-Worker jahrzehntelang getan hat, bis seine Stelle schließlich nach Asien ausgegliedert wurde. Aber das geht bei einem Geheimdienst nicht so einfach. Noch nicht.

Zeuge der gleichen Mentalität ist das andere NSA-Bildmaterial, das vor Kurzem veröffentlicht wurde: die PowerPoint-Folien zum „Prism“-Programm, die der Whistleblower Edward Snowden an die Medien weitergab. Unter Designern haben diese Folien mehr Empörung verursacht als ihr Inhalt.

Wie in der Ortskrankenkasse

Ein Layout, wie es auch die Ortskrankenkasse in einer internen Schulung nutzen würde: bunte WordArt-Sprechblasen, viele Pfeile und alles zugeklatscht mit den Logos der angezapften Unternehmen. Wer solche Präsentationen erstellt und so große Büro-Parkplätze hat, der hängt in der Spionage-Küche auch Zettel auf, die in Schriftart Comic Sans MS darauf hinweisen, bitte regelmäßig abzuspülen. Alles fügt sich zu einer Dilbert-Welt zusammen, voller sehr weißer Männer in weißen kurzärmeligen Hemden, mit Kugelschreibern in den Brusttaschen.

Was aber heißt das, wenn das NSA-Hauptquartier, diese Kaaba des Informationszeitalters, letztlich nur eine Bürohölle ist wie jede andere? Die NSA, sie würde wahrscheinlich gerne, dass man daraus diesen Schluss zieht: Diejenigen, die unsere E-Mails lesen können, unsere Chats auswerten, unser Radikalisierungspotenzial einschätzen – sie sind auch nicht anders als wir selbst, anständige, langweilige Bürger, von denen nichts zu befürchten ist.

Aber vielleicht liegt ja hier auch schon eine Gefahr: in der Langeweile. Der normale Büroarbeiter vertreibt sie, indem er seinen Kollegen witzige Rund-Mails mit Katzenbildern schickt. Der Büroarbeiter der NSA aber, er kann seinen Kollegen witzige Rundmails mit dem Inhalt unserer Mails schicken.

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