Präsidieren geht über Studieren

Student kandidiert als Vizepräsident der FHTW. Doch zunächst müsste er heute zur Wahl zugelassen werden

Tobias Schulze will es wissen: Heute stellt sich der Vorsitzende des Allgemeinen StudentInnen-Ausschusses der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) Berlin zum zweiten Mal dem Auswahlverfahren für das Vizepräsidentenamt der Hochschule. Sollte das Kuratorium die Bewerbung akzeptieren, könnte er als erster Student Vizepräsident einer Berliner Uni werden.

Mittlerweile sehen die Hochschulgesetze einiger Bundesländer vor, dass auch StudentInnen in die Leitungen der Universitäten gewählt werden dürfen. In Brandenburg ist das auch schon passiert: Anke Hollerbach, Studentin im Fach Landschaftsnutzung und Naturschutz, ist seit Juni 1999 zweite Vizepräsidentin der Fachhochschule Eberswalde. Dort wurde der Posten gar von vornherein den Studierenden zugebilligt. Anders in Berlin: Bisher hat es keiner der studentischen Kandidaten geschafft, auch gewählt zu werden.

Den größten Erfolg verbuchte 1998 Andreas Biesenthal an der Humboldt-Uni: Im ersten Wahlgang konnte er die gleiche Stimmenzahl auf sich vereinigen wie seine professorale Gegenkandidatin. Erst im zweiten Durchgang lag sie sich gegen den Studenten knapp vorn.

Bis zu einer richtigen Wahl hatte es das Kuratorium der FHTW beim ersten Wahlgang im Juli gar nicht kommen lassen: Das aus je vier Vertretern der Uni sowie der Wirtschaft und Wissenschaftssenator Christoph Stölzl bestehende Gremium wählt zunächst die KandidatInnen aus, über die der erweiterte Akademische Senat abstimmen darf. Es sollen vor allem die Wirtschaftsvertreter und der als Stölzl-Ersatz erschienene Staatssekretär gewesen sein, die etwas gegen einen Studenten als Vizepräsidenten hatten. So durfte nur die bisherige Vizepräsidentin Renate Gehrke antreten – und abblitzen: Der erweiterte Akademische Senat begehrte gegen das Kuratorium auf und wählte sie einfach nicht. Student Schulze, so heißt es, hätte gegen Gehrke durchaus Chancen gehabt.

Dieses Mal tritt er gegen den derzeitigen Prodekan der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät I, den Mathematiker Joachim Siegert, an. Im Gegensatz zu den Kuratoren hätte Siegert kein Problem mit einem studentischen Vizepräsidenten.

Neben der Schaffung eines zentralen Campus anstelle der bisherigen fünf über die Stadt verstreuten Standorte ist für Siegert die grundlegende Überarbeitung der 25 Studiengänge an der mit rund 8.000 Studierenden größten Berliner Fachhochschule eines der wichtigsten Themen der nächsten Zeit. „Warum“, fragt Siegert, „soll das nicht auch ein Student leisten können?“ Zumal ein ausgesprochener Fachmann: Tobias Schulze hat sich schon bisher mit der Internationalisierung von Studiengängen, Prüfungsordnungen und Konzepten für eine Hochschulreform beschäftigt.

Aber zunächst hat heute das Kuratorium das Wort. Vielleicht nimmt es sich dieses Mal den Wunsch Siegerts zu Herzen. Der fände es „günstiger für die Demokratie im Hause, wenn der erweiterte Akademische Senat die Möglichkeit hätte, zwischen mehreren Kandidaten zu wählen.“ MATTHIAS SPITTMANN