Landwirtschaft und Wasserkrise: Die Saudis auf dem Bio-Trip

Auch das Herrscherhaus in Saudi-Arabien stellt seine Äcker auf Bio um. Doch die Wasserkrise spitzt sich zu.

71 Tomatensorten gibt es im Abazeer-Supermarkt in Dschidda – alle Bio. Bild: dpa

SAUDI-ARABIEN zeo2 | Auf sein selbstgebackenes Brot ist Khalid Al-Haddad besonders stolz. Es ist nicht nur im hauseigenen Ofen gebacken, sondern auch mit Zutaten, die alle aus eigener Produktion stammen. Al- Haddad ist Besitzer des Abazeer-Biomarkts im Zentrum von Dschidda am Roten Meer, der mit 3,2 Millionen Einwohnern zweitgrößten Stadt Saudi-Arabiens. Mit seinem blütenweißen Gewand, seinem grauen Bart und dem sonnengegerbten Gesicht sieht Al-Haddad aus wie ein in die Jahre gekommener Scheich.

Ein Bio-Scheich – sympathisch, humorvoll und erstaunlich gut informiert. Getränke und Teigwaren muss er aus Europa importieren, doch den Großteil seiner Waren stellt er selber her. Sein Markt kann sich sehen lassen. Der wichtigste Unterschied zu unseren Biomärkten: Hinter den Gemüsekisten und an der Käsetheke arbeiten ausschließlich Männer. Neben den Broten sind die hausgemachten Kekse besonders beliebt. „Und wir produzieren eigene Marmelade und Käse“, dazu jede Menge Bio-Obst und Bio-Gemüse.

71 Tomatensorten könne er anbieten, das sei „die größte Auswahl weltweit“, behauptet er ganz unbescheiden. Außerdem: 20 Weintraubensorten, fünf Oliven- und acht Knoblauchvarianten, alles in bester Bioqualität. Und für seine sagenhafte Bio-Pfefferminze soll es sogar Bestellungen aus Ägypten und dem Libanon geben. Als Al-Haddad 1985 seinen Abazeer- Biomarkt gründete, hatte die saudische Regierung die Landwirtschaftsoffensive des Wüstenstaats gerade so weit vorangetrieben, dass man mit der erzielten Weizenernte die Selbstversorgung erreichte.

Nur wenige Jahre später, zu Beginn der 90er Jahre, gehörte Saudi-Arabien bereits zu den Weizenexporteuren der Welt. Dabei stehen weniger als 0,5 Prozent der Landesfläche als Kulturland für 27 Millionen Einwohner zur Verfügung. Die Landwirtschaft steuert nur drei Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Denn der Großteil Saudi-Arabiens besteht aus Sand, Wüste – und Ölfeldern. 

Ein gewaltiger Aufwand

Der Agrarerfolg wurde teuer erkauft. Die Felder müssen dem sandigen Boden mit gewaltigem Aufwand abgetrotzt werden, und die Bewässerungsmethoden sind fatal: Beim Einsatz der riesigen Beregnungsanlagen verdunstet in der sengenden Hitze oft die Hälfte des versprühten Wassers, bevor es überhaupt den Boden erreicht. Die Folgen: Der Grundwasserspiegel ist in den letzten Jahrzehnten rapide gesunken.

Viele Brunnen sind trocken gefallen, selbst in den fruchtbarsten Gebieten. Und Saudi-Arabien besitzt weder Flüsse, noch Seen. Trinkwasser wird aus Tiefbrunnen und Meerwasser-Entsalzungsanlagen gewonnen. Die Niederschlagsmenge ist minimal und auf die Monate November bis Januar begrenzt. Das Königshaus hat den dramatischen Wassermangel als eines der größten Probleme des Landes erkannt.

Der seit 2005 amtierende König Abdullah unternimmt zaghafte Versuche, seine Landsleute auf einen behutsamen Umgang mit den schwindenden Wasserreserven einzustimmen, vor allem in der Landwirtschaft. Die Förderung des besonders wasserintensiven Weizenanbaus soll in wenigen Jahren auslaufen, für andere Produkte wie Futterpflanzen wurde bereits ein Exportstopp verhängt. Die Zukunft gehöre jetzt der ökologischen Landwirtschaft, heißt es neuerdings im Agrarministerium. Und einer der Öko-Pioniere ist Khalid Al-Haddad.

Der Großteil Saudi-Arabiens besteht aus Sand und Wüste. Bild: dpa

Im Hedschas, der Küstenregion am Roten Meer, besitzt er drei große Farmen. Neben Tomaten und Knoblauch züchtet er Kartoffeln und Bohnen, Gurken und Zucchini, Auberginen, Paprika, Peperoni. Auf seiner Farm nahe Medina gedeihen auch exotische Früchte: Papayas, Mangos, Pfirsiche, Aprikosen. Der Bio-Großbauer hat inzwischen auf Tröpfchen- Bewässerung umgestellt.

Wie schwarze Schlangen kriechen die Schläuche über seine Felder und führen das kostbare Wasser direkt an die Wurzeln. So spare er 40 Prozent der kostbaren Flüssigkeit gegenüber den Beregnungsanlagen, sagt er. Dafür sei die Anschaffung teuer und die Wartung aufwändig, doch ein staatlicher Entwicklungsfonds übernehme 70 Prozent der Kosten. Al-Haddad hat seine Bio-Lektion gelernt: Inzwischen kompostiert er vertrocknete Pflanzenreste und düngt damit die Felder.

Er beachtet penibel die Fruchtfolge, weil sich durch den Wechsel der Bepflanzung der Boden besser regeneriert. Er verwendet stickstoffbindende Pflanzensorten, sogenannte Leguminosen. Und: Er verzichte natürlich auf Kunstdünger und Pestizide, sagt er stolz, das alles verbessere die Böden und den Wasserhaushalt. So haben es ihm die deutschen Berater erklärt.

Erfahrung aus der deutschen Bioindustrie

Im krassen Gegensatz zur Ökowelle auf dem Acker steht der übrige Lebensstil der Saudis. Bild: dpa

Die Berater, das sind die Experten der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die seit 2005 im Auftrag des saudischen Agrarministeriums vor Ort sind. Saad Khalil, der Leiter des saudischen Öko-Anbauverbandes SOFA, setzt auf die Erfahrung der Deutschen im Biosektor. „Zuerst mussten wir der biologischen Landwirtschaft einen verlässlichen rechtlichen Rahmen schaffen, eine saudische Ökoverordnung“, erklärt Khalil.

Also wurde die SOFA ins Leben gerufen, eine Schnittstelle zwischen Landwirten, Verbrauchern und Regierung. Heute geht es vor allem um Vertrauensbildung. „Die Kunden müssen sich darauf verlassen können, dass unsere Biolandwirte saubere Ware liefern.“ Daran mangelte es in den letzten Jahren. Ausländische Agrarexperten aus Indien, Pakistan oder Bangladesch verfuhren nach dem Motto „viel hilft viel“ – und versprühten in der Hoffnung auf größere Erntemengen Unmengen Chemie.

Das betraf zwar vor allem die konventionelle Landwirtschaft, doch das Misstrauen blieb. „Die Saudis müssen erst wieder Vertrauen in heimische Produkte fassen“, sagt Khalil. Da soll das neue Biosiegel helfen, das 2011 eingeführt wurde – das erste auf der arabischen Halbinsel. Inzwischen werden 16.000 Hektar Land nach saudischer Ökoverordnung bewirtschaftet, knapp zwei Prozent der gesamten Agrarfläche. Bis 2017 soll der Anteil auf fünf Prozent steigen.

Auch der König und einige Prinzen der herrschenden Al-Saud-Familie haben angekündigt, ihre eigenen Großfarmen auf Öko umzustellen. Im krassen Gegensatz zur Ökowelle auf dem Acker steht der übrige Lebensstil der Saudis. In der internationalen Klimapolitik gehört die Herrscherclique des Landes seit jeher zu den fossilen Hardlinern. Bei Temperaturen bis zu 50 Grad findet das öffentliche Leben vor allem in vollklimatisierten Shopping Malls statt.

Den Strom liefern Öl-Kraftwerke. Die großen Städte durchziehen achtspurige Highways, die bis weit nach Mitternacht mit monströsen Geländewagen verstopft sind. Im Straßenverkehr gilt das Recht des PS-Stärkeren; Fußgänger oder Radfahrer sind schlicht nicht vorgesehen. Wer an einer mehrspurigen Schnellstraße die Straßenseite wechseln will, nimmt ein Taxi. Ob bei soviel Umwelt-Ignoranz der Bio-Funke überspringt?

Inzwischen gibt es landesweit 30 Bio-Supermärkte. Auch große Ketten wie Carrefour oder der lokale Anbieter Tamimi Market haben beachtliche Regalflächen für Bioprodukte reserviert. Auf den Wochenmärkten in Riad sind die Bio-Stände nach kurzer Zeit komplett ausverkauft. Letztes Start-Up ist ein Auslieferungsservice, der eine saudische Bio-Kiste anbietet. Und bald soll das erste Bio-Restaurant eröffnen. Das freut auch die vielen Ausländer im Land: sechs Millionen aus aller Herren Länder.

Die fehlende Konstanz

Viele Mitarbeiter westlicher Firmen sind in der Najd-Wohnanlage im Nordwesten Riads untergebracht. Najd wirkt wie ein Hochsicherheitsgefängnis mit gepanzertem Pförtnerhaus, meterhohen Mauern und Stacheldraht. Im Inneren fühlt man sich an einen Club Med erinnert: Fußballplätze und Swimming Pools, in der Bar laufen die Spiele der Bundesliga. Seit 2010 lebt Marco Hartmann hier. Der Agrarökonom, der an der Berliner Humboldt-Universität über internationale Agrarentwicklung promoviert hat, leitet das „Organic Farming Project“ der GIZ in Saudi-Arabien.

Als Hauptmanko des saudischen Biomarkts sieht er die fehlende Konstanz. „Was bringt es, die Kundschaft mit großem Werbeaufwand für Bio zu begeistern, wenn man dann sechs Monate lang kein eigenes Gemüse liefern kann“, sagt Hartmann. Die Verfügbarkeit von Saatgut und natürlichen Düngemitteln sei ein Riesenproblem. Saudische Landwirte könnten die Nachfrage nach Ökoprodukten kaum decken, weil Betriebsmittel, die ökologischen Standards genügen, einfach nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

Kurzfristig sollen Importe aus dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten helfen. Khalid Al-Haddad möchte aber ganz auf Importe verzichten und sein Sortiment komplett auf hausgemachte Produkte umstellen. „Mein Vater und mein Großvater waren schon Selbstversorger und kamen ohne Kunstdünger und Pestizide aus, nur gab es damals noch kein Bio- Etikett.“ Glaubt er, dass die ökologische Landwirtschaft sein Land vor dem Austrocknen retten kann?

„Schwer zu sagen“, sagt Al-Haddad, „wir haben eine Dürre, die schon 20 Jahre anhält; wenn es auch in den kommenden 20 Jahren nicht richtig regnet und der Klimawandel fortschreitet, wird es in Saudi-Arabien keine Landwirtschaft mehr geben.“ Dann, so Al-Haddad, müsse man wohl mit den Einnahmen der endlichen Ressource Erdöl, die andere Ressource Nahrungsmittel finanzieren – alles andere als eine nachhaltige Strategie.

Frank Odenthal, Artikel erschienen in der Ausgabe zeo2 04/12.

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