Nobody’s perfect

Billy Wilder bedeuten Ehrungen wenig. Dennoch wird der große Regisseur heute mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet

Er hat die witzigsten Filme der Welt gedreht und dabei auch die menschlichsten. „Nobody's perfect“, der Satz, der mit „Manche mögen's heiß“ zum schönsten aller Film-Enden wurde, ist nicht nur eine Pointe, sondern eine Haltung. Wilders Einstellung zu seinen Figuren, das ist die liebevolle Nachsicht mit der Kreatur. Marilyn Monroes unbeschreiblicher Hüftschwung, wenn sie in „Manche mögen's heiß“ den Bahnsteig entlangtippelt, Gloria Swansons im Wahnsinn weit aufgerissene Augen in „Boulevard der Dämmerung“, Jack Lemmons besorgter Blick auf Shirley MacLaine in „Das Apartment“) – Wilders Bilder bleiben im Gedächtnis, weil sie Menschen und vor allem menschliche Schwächen erfassen, ohne sie auszustellen oder zu betonen.

Für Ausgestelltes, Reduntantes haben seine Filme ohnehin viel zu viel Tempo. Vor allem „Eins, zwei, drei“ (1961), dieser Irrwitz von einer Komödie, in der Liselotte Pulver den Kalten Krieg im Pünktchenkleid Schachmatt tanzt. Bis heute hat kein anderer Film den Ost-West-Konflikt so gemein als Kampf zwischen Managern und Funktionären, Coca-Cola und Beluga-Kaviar auf den Punkt gebracht. Als Wilder vor sieben Jahren auf der Berlinale den Goldenen Bären für sein Lebenswerk bekam, erinnerte er sich, immer noch verwundert, wie während der Dreharbeiten plötzlich die Berliner Mauer gebaut wurde: „Der 13. August war ein schöner Sommertag. Wir hielten das alles für einen bösen Scherz.“ In Berlin besuchte Wilder, der in Auschwitz Mutter, Großvater und Stiefvater verloren hatte, auch das Grab seines Vaters auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee.

Seit 1934 lebt Wilder, der Deutschland eine Woche nach dem Reichstagsbrand verlassen hatte, in den USA. Nach dem Krieg war er vorübergehend Leiter der Filmabteilung der US-Armee und arbeitete 1945 auch am Schnitt des Dokumentarfilms „Todesmühlen“ über die Konzentrationslager, „damit nicht später irgendjemand behauptet, das haben sich diese Juden in Hollywood ausgedacht“. Zu Hause in Los Angeles bekommt Billy Wilder heute vom deutschen Botschafter das Bundesverdienstkreuz für seine Verdienste um den deutschen Film überreicht, eigentlich hätte es längst zwischen seinen sechs Oscars und um die 100 weiteren Preisen hängen sollen – auch wenn es ihn wahrscheinlich wie alle anderen Auszeichnungen nicht sonderlich beeindrucken wird. Für solche Gelegenheiten hat er einen typischen flotten Wilder-Satz auf Lager: „Preise sind wie Hämorrhoiden, irgendwann kriegt sie jeder Arsch.“ KATJA NICODEMUS