Jörg Haiders braune Erblast

Ein Nazi will der Kärntner Landeshauptmann nicht sein. Aber als Erbe von den Nürnberger Rassegesetzen zu profitieren, scheint ihm nichts auszumachen ■ Aus Wien Ralf Leonhard

Der politische Umbruch in Österreich hat nicht nur neue Wunden geschlagen, sondern auch alte wieder aufgerissen. Jörg Haider will zwar kein Nazi sein, doch als Erbe des Bärentals von deren Untaten zu profitieren, scheint ihm wenig auszumachen. In der israelischen Hafenstadt Haifa hat sich jetzt die 72-jährige Noemi Merhav zu Wort gemeldet, die heute stolze Herrin des Kärntner Bärentals wäre, wenn der Forstbesitz nicht im Zuge der „Entjudung und Arisierung“ 1939 an Josef Webhofer, den Urgroßonkel von Jörg Haider, gefallen. Neomi Merhav ist die Tochter von Mathilde Roifer, die das Bärental aufgrund der Nürnberger Rassegesetze 1939 weit unter Preis verkaufen musste, bevor sie mit ihren Kindern nach Palästina flüchten konnte. Webhofer schenkte das Gut im Jahre 1986 dem FPÖ-Chef und machte ihn damit über Nacht zum reichen Mann. Für Noemi Merhav ist der Gedanke, dass Haider nicht zuletzt dank seiner finanziellen Unabhängigkeit politisch so schnell aufsteigen konnte, besonders schmerzhaft. Sie hofft jetzt, ihr Erbe doch noch antreten zu können.

Jörg Haider gibt sich unbeeindruckt. Er sehe einem Prozess gelassen entgegen, erklärte er am Freitag. Schließlich habe sein Erbonkel den Erwerb nach dem Krieg legalisiert. Im Jahre 1954 zahlte Josef Webhofer 120.000 US-Dollar an Frau Roifer. Ein Preis, der drei Jahreserträgen entspricht oder einem Hundertstel des Wertes. „Das ist, als ob man einen Rolls Royce für 50 Dollar verkaufen würde“, ärgert sich die Erbin. „Damals verweigerten die Behörden in Klagenfurt meiner Mutter den Einblick in das Grundbuch und in die weiteren dort befindlichen Dokumente. Mit gutem Grund: Denn der ohnedies schon rechtswidrige Zwangsverkauf wurde mit einer nicht mehr gültigen Vollmacht durchgeführt“, erklärte Noemi Merhav gegenüber dem Standard.

Die Londoner Times widmete dem Fall Bärental am Donnerstag eine ganzseitige Reportage mit dem suggestiven Titel „Wie Haiders Landbesitz Juden gestohlen wurde“. Ein Bericht, der sich im Wesentlichen auf Recherchen stützt, die in den 80er-Jahren in österreichischen Medien abgedruckt wurden. Der Fall schlug damals hohe Wellen. Haider zog gegen das Magazin Basta vor Gericht. Das kam 1988 zu dem Schluss: „Es steht fest, dass Frau Roifer dieses Grundstück auf erpresserische Weise weggenommen wurde“, die dafür von der Illustrierten verwendete Bezeichnung „Raubrittermethoden“ sei „durchaus angebracht“ gewesen.

Das Bärental, ein Forstareal von 1.600 Hektar Größe und einem Wert von fast 20 Millionen Mark, liegt eine halbe Autostunde südlich der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt. Acht Kilometer windet sich die schmale Straße bergan. Aus dem Mischwald schießen Bäche und Wasserfälle. Der Haider'sche Landsitz, weithin erkennbar an den auf der Wiese postierten Gartenzwergen, liegt nur einen Steinwurf von der slowenischen Grenze entfernt. Ursprünglich war das Bärental von slowenischen Bauern besiedelt, die österreichischen Grundherren hörig waren. Durch die Agrarreform, die der Revolution 1848 folgte, wurde das Land größtenteils an die Bauern verteilt. Durch legale Tricks konnte die ehemalige Herrschaft, allen voran Baron Helldorf, ihre Ländereien allerdings nach und nach zurückergaunern. Doch auch der Baron wurde nicht glücklich. Nach dem 1. Weltkrieg ließ er sich auf Spekulationsgeschäfte ein, die ihn nach der Krise von 1929 ruinierten. Er musste das Bärental samt allen Häusern und der Sägemühle Dr. Giorgio Roifer, einem jüdischen Geldverleiher aus Pisa, überlassen.

Als die Nazis Österreich im Jahre 1938 als Ostmark heim ins Reich holten und ein Jahr später die Nürnberger Rassegesetze auch hier galten, brachen in Kärnten gefährliche Zeiten für Juden an. Giorgio Roifer erkannte, dass es besser war, seine Geschäfte im deutschen Reich aufzugeben. Zum seinem Glück hatte er in den Zwanzigerjahren in Palästina Land gekauft. Er erlebte aber weder den Verkauf noch den Umzug, weil er 1939 an Lungenkrebs starb. Seine Witwe, Mathilde Roifer, musste die Liegenschaft während der „Arisierungswelle“ weit unter dem Marktwert an den, wie es im Vertrag ausdrücklich heißt, „Vollarier“ Josef Webhofer verkaufen. Webhofer hatte sich bei den Nazis durch seinen Eifer bei der Herstellung ethnisch sauberer Gebiete in Südtirol und Slowenien hervorgetan.

Diese Geschichte ist unbestritten. Doch den Porsche-Fahrer Haider plagen keine Gewissensbisse. Schließlich hatte er mit dem dubiosen Kauf nichts zu tun. Und der greise Erbonkel, der von der auf dem Bärental lastenden Leibrente in Südtirol lebt, kann schwerlich auf Herausgabe geklagt werden, da er das Gut ja verschenkt hat.