Die Spende

Er ist Unternehmer und er ist CDU-Mitglied. Folglich hat er seine Partei unterstützt – mit einer Spende. Und das ist Martin Herrenknechts Problem ■ Aus Allmannsweier Uta Andresen

Was ist eine Spende? Eine nützliche Unterstützung für eine vernünftige Sache. Wenn Sie in die Kirche gehen, werfen Sie auch einen Zehner in die Opferschale

Die Büroetage ist seit dem Herbst bezugsfertig. Zweiter Stock, in der Mitte eine Lichtsäule, Glasfassade zum Firmenportal, ein Konferenzzimmer wie ein Tennisplatz. Keine Frage: repräsentabel, geschmackvoll, Macht demonstrierend. „Der Chef sitzt lieber unten“, sagt der Pressesprecher, „da hat er alles im Blick.“ Unten heißt im alten Büro, unauffällig, direkt hinter dem Empfang, mit Blick auf die Auffahrt. Soll also keiner sagen, Martin Herrenknecht wüsste nicht Bescheid. Aber er muss es ja nicht gleich jedem auf die Nase binden.

Zum Beispiel die Sache mit der Pfarrspende. „Ach, das wissen Sie?“, fragt er, und das „leider“ muss er nicht nachschieben, es ist auch so zu hören.

Ja, die Pfarrspende, die muss ihn mordsmäßig geärgert haben. Da spekulierten doch die Leute von der Presse, ob der Pfarrer nun mit einem Herrenknecht-Sticker am Talar in der Kirche zu Allmannsweier im Schwarzwald predigen würde. Dabei ging es doch nur um die Problemlösung! Besonders gläubig ist er ja nicht, der Herrenknecht, höchstens viermal im Jahr geht er in den Gottesdienst. Aber die Kirche in Allmannsweier nur noch mit Teilzeitpfarrer? „Das ist doch nix“, sagte Martin Herrenknecht und machte sich im Sommer 1998 an die Problemlösung. In Form einer jährlichen Spende. 60.000 Mark. Verwendungszweck: Aufstockung der Pfarrstelle. Bedingung: Der Pfarrer müsse jünger als 45 sein und sich in erster Linie für Jugendarbeit engagieren. „Lösungen gibt es immer“, sagt Martin Herrenknecht.

Die Herrenknecht AG in Allmannsweier. Ein Dock, gestrandet auf dem flachen Land. Nur dass in diesem Dock Tunnelvortriebstechnik gefertigt wird. Man könnte auch sagen: Riesenbohrer, groß genug, dass durch die Röhre, die sie im Erdreich hinterlassen, ein Zug fahren kann. In der Gemeinde nebenan leben zwölftausend Menschen, tausend arbeiten bei Martin Herrenknecht. In Allmannsweier sagt man nur: „Der Herrenknecht.“ Man könnte auch sagen: Der Patron. Der Mann, der dem Ort Arbeit gibt, Gehalt, Steuern und eben jene halbe Pfarrstelle. Der Mann, von dem es heißt, ohne ihn laufe nichts in Allmannsweier, keine Beerdigung, keine Wahl, keine Anlage einer Grünfläche.

Der Herrenknecht. 57 Jahre. Ein festerer Mann, würde man hier sagen und die Statur meinen. Platte, Brille, dunkelblauer Zweireiher, solide, nicht elegant. Ein Mann, dessen energischer Auftritt allein verrät, das er den Laden hier im Griff hat. Einer, der es gewohnt ist, Anweisungen zu geben, Problemlösungen zu finden. Schnell, effektiv – für die Kirche wie für den Betrieb. So ohne weiteres kommt man schließlich nicht zu einer Angestelltenzahl von null im Jahre 1977 auf tausend im Jahre 2000. So ohne weiteres kommt man nicht zu einem Umsatz von 400 Millionen Mark im Jahr. Und nicht an Aufträge wie den Bau der vierten Elbröhre in Hamburg oder den Bahntunnel im Berliner Regierungsviertel, den Tunnel in Sydney, der den Flughafen mit dem Olympiagelände verbinden soll, oder die Alpentransversale in der Schweiz.

Problemlösungen. Es war Anfang 1998. Wahlkampf in Baden-Württemberg. Und der alte CDU-Kandidat des Wahlkreises Emmendingen/Lahr, Martin Herrenknechts Wahlkreis also, war seit zwei Jahren tot. Den Neuen, Peter Weiß, den kannte ja niemand. So’n Junger. Was nun? Die CDU musste schließlich gewinnen, für Martin Herrenknecht. „Das ist eine Grundeinstellung, der Mittelstand war dem konservativen Lager ja schon immer näher, die haben die richtigen arbeitsmarktpolitischen Ansätze.“ Also spenden. 25.300 Mark. So kam es, dass Martin Herrenknecht sich nun im neuesten Rechenschaftsbericht der Christlich Demokratischen Union Deutschlands unter der Rubrik „Spender gemäß §25 Abs. 2 Parteiengesetz“ wiederfindet.

Und nun hat Martin Herrenknecht statt der Lösung ein Problem. Denn in dem Bericht stehen auch Spender wie Karl und Ingrid Ehlerding, die gemeinsam 3,3 Millionen Mark an die Partei gereicht haben. Um sich den Zugriff auf 31.000 Eisenbahnerwohnungen zu sichern, heißt es. Was ihnen auch gelungen ist. Auch so eine Art Problemlösung. Wie in gewisser Weise die gesamte Spendenaffäre der CDU. Schwarze Konten, Barspenden, fehlende Kontoauszüge. Verwendungszweck: Machtsicherung.

Und nun hat das Problem von Martin Herrenknecht einen Namen: Misskredit. Für die Partei, für ihn. Er, Unternehmer, wertkonservativ, fest verbunden mit dem Schwarzwald – „meine Familie geht bis ins 14. Jahrhundert zurück hier in Allmannsweier“ –, Geschäfte in aller Welt, spendet für eine Partei, die er in der Regierung sehen will. Und was tut diese Partei? Mauschelt, macht unsaubere Geschäfte – und ausgerechnet mit Spenden! Martin Herrenknecht sagt nicht: Betrug, Verbrechen. Martin Herrenknecht sagt: „Ich kann alles belegen, meine Spende ist sauber.“

Schließlich ging seine Spende nicht anonym an die Partei, wie die rund zwei Millionen Mark, die der just vom Ehrenvorsitz zurückgetretene Helmut Kohl in den Jahren 1993 bis 1998 erhalten haben will. Nicht in bar per Koffer, wie ihn der Parteivorsitzende Wolfgang Schäuble 1994 entgegengenommen hat. Nicht verbucht auf einem schwarzen Konto, wie die 32 Millionen Mark, die der einstige CDU-Chef Hessens, Manfred Kanther, und der einstige Schatzmeister der Landespartei, Casimir Johannes Prinz zu Sayn-Wittgenstein, in der Schweiz deponierten. Und schon gar nicht aufgewendet für ein Waffengeschäft, wie die insgesamt 34 Millionen Mark, die der Thyssen-Konzern nach eigenen Angaben dem Spendenboten Karlheinz Schreiber zahlte, der davon reichlich an die CDU weiterreichte. Nicht einmal projektgebunden, wie bei der Eisenbahnerspende der Ehlerdings gemutmaßt wird. Alles sauber, Quittung, Rechenschaftsbericht, eine Spende, global, damit die Partei den Wahlkampf schafft.

Und nun verlangt doch dieser Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, dass der bereits korrigierte christlich-demokratische Rechenschaftsbericht nochmals überarbeitet werden muss. Auf Grund von „Mittelzuflüssen ungeklärter Art“. Da steht man nicht gerne in ebenjenem Bericht, saubere Spende hin oder her. Martin Herrenknecht sagt: „Das stimmt nachdenklich.“ Als seriöser Unternehmer könne man sich so etwas schließlich auch nicht leisten. „Das geht nicht, dass ein Arbeiter jeden Pfennig versteuern muss, und da werden Spendengelder im Koffer rumgetragen. Das ist nicht seriös“, sagt er.

Fehlende Kontoauszüge? „Flickschusterei!“ Anderkonten als Gelddepot? „Die müssen zweckgebunden sein!“ Spender unbekannt? „Das ist schon sehr luftig, wenn keiner weiß, woher das Geld kommt.“

In China mit Töpfer, in Argentinien mit Rexrodt, in Brasilien mit Herzog. Wenn Martin Herrenknecht in jenen Ländern Geschäftsbeziehungen hat, denen ein Regierungsmitglied von Land oder Bund einen Besuch abstattet, geht er gerne mit. „Rein repräsentieren ist mir zu blöde, ich muss da schon ein Geschäft an Land ziehen können.“ Zum Beispiel China. „Dort ein Geschäft zu machen ohne die Unterstützung der Landes- oder Bundesregierung ist unheimlich schwierig, da braucht man die Vermittlung.“ Eine Wirtschaftsdelegation also.

Es war Mitte der Achtzigerjahre. Martin Herrenknecht war mit seinem Ministerpräsidenten, dem Lothar Späth von der CDU, in der Türkei unterwegs. Späth für Kontaktpflege. Herrenknecht auch. Eine Wirtschaftsdelegation also. „Wir haben da Maschinen verkauft, direkt am Bosporus.“ Die Delegation wollte weiterfliegen, nachts um zwei Uhr wurde die politische Lage durchgegeben. Da hat der Herrenknecht den Späth gefragt, ob er nicht in Istanbul bleiben könne, weiter Maschinen verkaufen. Und der Späth sagte: „Herrenknecht, Business is Business – bleiben Sie.“ Auf dem Rückweg nach Deutschland habe Späth sich dann erkundigt, wie denn die Geschäfte gelaufen seien. „Das hat einen unheimlich guten Eindruck auf mich gemacht“, sagt Martin Herrenknecht. Seit anderthalb Jahren nun führt Lothar Späth den Aufsichtsrat der Herrenknecht AG. Das Unternehmen will an die Börse gehen. „Da brauchen Sie Leute wie den.“ Leute mit den Kenntnissen, den Informationen, den Kontakten.

Business is Business. Im Sommer 1986 empfahl Lothar Späth, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, das hoch verschuldete Schlosshotel Bühlerhöhe dem Industriellen Max Grundig. Für 7,8 Millionen Mark. „Ein großer Deal fürs Land“, sagt Martin Herrenknecht. Ein großer Deal, weil er das Land aus seiner Pflicht entließ, das marode, aber geschichtsträchtige Lieblingshotel von Konrad Adenauer zu erhalten. Ein großer Deal. Nur dass Lothar Späth sich ein halbes Jahr vor dem Deal von Schlossaspirant Grundig zu einer Reise mit der Concorde einladen ließ. Über 550 von allen wichtigen Industriellen des Landes gesponserte Reisen soll das „Cleverle“ als Landesvater unternommen haben. Untersuchungsausschuss, Schluss mit Ministerpräsident. „Deutschland ist eine Neidgesellschaft“, sagt da Martin Herrenknecht. Wie, ein Ministerpräsident soll nicht wegen Vorteilsnahme seinen Dienst quittieren? „Das war eine Bagatelle.“ Und ein Kanzler soll nicht wegen Untreue zum Nachteil seiner Partei und auch der Republik belangt werden? „Der ehemalige Bundeskanzler ins Gefängnis? Da stecken Sie das ganze Land mit ins Gefängnis. Das geht nicht.“

Business is Business. Es ist ja nicht so, dass Martin Herrenknecht nur für die CDU spenden würde. Auch die SPD und die Grünen haben schon etwas bekommen. Nur nicht so viel. „Ich bin ja CDU-Mitglied, seit 1982“, sagt Martin Herrenknecht. Was er nicht sagt, ist: Die CDU war sechzehn Jahre lang an der Regierung, war diejenige Partei, die die Wirtschaftsdelegationen ins Ausland schickte. Für die SPD gab es vom Herrenknecht „sporadisch 3.000 bis 7.000 Mark“, für die Grünen Sachspenden, zum Beispiel „Humus und eine Stahlkonstruktion“, etwa als sie im Nachbarort Schwanau ein Biotop anlegen wollten. Landschaftspflege à la Herrenknecht. „Ein Politiker kann keine Arbeitsplätze schaffen, die schafft der Unternehmer, und der braucht gute Bedingungen“, sagt Martin Herrenknecht. Dafür also die Spende, für gute Bedingungen. „Ich erwarte, dass ich korrekt behandelt werde und im Ausland Unterstützung erhalte bei schwierigen Verhandlungen – etwa von den Botschaften.“ Business is Business.

„In Zukunft“, sagt Martin Herrenknecht, und das ist nun das Problem der CDU, „werde ich vorsichtiger mit Spenden umgehen, kritischer.“ Und erst einmal gar nicht. „Bei denen muss das sortiert sein, bevor ich wieder spende.“

Was ist also eine Spende? „Eine nützliche Unterstützung für eine vernünftige Sache“, sagt Martin Herrenknecht. Nicht für eine unsaubere Sache. Misskredit kann man sich im Geschäft nicht leisten.

Was ist schon eine Spende? „Wenn Sie in die Kirche gehen, werfen Sie ja auch einen Zehner in die Opferschale“, sagt Martin Herrenknecht. Vielleicht, aber wohl keine 60.000 im Jahr, und gewiss ohne Vertragsabschluss.