Holzmann saniert Schröder

■  Die Rettung des Baukonzerns macht den Kanzler zum Sieger. Mit 250 Millionen Mark Bundesbeihilfen und vier Milliarden von den Banken darf Holzmann weitermachen. Ein Drittel der Belegschaft muss gehen

Berlin (taz) – Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat seinen ersten großen politischen Erfolg eingefahren – dank der Pleite des Baukonzerns Philipp Holzmann AG. Mit „Gerhard, Gerhard“-Rufen und minutenlangem Jubel feierten zweitausend Beschäftigte den sozialdemokratischen Kanzler, als er am Mittwochabend um 21.35 Uhr vom Tribünen-Lkw der Gewerkschaft Bau vor der Frankfurter Konzernzentrale verkündete: „Freunde, wir haben es geschafft.“ Von der Bild bis zur SPD-Linken ist die Republik sich einig, dass Schröder Großes vollbracht hat.

Schröder war nach Frankfurt gefahren, um die Banken zu überzeugen, noch ein paar hundert Millionen Mark mehr für die Rettung von Deutschlands zweitgrößtem Baukonzern bereit zu stellen. Immerhin standen rund 17.000 Jobs bei Holzmann und weitere 40.000 bei den mittelständischen Zulieferern auf dem Spiel. Für das insgesamt 4,3 Milliarden Mark teure Sanierungskonzept gibt der Bund nun einen Kredit von 150 Millionen Mark und eine Bürgschaft über 100 Millionen. Mit diesem Geld wird ein guter Teil der Lücke geschlossen, die die Banken am Wochenende offen gelassen hatten. Die EU-Wettbewerbskommission in Brüssel muss die Beihilfe des Bundes allerdings noch genehmigen.

Im Rahmen des Sanierungsplans, an dem sich die Banken jetzt mit knapp vier Milliarden Mark beteiligen, werden 23 Holzmann-Niederlassungen in Deutschland geschlossen. Die Verwaltungsebene der regionalen Direktionen fällt weg. Dadurch soll das Unternehmen bis zu 3.000 Stellen einsparen.

Darüber hinaus muss Holzmann weitere Firmenteile mit 1.800 Beschäftigten und alle Immobilien im Inland verkaufen. Die Zahl der Beschäftigten wird damit um 30 Prozent auf rund 12.000 reduziert. Die Belegschaft von Holzmann trägt 150 Millionen Mark pro Jahr zur Sanierung bei, indem sie 43 Stunden pro Woche arbeitet und auf sechs Prozent Lohn verzichtet.

Nachdem sich Schröder, die Banken, der Holzmann-Vorstand und die Beschäftigten am Mittwochabend auf diese Lösung geeinigt hatten, zog Holzmann gestern den Insolvenzantrag bei Gericht zurück. Nach Informationen aus dem Konzern wird Finanzchef Rainer Klee den Neubeginn nicht mehr mitgestalten, er soll von seinem Amt entbunden werden. Auf den stillgelegten Baustellen ging die Arbeit gestern wieder los.

Koalition und Opposition im Bundestag begrüßten die Rettung des Konzerns und den Einsatz Schröders einhellig – wenngleich einige Redner, unter anderem Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos), vor einem „Präzedenzfall“ warnten. Staatliche Beihilfen, so die Kritik, dürften nicht zum Regelfall werden. Müller sagte, der Staat könne „nicht generell der Reparaturbetrieb für angeschlagene Firmen sein“. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Margaretha Wolf, plädierte dafür, die Kontrolle von Aktiengesellschaften durch Begrenzung der Aufsichtsratsmandate von Bankmanagern zu verbessern. Ihr CDU-Kollege Matthias Wissmann forderte ein europäisches Kartellrecht oder „vielleicht sogar“ weltweite Wettbewerbsregeln.

Auch Banken- und Mittelstandsvertreter kritisierten den Eingriff Schröders als „Wettbewerbsverzerrung“. Holzmann sei durch eigenes Verschulden in die Schieflage geraten, sagte der Pressesprecher des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft, Stefan von der Heiden. Seine Rettung durch den Einsatz der Bundesregierung habe der Konzern nur seiner Größe zu verdanken, bei kleineren Firmen greife niemand ein. Allerdings musste er auch zugestehen, dass durch die Holzmann-Rettung eine Reihe von Zulieferfirmen vor dem Exitus bewahrt werden.

Hannes Koch, Beate Willms

Tagesthema Seiten 2 und 3