Attacke: Streit unter Flüchtlingen eskaliert

Vor der besetzten Schule in Kreuzberg wird ein Flüchtling mit einem Messer schwer verletzt. Die Verhandlungen, wie es mit dem Haus weiter geht, stocken

Vor der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg kam es in der Nacht zum Donnerstag zu einer Messerattacke auf einen der Flüchtlinge, die das Haus besetzt haben. Bild: dpa

Noch Stunden nach der Tat hängt das Absperrband der Polizei über dem Schulhof, sichern Beamte Spuren, schnüffelt ein Spürhund nach dem Tatmesser. Vom ersten Stock der Schule aus blicken junge Männer mit Basecaps auf das Geschehen, allesamt Flüchtlinge. Stunden zuvor wurde ein Mitbewohner von ihnen bei einem Messerangriff schwer verletzt.

Seit knapp einem Jahr halten gut 200 Flüchtlinge die frühere Hauptmann-Oberschule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg besetzt. Laut Polizei war in der Nacht zu Donnerstag kurz nach Mitternacht ein 20-jähriger Bewohner, ein Mann von der Elfenbeinküste, vor dem Vorhaus der Schule mit zwei Messerstichen in den Rücken attackiert worden. Der Mann habe sich auf die Straße geschleppt und sei von der Feuerwehr in ein Krankenhaus gebracht worden. Er sei schwer verletzt, habe am Nachmittag aber nicht mehr in Lebensgefahr geschwebt.

Die Polizei schickte am frühen Morgen ein Spezialkommando zur Schule und riegelte den Schulhof ab. Laut dem Opfer gab es zwei Angreifer, Bewohner des Vorhauses. Die Polizisten stürmten das Vorhaus. Ein marokkanischer Bewohner berichtete, die Polizisten hätten den Eingang aufgerammt, alle hätten sich auf den Boden legen müssen. Er sei dem gefolgt, trotzdem sei er getreten worden. Der Mann verlor einen Zahn, blutete an der Lippe. Die Täter hingegen fanden die Beamten nicht.

Die linke Szene liess sich am Vormittag nicht blicken, nur eine handvoll Unterstützer eilte herbei. Die Polizei ermittelt nun wegen versuchter Tötung. Das Schulgebäude betrat sie nach eigenen Angaben nicht. Es habe keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Angreifer dorthin geflohen seien, sagte ein Sprecher. Was deren Motiv war, sei unklar.

Auch in der Schule weiß man nichts Genaues, es heisst, es sei um Drogen gegangen. Schon im April war es zu einem ähnlichen Vorfall vor der Schule gekommen, damals stürmten SEKler auch das Hauptgebäude. Bewohner berichten, dass es immer wieder zu Auseinandersetzungen komme. Teils rufe man auch selbst die Polizei, sagt eine Frau. Die letzten Monaten aber seien „ruhiger“ gewesen.

Bezirksstadtrat Hans Panhoff (Grüne) sprach von einem „bedauerlichen“ Vorfall (s. unten). Deutlich schärfere Worte fand Innensenator Frank Henkel (CDU). Er nannte die Lage in der Schule „sehr bedenklich“. „Der Bezirk muss aufpassen, dass ihm die Situation nicht entgleitet.“ Es sei klar, dass es zu Spannungen komme, wenn Menschen „unter widrigen Umständen auf engstem Raum“ lebten, sagte Henkel. „Die Frage ist, wie lange sich die Bezirksbürgermeisterin das anschauen will.“

„Guidelines“ im Flur

Eine Räumung der Schule schließt der Bezirk aus. Er hatte die Besetzung im letzten Dezember als „Kältehilfe“ geduldet. Aus der Schule will er ein „Projektehaus“ für lokale Initiativen machen. Panhoff verhandelt bereits seit Wochen mit den Bewohnern über einen freiwilligen Auszug und bis dahin über geordnetere Verhältnisse im Haus. In den Fluren kleben nun Aushänge: „Security and cleaning guidelines“.

Trotzdem sieht es weiter chaotisch aus: Bewohner schlafen überall auf Matratzen, auch in Fluren. Toiletten sind defekt, Duschen fehlen, manche Scheiben sind eingeschlagen. Neben vorrangig afrikanischen Flüchtlingen, einigen mit Papieren, anderen ohne, bewohnen inzwischen auch Arbeitssuchende aus Südosteuropa und Obdachlose die Schule – sich selbst überlassen.

„Seit einem Jahr werden wir hier im Stich gelassen“, sagt Mitbesetzer Claude, ein 57-Jähriger aus Martinique. Man brauche Lebensmittel, Matratzen und weit mehr als die bisher nur zwei Duschen. Zwar habe es Gespräche mit dem Bezirk gegeben, so Claude. „Aber daraus gefolgt ist nichts.“ Panhoff weist die Kritik zurück. Man kümmere sich um Heizung und Strom. Alles andere sei Aufgabe der Bewohner – die das Haus schließlich besetzt, nicht gemietet hätten.

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