Flüchtlinge: Neue Wege bei der Bettensuche

Überbelegung allerorten: Es gibt zu wenig Unterkünfte für Asylsuchende. Bis Jahresende fehlen über 700 Plätze. Jetzt sollen sogar Hostelbetten angemietet werden.

Damit es nicht zu solchen Sporthallenlagern kommt, werden Flüchtlinge bald in Berliner Hostels schlafen können. Bild: DPA

Im Köpenicker Allende-Viertel ist am Donnerstag Berlins jüngstes Flüchtlingsheim bezogen worden. 150 Menschen finden in einem früheren Seniorenheim ein vorübergehendes Zuhause. Das Gebäude, das wegen des schlechten Bauzustands aufgegeben worden war, soll für ein Jahr Asylsuchende beherbergen, danach sind der Abriss und der Neubau einer Wohnanlage fest geplant.

Dass Berlin zur Unterbringung von Flüchtlingen auf solche temporären Notunterkünfte zurückgreift, zeigt, wie groß der Handlungsdruck ist. Derzeit leben 7.683 Menschen in Flüchtlingsheimen, fast doppelt so viele wie vor einem Jahr. Mit der Eröffnung des Köpenicker Heimes ist die Zahl der fehlenden Plätze zwar von 350 auf 200 gesunken, doch weiterhin fehlen Plätze. Das bedeutet, dass in mehreren Heimen Spiel- und Lernzimmer in Schlafsäle verwandelt und Zimmer überbelegt wurden. Da einem Flüchtling per Gesetz in der Regel 6 Quadratmeter Wohnraum zustehen, führt das zu unzumutbarer Enge. In der Spandauer Motardstraße wurde zudem eine wegen ihres maroden Zustands außer Betrieb genommene Unterkunft erneut belegt.

1.000 weitere Plätze in Asylheimen benötige Berlin noch dieses Jahr, verkündete Sozialsenator Mario Czaja (CDU) im August. Die Zahl beruhte auf einer Prognose des Bundes über die Zahl neu nach Deutschland reisender Asylbewerber. Im Oktober wurde diese Prognose nach oben korrigiert, sodass Berlin noch mal mit weiteren 1.000 Neuankömmlingen in diesem Jahr rechnen muss. Die allermeisten dieser Menschen werden einen Heimplatz benötigen.

Für Syrer ist gesorgt

Seitdem hat Berlin die Unterkunft in Hellersdorf mit vorerst 200 Plätzen in Betrieb genommen, eines in Moabit mit 140 sowie eines mit 540 Plätzen im Spandauer Ortsteil Gatow. Im Dezember wird in Pankow ein Heim mit gut 200 Plätzen öffnen. Zusammen mit dem neuen Köpenicker Heim sind das 1.230 statt der nötigen 2.000 Plätze. Im Sommer musste aber auch eine Unterkunft schließen: Reinickendorf benötigte eine Schule wieder, in der 120 Flüchtlinge gewohnt hatten. Somit werden zum Jahresende mindestens 770 Plätze für Flüchtlinge fehlen.

Zumindest für die 250 Syrer, die aus den jordanischen Zeltlagern vom Bund eingeflogen werden, sei gesorgt, beruhigt Silvia Kostner vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). „Alle knapp 100 Syrer, die bisher kamen, wohnen bei Verwandten. Falls es Bedarf gibt, haben wir die Kapazitäten in Berlins größtem Flüchtlingsheim in Marienfelde um 100 Plätze erweitert.“ Technisch ist das möglich – die Bausubstanz ist gut, es gibt Wohnungen für große Familien. Allerdings stößt die Infrastruktur schon bei jetzt 600 Bewohnern an Grenzen.

Im Januar will Lageso-Präsident Franz Allert ein kleines Heim am Charlottenburger Kaiserdamm für Asylbewerber herrichten. Das Schulgebäude in Hellersdorf soll Anfang 2014 um gut 200 Plätze erweitert werden, und am äußersten Stadtrand in Köpenick steht ein kleines Heim mit rund 100 Plätzen auf dem Plan. Das reicht nicht aus, um alle Neuankömmlinge unterzubringen. Ob die provisorische Containersiedlung im Neuköllner Ortsteil Britz für 450 Flüchtlinge schon im Januar öffnen kann, ist mehr als fraglich. Die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln hat nämlich mit den Stimmen von CDU und SPD beschlossen, die Container weiter entfernt vom Wohngebiet aufzustellen. Das bedeutet Verzögerungen für dringend benötigte Plätze.

Eigentlich sollten die Plätze in Britz diejenigen in der Motardstraße ersetzen. Die Pläne zur Schließung dieses umstrittenen Erstaufnahmelagers wurden inzwischen verschoben. „Es steht noch nicht fest, wann wir wirklich schließen können“, sagt Silvia Kostner vom Lageso.

Denn Neukölln ist nicht der einzige Bezirk, der den Planungen für neue Unterkünfte Steine in den Weg legt. In Mitte schwelt ein Rechtsstreit, weil das Land und die Betreiberin eines Asylheims dessen Kapazitäten erweitern wollen – was der Bezirk ablehnt. Aus Steglitz-Zehlendorf, das sich bisher um die Unterbringung von Asylsuchenden weitgehend herumgemogelt hat, wurde dem Land zwar von einem Unternehmer ein Grundstück angeboten. Doch die Kooperation des Bezirks, der beispielsweise für Planungsrecht und Brandschutz zuständig ist, lässt zu wünschen übrig. Und in Spandau wohnen derzeit rund 200 Flüchtlinge in einer alten, teilweise restaurierten Kaserne. Der Betreiber würde gern auch die oberste Etage, die derzeit gesperrt ist, herrichten. Auch dazu fehlt es an Kooperation des Bezirks.

Egal, wo ein neues Flüchtlingsheim öffnet, gibt es Anwohnerproteste. Die Bedenken ähneln sich: Viele Berliner assoziieren Asylbewerber mit Kriminalität, Schmutz und einer Verschlechterung der Wohnumgebung. „In unsere beschauliche Gegend, wo es nie Kriminalität gab, da passt so etwas nicht rein“, erklärte eine Gatowerin auf einer Anwohnerversammlung. Ihrer Meinung nach sollten die Flüchtlinge doch besser nach Neukölln oder Hellersdorf, „wo die Leute sowieso so dicht wohnen und es nicht mehr drauf ankommt.“

Keine Frage, dass man das in Hellersdorf anders sieht. Dort beklagen Anwohner, dass Flüchtlinge „in unser Wohngebiet kommen, wo es schon soziale Probleme gibt, und nicht neben das Kanzleramt oder nach Zehlendorf“. Meistens beruhigen sich die Anwohnerproteste, wenn die Flüchtlinge einige Wochen dort wohnen und sich wider Erwarten die Kriminalitätsrate nicht erhöht.

Um Flüchtlinge trotz der Widerstände einiger Bezirke unterbringen zu können, geht das Lageso neue Wege. „Wir haben 100 Hostels in Berlin angeschrieben, ob sie Flüchtlinge aufnehmen würden“, sagt Silvia Kostner. Damit greift Berlin eine Forderung der Opposition auf. 20 Hostels hätten ihre Bereitschaft erklärt, mit denen werde verhandelt. „Wir müssen etwa klären, ob sie Flüchtlinge nur für wenige Tage aufnehmen, wenn alle anderen Kapazitäten voll sind, oder auch längerfristig.“ Auch müsse darüber gesprochen werden, ob Flüchtlinge neben den Hostelgästen wohnen oder möglicherweise ganze Hostels in Flüchtlingsheime verwandelt werden. Da gebe es noch einiges zu verhandeln, so Kostner: „Medienberichte, wonach wir schon heute so einen Vertrag haben, sind leider verfrüht.“

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