Die Kosten der Energiewende: Nur mit Wind und Sonne

Rainer Baake wird Staatssekretär im Energie- und Wirtschaftsministerium. Er setzt allein auf Wind- und Solarstrom.

Wind... Bild: dpa

Rainer Baake hat sie alle aufgeschreckt. Der Chef des Energiewende- freundlichen Think-Tank Agora ließ im Oktober seine Mitstreiter wissen, was er von dem System hält, mit dem heute der Strom aus Sonne, Wind und Biomasse bezahlt wird: wenig. Zu kompliziert und zu teuer sei das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG, mit dem Deutschland seit den späten neunziger Jahren Ökostrom fördert. 

„Egal ob Kohle, Gas, Wind oder große Photovoltaik-Anlagen: Die Stromerzeugung aus neuen Anlagen kostet etwa 8 bis 9 Cent je Kilowattstunde“, hat Baake sich von Experten ausrechnen lassen. Darum sei es an der Zeit, vom EEG mit seinen 66 Paragraphen und fünf langen Anhängen zurück zu finden zur Einfachheit, zu „radikaler Einfacheit“ – ein einziger Tarif für alle Produzenten von umweltfreundlichem Strom statt mehr als ein Dutzend verschiedener Preise für Anlagen unterschiedlichen Typs und Größe.

Statt sich auf eine Abnahmegarantie durch den Staat zu verlassen, sollen die meisten Anlagen – allen voran die Windräder – ihren Strom in Zukunft selber vermarkten. Klar ist: Die Agora-Forderung hätte zur Folge, dass die Fördersätze für Solaranlagen weiter runter gehen, dass Windenergie im tiefen Binnenland kaum noch wirtschaftlich wäre und dass man sich von neuen Biogas- oder gar Geothermie-Anlagen weitgehend verabschieden müsste.

Damit hat Baake mit dem zwei Jahrzehnte alten Kodex der Erneuerbare- Energie-Verbände gebrochen, beim Ausbau der Erneuerbaren alle Technologien mitzunehmen. Baake ist nicht irgendeine Figur der Umweltszene. Er ist ein Urgrüner und einer der erfolgreichsten dazu. Baake hat zusammen mit Joschka Fischer als hessischem Umweltminister in den 90er Jahren die Atomanlagen in Hessen dicht gemacht – der Anfang vom Ende der Nuklearwirtschaft in Deutschland.

Will er die Wende wirklich?

Mit Jürgen Trittin im Bundesumweltministerium hat er als Staatssekretär den Atomausstieg verhandelt. Und bis 2012 wussten ihn die Ökoenergie-Verbände als Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) – Mit-Herausgeberin von zeo2 – fest an ihrer Seite. Doch den Burgfrieden hat Baake nun gekündigt. Am heftigsten reagiert Eurosolar, der Verband, der einst vom energiepolitischen Übervater Hermann Scheer zur globalen Verbreitung der Erneuerbaren gegründet wurde.

„Diese Vorschläge bremsen die Energiewende aus, stärken die großen Energiekonzerne und ignorieren die bestehenden positiven Entwicklungen zur dezentralen Energiewende“, schimpfte der Vorstand und zweifelt an, ob Baake wirklich die Energiewende wolle.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) argumentiert mit einem eigenen Gutachten, wonach die Kosten für Windstrom in windarmen Gegenden bei elf Cent je Kilowattstunde liegen. Verbandspräsidentin Sylvia Pilarsky- Grosch wäre beim EEG wohl zu punktuellen Abstrichen an besonders „windhöffigen“ Standorten bereit – vor allem an den Küsten beklagen Insider wie Johannes Lackmann, selber ein Windpionier, schon lange eine massive Überförderung.

Auch die BWE-Studie kommt hier auf Kosten von nur 6,25 Cent. Aber grundsätzlich will die BWE-Chefin nichts ändern: „Es hat sich gezeigt, dass feste Tarife für die Windenergie nicht nur die volkswirtschaftlich billigste Lösung sind; sie ermöglichen es auch Bürgern zu investieren.“ Die Verbände sind offensichtlich beunruhigt. Greenpeace hat sich eigens von der Prognos AG eine „Kurzexpertise“ zu den „Auswirkungen einiger Vorschläge“ aus Baakes Konzeptpapier machen lassen, die zeo2 vorliegt.

... und Sonne. Bild: dpa

„Besonderes Augenmerk sollte dabei auf den Auswirkungen eines einheitlichen Vergütungssatzes auf einzelne Erneuerbare Energieträger liegen“, heißt es. Das Fazit der Gutachter: „Ein einheitlicher maximaler Vergütungssatz von 8,9 Cent/kWh ab 2015 reicht für die meisten erneuerbaren Energien nicht aus.“

Daraus würde eine starke Konzentration auf Windund Solar an den windigsten und sonnigsten Standorten resultieren. Der Vorschlag führe dazu, dass der Ausbau der Erneuerbaren sich überwiegend auf „Wind Onshore und Solartechniken an optimalen Standorten“ konzentriere und neue Techniken keine Chance mehr hätten.

Auch kommt das Gutachten für Greenpeace bei Wind- und Solarenergie durchgehend auf rund einen Cent höhere Erzeugungskosten. Baake ficht das nicht an. Burgfrieden gebrochen? „Es hat sehr unterschiedliche Reaktionen auf unser Papier gegeben“, sagt Baake.

Unterschiedliche Kosten in den Gutachten? Prognos bestätige die Berechnungen im Wesentlichen. Auch nach deren Gutachten könnten zwar für 8,9 Cent/ kWh nicht alle Erneuerbaren Energien in Deutschland flächendeckend betrieben werden, aber immer noch genügend für einen anspruchsvollen Ausbau. Doch der Streit um diese Zahlen geht am eigentlichen Konflikt vorbei.

Weiter mit der Gießkanne?

„Aus meiner Sicht ist der Wettbewerb der Erneuerbare-Energien-Technologien entschieden“, sagt Baake. Jetzt gehe es um die Frage, ob Deutschland sich auf die kostengünstigsten Optionen konzentrieren oder weiter mit der Gießkanne arbeiten wolle. Das im Jahr 2000 beschlossene EEG habe allen Technologien die gleichen Entwicklungschancen gegeben. Nach 13 Jahren Förderung stünden die Gewinner fest: Sonne und Wind.

„Das Revolutionäre ist doch, dass neue Wind und Solaranlagen Strom zu denselben Kosten produzieren können, wie neue Kohle- und Gaskraftwerke – und viel preiswerter als neue Kernkraftwerke“, so Baake gegenüber zeo2. Jetzt ginge es nicht mehr um Lastenteilung, sondern um neue Chancen durch kostengünstige Erneuerbare Energien.

Dass es nach seinem Modell in Zukunft kaum noch neue Biogasanlagen und Geothermiekraftwerke in Deutschland geben werde, ist für ihn folgerichtig: „Warum sollten wir für Strom aus Biomasse bis zu 25 Cent zahlen, wenn man Solar- und Windstrom für unter neun Cent haben kann?“

Marcus Franken, der vollständige Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 1/2014.

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