„Nicht bereit, diesen Preis zu zahlen“

Putzen, Kochen, Kinderbetreuen als richtiger Arbeitsplatz – selbst die Europäische Union fördert diese Idee. Doch das Modell der Dienstleistungsagenturen steckt in der Krise, obwohl es vor kurzem erst begonnen hat  ■   Von Hannes Koch

Die 31jährige Marlies Konrad arbeitet als Putzfrau in gehobener Stellung. Zwar ist der Staub in den Ecken überall ähnlich, und auch ihr Schrubber ist nicht vergoldet. Doch Konrad kann sicher sein, jeden Monat ein festes Gehalt von 2.300 Mark brutto zu bekommen. Wenn sie von der Leiter fällt, springt die Unfallversicherung ein. Und für die Rente führt ihr Arbeitgeber ebenfalls Beiträge ab. Die Firma „Hauswirtschaftsbrükke“ in Friedrichshain bietet ihren ausschließlich weiblichen Angestellten luxuriöse Bedingungen in einer Branche, die durch 10-Mark-Löhne und Schwarzarbeit geprägt ist.

Die Hauswirtschaftsbrücke, eine teilweise staatlich finanzierte Dienstleistungsagentur, gibt „Haushalts-Agentinnen“ wie Marlies Konrad stabile Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit. Wenn Konrad die Einzimmerwohnung der alten Frau Lux putzt und für sie den Einkauf erledigt, zahlt die Kundin pro Stunde 21 Mark an die Agentur. Im Kombination mit den staatlichen Zuschüssen kommt so eine Entlohnung zusammen, die kein Leben in Wohlstand ermöglicht, aber für den selbstständigen Unterhalt ausreicht.

Knapp 100 derartiger Agenturen sind in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik entstanden. Einige von ihnen, wie zum Beispiel auch die Hauswirtschaftsbrücke, leben zusätzlich aus Töpfen der Europäischen Union, die im Rahmen eines Sonderprogramms neue Jobs im Dienstleistungssektor fördert. Ziel ist es, mehr Stellen in den haushaltsnahen Diensten entstehen zu lassen. Gleichzeitig sollen die Arbeitsbedingungen in diesem Niedriglohnsektor verbessert werden, indem die sonst freiberuflichen Hilfskräfte bei einem soliden Arbeitgeber unter Vertrag stehen.

Gerald Karg, Geschäftsführer der Hauswirtschaftsbrücke, kennt die wohlmeinenden Absichten und ist trotzdem nur „vorsichtig optimistisch“. Sein Betrieb hätte kürzlich beinahe das Zeitliche gesegnet. Planmäßig hatte der Berliner Senat seine Zuschüsse im Rahmen des Modellprojekts „Berlin-Service“ um 800.000 Mark gekürzt, die Agentur soll nach einer Zeit der Anschubfinanzierung auf eigenen Füßen stehen. Das funktionierte aber nicht: Die Einnahmen sind zu niedrig. Nach einem Gespräch beim Arbeitsamt steht nun eine neue Förderung über zwei Jahre in Aussicht.

Diese Situation kennen auch viele andere Betriebe. Die meisten sind abhängig von öffentlichen Zuschüssen, die nach einigen Jahren auslaufen und die Unternehmen dann vor die Existenzfrage stellen. Kaum begonnen, steckt das Modell der Dienstleistungs-Agenturen, ein Hoffnungsträger fortschrittlicher Ökonomen, schon in einer permanenten Krise.

Ehrenwert ist das Vorhaben, in einem Hochtechnologieland wie Deutschland nicht nur Computerchips und andere Glanzleistungen der Ingenieure zu fördern, sondern auch die an den Bedürfnissen der normalen Menschen orientierten Dienste zu stärken. Allein: In seiner gegenwärtigen Form kollidiert der Plan mit der Realität.

„Können Sie ohne öffentliche Gelder überleben?“ – Diese Frage muß auch Angelika Quäck, eine Geschäftsführerin der Berliner Q & L Haushaltsservice GmbH, mit einem eindeutigen Nein beantworten. Fielen die Zuschüsse des Senats weg, müßte sie den KundInnen für die Kinderbetreuung und die Arbeit der Haushälterinnen viel mehr berechnen als heute: vermutlich 40 oder 50 Mark. Das bringen unter anderem die Verwaltungskosten der Agentur und die soziale Absicherung der Beschäftigten mit sich. Eine stolze Summe für eine Stunde Babysitting oder Putzdienst. „Diesen Preis zu bezahlen, ist kaum jemand bereit“, weiß Quäck denn auch. Czarina Wilpert, Sozialwissenschaftlerin an der Technischen Universität, schreibt wissenschaftlich, bei den KundInnen existierten „monetäre Entscheidungsschranken“.

Selbst die 36jährige Angelika Schöttler, EDV-Spezialistin, Doppelverdienerin und Kundin bei Q & L, bestätigt: „50 Mark sind zuviel“. Familie Schöttler ist bereit, knapp 1.000 Mark pro Monat für die zuverlässige Betreuung ihrer Kinder und die Putzarbeiten im Einfamilienhaus in Wannsee auszugeben, doch ein paar mehr als 20 Stunden im Monat sollten schon dabei herausspringen.

Die bittere Wahrheit ist: Im Vergleich zur Nachfrage sind die Preise für sozialversicherte Haushaltstätigkeiten einfach zu hoch. Unabhängig von hohen Beiträgen zur Sozialversicherung leiden diese Dienstleistungen unter der oft zitierten „Kostenkrankheit“.

Warum ist das so? Putzen, Waschen, Betreuung: all das sind Tätigkeiten, die viele Frauen, weniger Männer selbst erledigen, selbst beherrschen und als Teil ihrer normalen Lebenstätigkeiten begreifen. So etwas gibt man nicht gern ab. Niemand will für eine Stunde Spülen 20, 30 oder mehr Mark bezahlen. Und auf dem Schwarzmarkt kann man dieselbe Arbeitsstunde teilweise für 10 Mark oder weniger einkaufen. „Der Weg in die Dienstleistungsgesellschaft ist ein langer Marsch“, weiß Mechthild Rawert, die bei der Firma „Zukunft im Zentrum“ die drei Berliner Dienstleistungsagenturen mit ihren rund 60 Beschäftigten betreut.

Haushaltsnahe Dienstleistungen leiden zudem darunter, daß die Agenturen die statistisch bereits erfaßte Nachfrage nicht befriedigen können. Eine Studie für das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium stellte 1997 fest, daß 50 Prozent der befragten Haushalte gern mobile Reparaturdienste in Anspruch nehmen würden und 46 Prozent Information und Beratung aller Art bedürfen. Derartige Tätigkeiten finden sich jedoch selten in der Angebotspalette der neuen Dienstleister.

Einen dritten Weg zwischen dem Niedriglohnsektor und der staatlichen Finanzierung der Dienstleistungsagenturen scheint es zur Zeit nicht zu geben. In Osnabrück kooperiert zwar einer der größten herkömmlichen Dienstleistungskonzerne, die Piepenbrock-Gruppe, mit einer kommunalen Gesellschaft, doch derartige Beispiele lassen sich an einer Hand abzählen. Die meisten PolitikerInnen tun sich schwer damit, aus ihrer Ablehnung der Schwarzarbeit und des Niedriglohnsektors auch die Konsequenzen zu ziehen. Die Förderung der Agenturen ist zwar die politische Absicht von SPD und Grünen auf Bundesebene, doch zu einer konkreten Initiative hat es bislang nicht gereicht. Auch in Berlin hält man sich zurück. SPD und CDU arbeiten an einem gemeinsamen Antrag zur Förderung der Agenturen, machen aber keine Vorschläge für die staatliche Finanzierung.

So bleibt Gerald Karg, Geschäftsführer der Hauswirtschaftsbrücke, einstweilen nur das Prinzip Hoffnung: „Die Politiker sollen sich etwas einfallen lassen.“ Sonst muß Karg mit seinen 14 Beschäftigten in zwei Jahren den nächsten Antrag ans Arbeitsamt schreiben.