Geldsegen für Schulen: Viel Geld für viele Löcher

Am 1. Februar startet das Berliner Bonus-Programm für Brennpunktschulen. Die können das Geld gut brauchen – weil sie Löcher stopfen müssen, die Sparmaßnahmen aufgerissen haben.

Hoffentlich was drin in der Schultüte: In Berlin gilt jedes dritte Schulkind als arm. Bild: DAPD

Es ist ein Lieblingskind von SPD-Politikern: das „Bonus-Programm“ für sogenannte Brennpunktschulen, das am 1. Februar startet. „Wir investieren in die Zukunft der Kinder“, sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh bei der Vorstellung im Frühjahr. Auch sein Parteikollege Heinz Buschkowsky, Neuköllner Bürgermeister, in dessen Bezirk 44 von 80 öffentlichen Schulen von dem Geldregen profitieren, ist angetan: „Schulen, die sich in schwerem Wasser befinden, brauchen eine bessere Ausstattung“, sagte er kürzlich bei einer Info-Veranstaltung für Neuköllner Schulen.

Das Extrageld bekommen Schulen, wo über 50 Prozent der Kinder aufgrund des niedrigen Einkommens der Eltern von der Zuzahlung zu den Kosten von Lernmitteln wie Schulbücher befreit sind (Lmb). Das betrifft 216 von 645 Schulen in Berlin und ein Drittel der 290.000 SchülerInnen. Hat eine Schule mehr als 50 Prozent "Lmb-Kinder", bekommt sie 50.000 Euro jährlich, Schulen mit mehr als 75 Prozent Lmb-Kindern erhalten 100.000 Euro. Mit dem Geld können die Schulen etwa Sozialarbeiter einstellen, ihr Nachmittagsangebot ausweiten oder Lehrkräfte fortbilden. Im Doppelhaushalt 2014/15 sind je 15 Millionen Euro für das Programm eingestellt, das zeitlich nicht begrenzt ist. (sug)

Die Idee des Bonus-Programms ist so schlicht wie einleuchtend: Angesichts der Tatsache, dass hierzulande der Bildungserfolg weiterhin abhängig ist von der sozialen Herkunft, soll jede Schule mit einem hohen Anteil an armen Kindern Geld für zusätzliche Angebote bekommen. 15 Millionen Euro stellt Rot-Schwarz dafür pro Jahr zur Verfügung. Ziel ist, die Quote der Schulabbrecher und -schwänzer zu verringern und möglichst hohe Abschlüsse zu erreichen.

Was genau die Schulen mit dem Geld – zwischen 50.000 und 100.000 Euro jährlich – machen wollen, ist ihnen zunächst freigestellt. Es solle sie in die Lage versetzen, „eigenverantwortlich neue Wege zu gehen“, schrieb Schulsenatorin Sandra Scheres im Programm-Konzept. Auch Buschkowsky betonte gegenüber den Schulvertretern: „Es ist Ihre Sache, wie Sie das Geld in pädagogischen Erfolg ummünzen.“

Viele Schulleiter freuen sich über den Geldsegen. Roland Hägler etwa, Rektor der Hermann-von-Helmholtz-Sekundarschule in der Gropiusstadt, will einen Teil des Geldes für einen zusätzlichen Sozialarbeiter ausgeben, der sich „besonders um die 7. Klassen und um schuldistanzierte Schülerinnen und Schüler kümmert, Nachhilfe organisiert, wo sie nötig ist, und auch die Elternkontakte herstellt und pflegt“. Auch Wolfgang Lüdtke, Rektor der Neuköllner Kepler-Oberschule, weiß bereits genau, was er mit dem Geld anfangen wird: die Sozialarbeit ausweiten, ebenso das Sportprogramm und den Ganztagsbetrieb. Mit einem derart verbesserten Angebot hofft er ebenfalls, die „Schuldistanz“, wie das Schwänzen offiziell heißt, zu verringern: „Es soll eine Art Corporate Identity entstehen, damit die Schüler gerne kommen.“

Obwohl das Bonus-Programm, wie der Name sagt, zusätzlich sein soll, wird das Geld aber auch da eingesetzt werden, wo sonst eine Lücke entstünde, weil Mittel auslaufen oder gestrichen werden. Lüdtke etwa will einen Teil seiner Fördergelder in das Programm „Teach First“ investieren, das ihm für zwei Jahre einen engagierten Hochschulabsolventen als Zusatzkraft bescherte – wegen finanzierungstechnischer Bedenken der Personalräte aber eingestellt wurde.

Lernwerkstatt gerettet

Auch an der Hans-Fallada-Grundschule in Neukölln will man mit dem Geld ein Loch stopfen. Rektor Carsten Paeprer erzählt, man habe in den letzten Jahren aus Mitteln der EU eine Lernwerkstatt aufgebaut. Da die Förderung aber im Februar ausgelaufen sei, brauche man „dringend personelle Unterstützung in der Lernwerkstatt, um dem Kollegium eine Anlaufstelle für das forschende und entdeckende Lernen zu bieten“. Diese könnte man nun dank Bonus weiter beschäftigen.

Eine zusätzliche Hilfe, die merkliche Verbesserungen bringt, wird das Bonus-Programm auch in Kreuzberg nicht überall sein: Dort hat der Bezirk vier Grundschulen das Geld für die Schulstationen gekürzt. Die grüne Bürgermeisterin Monika Herrmann rechtfertigt das mit der Finanznot des Bezirks. Sie benötige das Geld für Schulen, die nicht in den Genuss der Bonus-Mittel kommen, aber auch Probleme haben. „Man müsste die Verteilung der Bonus-Gelder für die Zukunft neu diskutieren“, fordert sie.

Den zum Jahresende scheidenden Schulstadtrat von Mitte, Ulrich Davids (SPD), stört etwas anderes. „Es ärgert mich grundsätzlich, dass wir uns immer von Programm zu Programm hangeln. Solche Programme laufen immer irgendwann aus.“ Und dann stünden die Schulen wieder dumm da.

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