Internet-Spähprogramm in Russland: „Verschlüsseln ist eine gute Idee“

Vor den Winterspielen in Sotschi plant Russland, die Online-Überwachung zu verschärfen. Ausländische Journalisten sollten mit Daten vorsichtig umgehen.

Freies Netz? Allein im letzten Jahr wurden in Russland 15.000 Seiten neu gesperrt Bild: ap

BERLIN taz | Wenn in drei Wochen Tausende Athleten, Trainer und Journalisten in der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi mit dem Rest der Welt kommunizieren, wird der Inlandsgeheimdienst FSB genau mitlesen: Denn wer im flächendeckenden Funknetz rund um den Austragungsort surft, wird angezapft. Sorm heißt das Spähprogramm, das ähnlich wie Prism in den USA oder Tempora in Großbritannien die Überwachung des kompletten Telefon- und Datenverkehrs ermöglicht.

Der Inlandsgeheimdienst hat es selbst entworfen, und es kann sich mit den von Edward Snowden aufgedeckten Schnüffelprogrammen durchaus messen. Wer welches Schlagwort wie oft eingibt, oder wer mit wem telefoniert – all das protokolliert Sorm. Die Metadaten dürfen drei Jahre lang gespeichert werden. Ein Gesetz zur Zensur im Internet ist seit August letzten Jahres in Kraft. Und das russische Parlament, die Duma debattiert gerade über eine Verschärfung.

Der Internetaktivist und Blogger Alexej Sidorenko empfiehlt ausländischen Journalisten deshalb, möglichst vorsichtig mit einheimischen Kontaktpersonen umzugehen: „Journalisten sollten sich genau überlegen, wen sie anrufen oder wen sie treffen. Man weiß nicht, ob solche Informationen irgendwann gegen jemanden verwendet werden“, sagte Sidorenko am Mittwoch auf einer Veranstaltung von Reporter ohne Grenzen in Berlin. Er rät dazu, E-Mails mit VPN oder PGP-Technik zu verschlüsseln: „Auch wenn man dadurch auf sich aufmerksam macht, Verschlüsseln ist eine gute Idee.

Der Unterschied zwischen Sorm und den westlichen Programmen Prism oder Tempora ist, dass die Provider in Russland nicht merken, ob der Geheimdienst überhaupt mitschneidet und auswertet. Denn der FSB hat dank Sorm einen direkten Zugriff auf sämtliche Telefonate, E-Mails oder Live-Chats. Nun sollen auch ausländische Unternehmen wie Facebook und Twitter gezwungen werden, ihre Serverfarmen in Russland zu betreiben. Dann müssten auch sie wie heimische Telekommunikations-Anbieter Schnittstellen für das Schnüffelprogramm Sorm liefern.

Geheimdienst ist für Sicherheit zuständig

Es ist bezeichnet, dass ausgerechnet der Anti-Terror-Experte des FSB Oleg Syromolotow für die Sicherheit in Sotschi verantwortlich ist. Dessen Handschrift ist bereits jetzt zu lesen: 37.000 Polizei- und Sicherheitskräfte, unzählige Kameras, aber auch Kriegsschiffe und Drohnen sollen rund um die Uhr im Einsatz sein. Dass Russlands Angst vor Terroranschlägen nicht nur im Nordkaukasus berechtigt ist, zeigt das Selbstmord-Attentat vom vergangenen Dezember in Wolgograd.

Seit November 2012 schreibt das Innenministerium den Netzbetreibern vor, welche Webseiten sie blockieren müssen. Allein im vergangenen Jahr wurden 15.000 Seiten neu gesperrt – angeblich um die Gesellschaft vor Kinderpornographie und Suizid zu schützen.

Für die Sperrungen bedarf es auch keiner richterlichen Anordnung mehr. Zuvor entschieden noch Regionalgerichte darüber, ob Inhalte blockiert wurden oder nicht. Auch die Presse wird so zusehends drangsaliert, wie Reporter Ohne Grenzen mitteilt. So wurden etwa die das Nachrichtenportal www.gazeta.ru und der Webauftritte der Tageszeitung Komsomolskaya Pravda im letzten Juni in zwei zentralrussischen Provinzen blockiert.

Blogger Sidorenko kritisiert jedoch auch die Gleichgültigkeit seiner Landsleute: „In Russland ist Edward Snowden ein Held. Dennoch stört es wenige, dass der russische Geheimdienst auf dem besten Weg ist, wie die NSA zu werden.“

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