Buch der Königinnen

Es sind die Oberflächen, an denen man hängenbleibt und scheitert: Elke Naters erzählt in ihrem Debütroman von der nicht immer erträglichen Alltäglichkeit des Seins  ■ Von Gerrit Bartels

Manchmal sind es einfach nur Alltäglichkeiten, über die sich am besten reden und schreiben läßt. Lippenstifte, Schuhe, unbequeme ICE-Sessel. Oder Haarschnitte. Mit denen haben sie es fast am meisten, die beiden 30jährigen Protagonistinnen in Elke Naters Debütroman „Königinnen“. Für Gloria sind sie Ausdruck von Veränderung und Selbstbewußtsein, mit einem neuen Kurzhaarschnitt und einer Gucci-Sonnenbrille könnte auch sie die bewunderswert toughe und blonde BMW-Fahrerin in die Tasche stecken. Marie hingegen stellt in einem Friseursalon fest, was Individualität taugt, wenn es dem Haareschneider völlig gleich ist, ob da eine Marie, Gloria oder Melitta in seinem Stuhl sitzt. Am Ende sehen sie alle wie Heike Makatsch aus.

Und Elke Naters, die Erfinderin von Marie und Gloria? Trägt die dunklen Haare relativ kurz und weiß, daß es „damit auch Probleme gibt. Wenn die Haare nachwachsen, verliert der hübsche kurze Haarschnitt schnell seine Form“.

In unauffällig eleganter Kleidung, die vielleicht teuer war, vielleicht aber auch „mit Geschmack und Geduld billig erstanden worden ist“, so sitzt einem die 35jährige Schriftstellerin im Schöneberger Café „Berio“ gegenüber und erzählt erst mal flunkernd, daß es ihr bei „Königinnen“ vor allem darum ging, „einen Erfolgsroman zu schreiben“. Ein Buch, das allein von seiner Entstehung her „nicht die Idee einer Handlung in sich trägt. Sondern wie beschreibe ich eine bestimmte Sicht auf die Welt und den täglichen Alltag, der damit verbunden ist? Aus diesen Kleinigkeiten setzt sich dann die Welt zusammen.“ Mit prosaischen Skizzen begann sie vor zwei Jahren ihre hinsichtlich Ausstellungen und Verkäufen eher unambitionierte und folgenlose künstlerische und fotografische Tätigkeit „mit anderen Mitteln fortzusetzen“.

Nachdem sie für ihre kleineren Stücke auch einen Rahmen gefunden hatte, bot Naters das fertige Buch einer Agentur an, die wiederum gleich vier Verlage für „Königinnen“ interessieren konnte. Sie entschied sich für Kiepenheuer&Witsch, „weil die am meisten geboten haben, ich die aber auch am meisten favorisiert habe“. Mittlerweile ist die Startauflage von 3.000 verkauft, von der zweiten Auflage steht nur noch die Hälfte in den Läden, und Naters ist schon fertig auch mit ihrem zweiten Buch.

Natürlich war bei all diesem Erfolg auch Ablehnendes über „Königinnen“ zu lesen. Von „verschrifteter Soap“, „Lifestyle-Literatur für den Mainstream“ oder „Sybille Berg, nur schlechter“ ging da manche Rede. Selbst wenn Naters so tut, als tangiere sie das nicht, und sie nur Wert auf positive Stimmen aus ihrem persönlichen Umfeld legt: Es wurmt schon ein wenig. Da fingert sie dann nervös mit beiden Händen in ihrer Mütze und meint: „Es sind doch schließlich die Oberflächen, an denen man letztendlich immer hängenbleibt, an denen man auch scheitert. Es geht um die Sehnsucht dieser beiden Frauen. Diese ist bestimmt von einem Glück, das dann gar nicht so expliziert formuliert werden kann.“

Und so läßt sie Gloria, die ein ganz biederes Familienleben führt und ein zweites Kind erwartet, einmal sagen: „Das ist ein viel anstrengenders Leben, das ich führe, nämlich ein glückliches, als ein unglückliches.“ Und die alleinstehende Marie, die vielleicht endlich den richtigen gefunden hat: „Dem Glück habe ich noch nie getraut. Besonders nicht, wenn es an den Männern hängt.“

Man kann „Königinnen“ langweilig und banal finden, man kann es in der „Was lesen Frauen am liebsten“-Hitliste von „Bild der Frau“ am besten aufgehoben sehen („Auf Platz 9 bin ich da, finde ich einfach nur cool“). Doch man kann das Große auch da entdecken, wo es eben ganz klein und alltäglich ist, man kann den Ton von Naters Buch mögen. Und man kann erfreut feststellen, daß in einem Buch, das Berlin als Schauplatz hat, von Berlin nur am Rande die Rede ist. Natürlich wird da genervt U-Bahn gefahren, angewidert im Prinzenbad geschwommen oder schnubbelnderweise im „Kumpelnest“ gefeiert. Doch „Königinnen“ soll ein Buch „über moderne Großstadtfrauen sein, das könnte in jeder x-beliebigen Großstadt spielen“. Was Buch und die seit zwölf Jahren in Berlin lebende Autorin trotzdem andeuten: Eine recht unverbrüchliche Beziehung zum alten West-Berlin. Den Drang sich nach 1989 in Mitte oder Prenzlauer Berg festzusetzen, hatte Elke Naters nie: „Ich hatte dort zwar ein Atelier, aber irgendwie war das nicht meine Welt.“

Und so geht sie, wenn sie ausgeht, noch immer am liebsten ins „Kumpelnest“, „ein ruhiges Dreißiger-Ausgehen ist das, mit noch immer denselben Leuten vor und hinter der Theke“. Von „einem beruhigenden Gefühl“ spricht sie da, zeigt dann noch ihre Turnschuhe, „Nike-Kopien aus Thailand, zwanzig Mark“, lacht, und entschwindet im ach so profanen Weihnachtsmarkttreiben am Winterfeldtplatz.

Lesung von Elke Naters ab 20 Uhr im Georg Büchner Buchladen, Wörtherstr. 16, Prenzlauer Berg