Gerichtsurteil zu Anti-G-8-Protesten: Kein Vermummungsverbot für Clowns

Perücke, Plastiknase und Zorrobrille sind kein Grund zur Festnahme: Ein Gericht spricht einen Anti-G8-Clown vom Vorwurf der Vermummung frei.

Kein Witz: Das Amtsgericht Rostock zeigt der Polizei eine rote Nase. Bild: dpa

BERLIN taz Peter Hosse ahnte nicht, dass ihm seine Clownsperücke mal so gefährlich werden würde. Zusammen mit fünf Kollegen stieg der IG Metaller am Morgen des 4. Juni 2007 am Bahnhof Rostock aus dem Zug, sie wollten mit bunten Aktionen gegen den G-8-Gipfel protestieren. Beamte der Polizei-Sondereinheit Kavala hielten sie an, durchsuchten sie und andere Ankömmlinge. Hosse wurde festgenommen, weil die Polizisten drei verdächtige Gegenstände in seinem Rucksack fanden: die Clownsperücke, eine rote Plastiknase und eine Zorrobrille.

Er werde sie auf Demonstrationen zur Vermummung nutzen, lautete die offizielle Begründung, mit der ihn die Polizei damals über sieben Stunden festhielt. Das Amtsgericht Rostock hat den 26-jährigen Thüringer jetzt von diesem Vorwurf freigesprochen. "Das Gericht war der Auffassung, dass die Gegenstände nicht für eine Vermummung im Sinne des Versammlungsgesetzes taugen", sagte eine Sprecherin des Gerichts am Dienstag.

Allerdings griff der Richter bei seinem Freispruch laut der Prozessbeobachtungsgruppe Rostock, die Verfahren um die G-8-Protesten beiwohnt und analysiert, auf ein seltsames Argument zurück: Der Betroffene habe offensichtlich nicht die Absicht gehabt, alle drei Clowns-Utensilien auf einmal einzusetzen. "Der Richter führte aus: Für sich alleine genutzt, würden die drei Dinge keinesfalls eine Vermummung darstellen", sagte Beobachter Dieter Rahmann. Eine Erklärung für diese rein formale Begründung lautet, dass sich das Gericht um eine grundsätzliche Bewertung von Clownskostümen in der Vermummungsfrage drücken wollte. Der Richter selbst war am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, die schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus.

Hosses Verteidiger hätte sich klare Worte gewünscht: "Die Sachen dienten eindeutig nicht dem Zwecke der Vermummung, sondern sie waren für eine fantasievolle, künstlerische Aktionsform nötig", sagte Rechtsanwalt Ols Weidemann. Wenn Clownsverkleidung als Vermummung klassifiziert würde, beschneide dies das Recht auf freie Kunstausübung. Peter Hosse wollte damals sein Kostüm mit anderen Clowns für eine symbolische Umverteilungsaktion vor einer Lidl-Filiale nutzen - so, wie es der Gewerkschafter auch schon bei anderen Kundgebungen getan hatte. Auch wenn das Gericht offenbar ein Grundsatzurteil vermeiden wollte, hofft die Prozessbeobachtungsgruppe, dass der Spruch eine Schutzwirkung auf erfinderische Aktionen entfaltet. "Dies war - soweit uns bekannt - das erste Urteil in Verfahren gegen Clowns bei Demonstrationen", sagte Rahmann. "Für die Polizei wird es in Zukunft schwieriger, mit der pauschalen Begründung des Vermummungsverbotes gegen Clownsaktionen einzuschreiten."

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