Steife Brise gegen Windkraft

„Aachener Modell“ der kostendeckenden Windstrom-Vergütung soll in Aachen nicht mehr gelten. Ausgerechnete ein rot-grüner Stadtrat verwässerte das Modell  ■ Von Michael Franken

Köln (taz) – Ausgerechnet in Aachen soll die kostendeckende Vergütung (kV) für Windstrom nicht gezahlt werden. „Was hier passiert, ist ein Skandal“, schimpft Norbert Hürkamp, Mitglied des Vereins Wind. Zunächst zeichneten sich vielversprechende Entwicklungen ab.

Im Juni 1994 hatte das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium einen Erlaß für die Einführung einer kostendeckenden Vergütung zur Förderung regenerativer Energien verabschiedet. Danach sollten private Betreiber von Solarzellen und Windrädern für den Strom, den sie ins öffentliche Netz einspeisen, einen Betrag pro Kilowattstunde (kWh) erhalten, der es ermöglicht, daß sich ihre Investitionen innerhalb von zwanzig Jahren auch rechnen.

Beim Solarstrom pendelte sich die Vergütung bei rund 1,80 Mark für jede produzierte Kilowattstunde ein, beim Windstrom lag der Betrag um die 30 Pfennig. Im Gegenzug erlaubte das nordrhein- westfälische Wirtschaftsministerium den Energieversorgern an Rhein und Ruhr, an der Tarifschraube zu drehen. Mit einer Preiserhöhung von einem Prozent sollten die Kosten auf alle Verbraucher verteilt werden.

„Als Aachener Modell hat dieser Ökostrom-Tarif schon Geschichte gemacht. Rund zwanzig Kommunen und Stadtwerke bieten bundesweit die kostendeckende Vergütung an, nur in Aachen treten die Energieversorger und der Stadtrat jetzt auf die Bremse“, ärgert sich Windkraft- Fan Hürkamp. Das „Aachener Modell“ gelte zwar in vielen anderen Städten bei der Windstromvergütung, nur nicht in Aachen. Faktisch wird der Ausbau der Windenergie blockiert, und bis heute gebe es keine Anlage, die auf der Basis der kostendeckenden Vergütung Strom produziert, schimpft Hürkamp.

Zum Vergleich: Die Stadtwerke in Remscheid und in Gütersloh zahlen 15 Jahre lang zwischen 25 und 28 Pfennig je Kilowattstunde für Windstrom. „Wir orientieren uns am Aachener Modell“, sagt der Remscheider Stadtwerkdirektor Wolfgang Roth.

Nicht so die Stadt Aachen: Obwohl ein Gutachten der Fachhochschule Jülich vorliegt, wonach im Raum Aachen eine kostendeckende Windstrom-Produktion ohne Investitonszuschüsse nur mit 23,44 Pfennig pro Kilowattstunde möglich ist, werden diese Vorgaben von der Mehrheit des rot-grünen Stadtrats ignoriert. Eigenmächtig und ohne jede Begründung wurden in der Berechnung für eine kostendeckende Vergütung des Windstroms die Zinssätze für Eigen- und Fremdkapital um jeweils ein Prozent und der Betriebskostenansatz von 4 auf 3,5 Prozent per Ratsbeschluß mit dem Segen der Ratsmitglieder der Fraktion der Bündnisgrünen abgesenkt.

Das hat für private Windradbetreiber zur Folge, daß sie jährlich 45.000 Mark unter der Kostendeckung bleiben. Merkwürdig ist, daß es für diese Abweichung der Zinssätze von den Vorgaben der Strompreisaufsicht in Düsseldorf keine offizielle Erklärung gibt. „Da wird einfach etwas durchgepeitscht, und über die Konsequenzen denkt scheinbar niemand nach“, kritisiert Hürkamp.

Monika Kuck, umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Aachener Stadtrat, beurteilt die Entwicklung allerdings ganz anders. „Unsere Fraktion will mehr Ökostrom. Nicht wir blockieren den Ausbau der Windenergie, der Widerstand kommt aus der Verwaltung.“

Fest steht: Für private Betreiber ist der Zug in puncto Windenergie in Aachen so gut wie abgefahren. Eine kostendeckende Vergütung ist nach den aktuellen Vorgaben des Stadtrats nicht mehr drin. Und die Aachener Strommanager setzen auf Zeit: Stadtwerke-Chef Dieter Attig will erst dann richtig klotzen, wenn die Preise für die modernen 1,5-Megawatt-Anlagen fallen. „Bis dahin konzentrieren wir uns auf den Photovoltaik-Ausbau“, so Attig.

Wolf von Fabeck, der Geschäftsführer des Solarenergie-Fördervereins und quasi Pate des Aachener Modells, ist nicht gut auf die Kommunalpolitiker zu sprechen. Seine Bilanz: „Ich bin verärgert über die Grünen, weil die mit ihren Stimmen dafür gesorgt haben, daß in Aachen der Ausbau der Windenergie blockiert wird.“ Von Fabeck fürchtet sogar, daß es auch bei Solarzellen schon bald zu einer Aushöhlung der kostendeckenden Vergütung kommen könnte.

Dabei wäre alles so einfach, wenn die Energieversorger und der Stadtrat in Aachen bei ihren ursprünglichen Leisten blieben. Eine Strompreiserhöhung von einem Prozent, das ist der Preis, den alle Verbraucher für mehr umweltfreundlichen Strom in der Kaiserstadt zu bezahlen hätten, würde gerade mal 7,50 Mark im Jahr ausmachen.