Scientologen füllen die Suchmaschinen

■ Ron Hubbards Sekte verschickt Anleitungen zum Bau von Homepages. Aber Surfen ist nur mit Filterprogramm erlaubt

Natürlich dürfen auch Ron Hubbards Jünger ins World Wide Web. Sie sollen das sogar, denn sie haben eine Mission. Jeder Scientologe, der sich im Internet präsentieren will, bekommt das „Scientology Web Kit“ auf CD-ROM. Ein paar Formulare müssen ausgefüllt, unterschrieben und eingeschickt werden, und schon ist eine weitere Homepage eines Sektenmitglieds fertig. Einen Designerpreis muß sie nicht gewinnen, es genügt völlig, daß sie überhaupt im Netz steht. Denn das Ziel dieser Aktion ist es, die Datenbanken der Suchmaschinen mit Tausenden von Standard-Seiten zu fluten, so daß jeder, der mit AltaVista, HotBot oder anderen Programmen nach dem Stichwort „Scientology“ sucht, als erstes die linientreuen Mitgliederseiten findet. Dieses Spam-Projekt, von dem das gesamte Internet betroffen ist, ist am 13. März vorgestellt worden. Einige Scientology-Gegner nahmen die Rede, die zu diesem Anlaß gehalten wurde, mit einem Kassettenrecorder auf und setzten sie ins Internet (www.xmission.com/mirele/spam.html).

So ganz scheinen die Sektenoberen ihren Schäfchen aber doch nicht zu trauen. Selbst überzeugte Jünger könnten im Web Dinge finden, die ihren Glauben erschüttern. Deswegen müssen sie vor dem Einsatz des Web Kits einen Lizenzvertrag unterschreiben, der unter anderem zur Verwendung einer speziell angepaßten Filtersoftware für Websites verpflichtet. Dadurch solle sichergestellt werden, wie es in dem Text heißt, daß „Sie andere Seiten über Dianetik und Scientologie besuchen können, ohne Gefahr zu laufen, auf Seiten zu stoßen, auf welchen die Symbole oder die Werke in einer nicht autorisierten Weise benutzt werden oder welche als unanständig oder entehrend für die Scientology-Religion erachtet werden“. Weitere Anleitungen zur Gestaltung des Onlinewerkes sind unter on-line.scientology.org/welcome .htm abzuholen – zugänglich ist diese Adresse jedoch nur mit einem Paßwort.

Was nun dürfen Scientologen nicht lesen? Eine lose Gruppe von Scientology-Gegnern, die sich in der Usenet-Gruppe alt.religion .scientology trifft, hat die Filter entschlüsselt und veröffentlicht (www.taniwha.com/crack.list .html). Die Sekte verwendet, wenig kreativ, das Datenformat des Programms „CyberSitter“, des Marktführers unter den Netzfiltern zur Selbstzensur.

Kaum verwunderlich, daß sich in der schwarzen Liste vor allem Webseiten von Aussteigern und erklärten Gegnern der Sekte finden. Auch die Usenet-Gruppen über Scientology sind gesperrt, eine Diskussion ist nicht erwünscht. Auffällig viele deutsche Webseiten werden zensiert: WDR und ZDF, der Stern, die Berliner Morgenpost, der Online-Chat „Metropolis“, der Verfassungsschutz und die Grünen in Bayern, um nur einige zu nenen. Sie alle sind offenbar Inkarnationen Xenus', des nach Scientology-Glauben personifizierten Bösen aus dem Weltall. Parallelen zum kirchlichen „Index librorum prohibitorum“ von 1564, der bis 1966 galt und Schriften von Voltaire, Descartes, Sartre, Kant und Heine zensierte, sind unverkennbar.

Der Berliner Tilman Hausherr, der unter www.snafu.de/tilman ein umfangreiches Informationsangebot über Scientology zur Verfügung stellt und selbst auf dem Index steht, meint dazu: „Die Sache zeigt, wie sehr Scientology Angst davor hat, daß die Scientologen Kontakt mit der realen Welt bekommen.“ Wie sich die Sekte das Internet wohl gerne wünschte, ist unter on-line.scientology.org/ zu besichtigen. Dort finden sich Links auf die Homepages der Mitglieder von Scientology. Die Struktur aller Seiten ist gleich: „Über mich“, „Mein Erfolg mit Scientology“, „Mein Lieblingszitat von Ron Hubbard“ (erlesene Weisheiten wie: „Versuchen Sie, anderen nicht etwas anzutun, was sie nicht selbst erfahren möchten“), „Gruppen, die ich unterstütze“ (immer die gleichen) und „Lieblingslinks“ (immer die gleichen). Nach spätestens zwei Klicks landet der Besucher unweigerlich beim „kostenlosen Informationspaket“. Erstaunlich ist bei alledem dann doch der Slogan, der um neue Mitglieder wirbt: „Selbst denken!“ Roland Beck

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