Imagewandel bei Sportartikelfirma: Lonsdale lockt die Linken

Den Ruf als Naziklamotten-Hersteller will Lonsdale endlich loswerden. Dafür unterstützt die Firma antifaschistische Fußballvereine in Deutschland.

Skin auf Dresdner NPD-Demo. Bei den Buchstaben in der Mitte des Schriftzugs muss nach dem „A“ nur ein „P“ ergänzt werden Bild: imago/momentphoto/killig

LEIPZIG taz | Es ist Frühling in Leipzig, und der Sportpark Dölitz im Viertel Connewitz erlebt an diesem Sonntag eine Premiere: Die Fußballspieler des örtlichen Amateurklubs Roter Stern stellen im Heimspiel gegen den SC Eintracht Schkeuditz ihre neue Kollektion vor. Doch nicht irgendwer steigt da mitten in der Saison als Trikot-Sponsor ein: Auf den neuen Jerseys des Stadtligisten prangt für die nächsten zwei Jahre das Logo der Londoner Kleidungshersteller Lonsdale.

Eine Verbindung, die man getrost als aufsehenerregend bezeichnen kann. Schließlich ist Roter Stern Leipzig in einem dezidiert linken Umfeld beheimatet – und Lonsdale ist eine Marke, die einst vor allem unter Rechtsradikalen und Neonazis beliebt war. Ein Image, gegen das die Firma allerdings schon seit Ende der neunziger Jahre vorzugehen versucht. Die Zusammenarbeit mit Roter Stern Leipzig und die seit Februar bestehende Kooperation mit dem Potsdamer Regionalligisten SV Babelsberg 03 sind weitere Mosaikstückchen in der Kampagne von Lonsdale, den Ruf der Marke wieder herzustellen.

Bereits im letzten Herbst, erinnert sich Karsten Müller, Mittelfeldspieler von Roter Stern Leipzig, wurde der Plan, mit Lonsdale zu kooperieren, im wöchentlichen Plenum vorgestellt. Die Mannschaft war beeindruckt von ihrem neuen Partner. „Gut, dass sie sich so deutlich positionieren“, sagt Müller. Roter Stern Leipzig, entstanden im Umfeld des selbstverwalteten Kulturzentrums Conne Island, fühlt sich schon seit der Gründung vor 15 Jahren einem Grundkonsens verpflichtet: keine Diskriminierung. „Wir finden nicht, dass Politik aus dem Fußball gehalten werden soll“, so Karsten Müller.

Ein Ansatz, der bei Lonsdale offensichtlich auf Interesse stieß. 2013 kamen einige Mitglieder der Deutschland-Vertretung zu einem Ortsbesuch nach Leipzig und sahen sich ein Heimspiel an. „Sie fanden es wohl ganz possierlich, was bei uns los ist“, sagt Roter Stern- Sprecher Jens Frohburg. „Im Vertrag steht: ’Die gemeinsame Grundlage ist das gesellschaftliche Engagement.' So was findet man sonst eher nicht in Sponsorenverträgen“, freut sich Frohburg. „Fast möchte ich sagen: Da kommt zusammen, was zusammengehört. Wenn ein Sponsor zu uns passt, dann dieser.“

So deckungsgleich die Inhalte, so außergewöhnlich ist die Form dieser Partnerschaft, die sich nicht auf Trikotwerbung beschränken wird. Beim nächsten Heimspiel Mitte März wird den Zuschauern ein roter, von Lonsdale finanzierter Kleinbus vorgestellt, der gleich drei Funktionen erfüllen soll: Transport von Spielern, Sprechanlage bei Heimspielen und Lautsprecherwagen bei Demonstrationen. Auf Letzteres einigten sich beide Parteien ausdrücklich. „Wenn der Bus auch abseits des Platzes dazu beitragen kann, eine Stimme gegen Rassismus zu erheben: umso besser“, so Ralf Elfering, Deutschland-Sprecher von Lonsdale.

Marke der britischen Skinheadkultur

Mit dieser Stimme hat man im Hause Lonsdale einige Erfahrung: das Londoner Label, das vor allem Boxsportartikel herstellte, war nicht nur Ausrüster von Muhammad Ali oder Lennox Lewis, sondern auch von Beginn an eine beliebte Marke der britischen Skinheadkultur. Als diese später von der extremen Rechten unterwandert wurde, übernahmen faschistische Skinheads die Labels der ersten Generation. Lonsdale war auch deshalb bei Neonazis so beliebt, weil der Schriftzug vier Fünftel des Kürzels NSDAP enthielt – und auf einem T-Shirt unter einer halb geöffneten Jacke getragen leicht falsch interpretiert werden konnte.

Dieser Missbrauch war dem Unternehmen schon immer ein Dorn im Auge, seit Jahren distanziert es sich mit Kampagnen konsequent von der ungewollten Kundschaft. So sponserte man 2005 den Kölner Christopher Street Day, und seit 2011 wird die Box-Abteilung des FC Sankt Pauli unterstützt. Diese Positionierung brachte Lonsdale ins Visier eines weiteren linken Fußballklubs: der SV Babelsberg 03 wurde bei dem Label vorstellig und rannte offene Türen ein.

Ende Februar verkündete man den Beginn einer zunächst einjährigen Zusammenarbeit. „Für einen Fußball ohne Rassismus. Immer und überall“ steht nun auf einer neuen Bande im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion. Zudem will man sich gemeinsamen Merchandising-Projekten widmen und auch Mantua 62, den kubanischen Partnerklub der Babelsberger, unterstützen.

„Der Ball ist bunt“

Kern der Zusammenarbeit ist auch hier eine ideologische Schnittmenge. „In Babelsberg ist Antirassismus gelebter Alltag“, so 03-Pressesprecher Thoralf Höntze. „Rassistische Beleidigungen, rechte Parolen oder homophobe Beschimpfungen finden hier nicht statt.“ Jährlich richtet der Verein ein Stadionfest namens „Der Ball ist bunt“ aus, die Anhängerschaft ist mit der alternativen Subkultur der Region eng verbunden. Naheliegend, dass beide von dieser Verbindung profitieren wollen: „Mit Lonsdale haben wir eine Marke mit großer Reichweite gefunden und hoffen, diese Botschaft gemeinschaftlich breiter kommunizieren zu können. Lonsdale wiederum profitiert von unserem Image“, so Thoralf Höntze.

Die Anhänger in Potsdam heißen den neuen Partner willkommen, bestätigt Höntze. „Es gab aber auch Zweifler, Menschen, die in der neunziger Jahren mit Trägern der Marke Schwierigkeiten hatten“, räumt der Babelsberger Pressesprecher ein – und spielt damit auf die Vereinnahmung Lonsdales durch rechte Skinheads an. „Umstritten“ allerdings, wie das Label in der regionalen Presse in den letzten Tagen bisweilen genannt wurde, ist Lonsdale in linksalternativen Fan-Kreisen nicht mehr.

Wird die traditionsreiche Marke also in Zukunft im progressiven Fußballmilieu Wurzeln schlagen? „Wir unternehmen gerade unsere ersten Schritte. Die fühlen sich gut an, und das passt zusammen“, bilanziert Lonsdale-Sprecher Elfering. „Eine Ideologie der Ausgrenzung und Gewalt darf keine Akzeptanz haben. Wenn wir drei, also der Rote Stern, Babelsberg und Lonsdale, das zusammen deutlich formulieren können, ist das nur gut.“

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