Separatismus im Fußball: Elf Franken sollt ihr sein

Der Traum von einer Franken-Nationalmannschaft lebt. Bayerns Fußballverband ist dagegen. Trotzdem ist ein Spiel gegen ein tamilisches Team geplant.

Lokalpatrioten: Die Franken-Flagge wird vor dem Bayerischen Landtag in München präsentiert Bild: dpa

SCHLEERIETH taz | Ein Fußballfeld mitten in der Einöde zwischen Würzburg und Schweinfurt an einem Freitagabend im Januar. Der Rasen ist so, wie er in dieser Jahreszeit eben ist: matschig, zerfurcht, nicht bespielbar. Helmuth Weisensel posiert mit dem Ball. Mal hält er ihn vor der Brust, mal steht er mit dem rechten Fuß auf der Kugel. Ein paar Mal den Auslöser gedrückt, fertig ist das Foto für diese Geschichte. Vielleicht hat der 51-Jährige gedacht, dass es mit der fränkischen Nationalmannschaft auch so einfach sei.

Seit knapp einem Jahr arbeitet er an dieser Idee. Seit er im Internet auf eine Fußballszene außerhalb des Weltverbands Fifa gestoßen ist. In zwei Verbänden, dem NF-Board und der erst im Januar gegründeten Confederation of Independent Football Association (ConIFA), sind Teams wie die Tamilen, Berg-Karabach oder Darfur United vertreten. Menschen, die eine kulturelle Identität teilen, aber nicht staatlich organisiert sind. Für Weisensel ist klar: Eine fränkische Nationalmannschaft muss her. Mit ihm als Trainer.

Er holt sich den fränkischen Bund mit ins Boot, eine separatistisch angehauchte Organisation. Mit Präsidiumsmitglied Jochen Pfeuffer gründet er den Fränkischen Fußball-Bund (FFB) als Gesellschaft bürgerlichen Rechts und tritt im Spätherbst 2013 mit der Idee, ein Freundschaftsspiel für den guten Zweck auszurichten, an den Bayerischen Fußball-Verband (BFV) heran. Gegner sollen am 16. Februar die Tamilen sein, die sich in Deutschland auf die WM der der nicht in der Fifa organisierten Verbände in Östersund vorbereiten. Doch dann ruht der Ball.

Das liegt zum einen daran, dass die Volksgruppe aus Südindien und Nord-Sri-Lanka ihr Trainingslager auf Mai verschoben hat. Zum anderen stößt der Plan auf wenig Gegenliebe beim BFV. Die Idee, so heißt es in einer offiziellen Mitteilung aus München, habe durchaus Charme. „Jedoch haben wir (…) den Antrag zur Bildung einer Fränkischen Nationalmannschaft unter der Trägerschaft des Fränkischen Fußball-Bundes abgelehnt“, so der Wortlaut des Schreibens.

Nur unter Bayerischer Führung

Das hat zwei Gründe: Der Gegner müsse aufgrund von DFB-Bestimmungen Mitglied der Uefa oder der Fifa sein. Und: „Der BFV ist als Landesverband des DFB in Bayern für die Bildung von Auswahlmannschaften zuständig.“ Was so viel heißt wie: eine fränkische Landesauswahl gerne, aber nur unter Federführung des BFV. Jürgen Igelspacher, Geschäftsführer des Verbands, erklärt: „Franken ist kein eigener Staat oder eigenes Bundesland.“

Ein solches zu gründen ist das utopische Ziel des Fränkischen Bundes. „In Deutschland und Europa gibt es keine Stelle für die Region Franken“, sagt Jochen Pfeuffer. Er argumentiert so: Vier Millionen Franken haben niemanden in Berlin und Brüssel, dafür aber sehr wohl die 1,7 Millionen Hamburger, die knappe Million Saarländer und die halbe Million Bremer. Und die bayerische Vertretung sei schon de-facto keine, die im fränkischen Interesse handele, schließlich gibt es auch Franken außerhalb Bayerns. In Südthüringen oder im Nordosten Baden-Württembergs die Hohenloher Franken.

Zwar sind sich Ober-, Unter- und Mittelfranken untereinander nicht immer grün, geht es aber darum, den fränkischen Rechen gemeinsam gegen München hochzuhalten, werden schnell Allianzen gebildet. Die sportliche Rivalität ist dabei nur eines von vielen Ventilen: Im Basketball heißen die Gegner Bamberg und FC Bayern, im Fußball ist der Rekordmeister so etwas wie der Gegenentwurf zum provinziell anmutenden 1. FC Nürnberg. Selbst in der Politik ist die kollektive Empörung in Franken über die altbayerische Allianz, die den Mittelfranken Günther Beckstein als Ministerpräsidenten 2008 schrittweise demontierte, riesig. Zeugnisse tiefsitzenden Argwohns.

Das rollende „R“

Wollte man sich einen Vorzeigefranken schnitzen, kaum einer würde als Vorlage so gut taugen wie Helmuth Weisensels. Selbst die härtesten Konsonanten formt sein Mund weich. Das „R“ rollt er mit einer Intensität, wie es nur dieser Menschenschlag aus dem Gebiet zwischen Fichtelgebirge, Rhön, Altmühltal und Spessart tut. Das Gefühl kulturell-historischer Zusammengehörigkeit treibt ihn an: „Unsere Ziele sind die Stärkung der fränkischen Identität, der sportliche Anreiz für Amateurkicker und der gute Zweck. Die Einnahmen aus Spielen könnten zum Teil an die Kindertafel gehen, der Rest bleibt zur Kostendeckung.“

Hehre Ziele, die auf Eis liegen. Das Nein des BFV heißt, dass der FFB keine Aktiven in den Kader berufen kann. „Wir haben dann den Fokus auf Altherrenfußballer aus Franken gelegt“, erklärt Weisensel. Martin Schneider, der 379 Bundesligaspiele für den 1. FC Nürnberg, Borussia Mönchengladbach und den MSV Duisburg auf dem Buckel hat, lässt sich schnell begeistern. Und der 45-jährige gebürtige Schweinfurter ist nicht der Einzige. Schnell sind acht Kicker gefunden, die Ober-, Unter- und Mittelfranken vertreten wollen.

Doch wieder macht eine Mitteilung aus München Weisensel und seinen Kompagnons einen Strich durch die Rechnung. Allerdings erreicht sie nicht den designierten Nationaltrainer, sondern einen seiner Spieler, nämlich Exprofi Dieter Wirsching. Der ist zwar längst nicht mehr aktiv, aber lenkt von der Bank aus die Geschicke beim Viertligisten Würzburger Kickers. „Es hieß“, so Weisensel, „er könne Probleme mit seiner Lizenz kriegen, sollte er für uns auflaufen.“

Was aus Sicht der Franken wie Erpressung anmutet, ist für BFV-Boss Igelspacher selbstverständlich: „Wir haben keinen Druck ausgeübt, sondern unser Verbandsmitglied fairerweise darauf hingewiesen, dass es Konsequenzen haben kann, wenn er als Trainer mit BFV-Lizenz an einem Spiel teilnimmt, das von uns nicht genehmigt ist. Damit verstößt er gegen Statuten.“

Die Goldenen Zwanziger

Einst galt Franken als die Hochburg des deutschen Fußballs. In den 1920ern dominieren der 1. FC Nürnberg und die SpVgg Fürth, der Vorgänger des heutigen Zweitligisten Greuther Fürth, den Fußball der Weimarer Republik. Der „Club“ wird in den Goldenen Zwanzigern fünfmal Deutscher Meister, der ungeliebte Fürther Nachbar zweimal.

Am 21. April 1924 rekrutiert sich die deutsche Nationalmannschaft bei ihrem Gastspiel in den Niederlanden gar ausschließlich aus Spielern dieser beiden Vereine. Während Hin- und Rückfahrt sind die Fußballer in unterschiedlichen Zugwaggons untergebracht, die Rivalität grenzt an Hass. Trotzdem schreiben die elf Franken an diesem Tag Geschichte: Der 1:0-Erfolg durch den Treffer des Fürthers Karl Auer ist der erste Sieg Deutschlands über die Elftal.

Das historische Ereignis ist so weit weg wie eine Einigung zwischen FFB und BFV. „Ein Spiel, zum Beispiel gegen einen fränkischen Profiklub, mit einer BFV-Frankenauswahl wäre denkbar“, sagt Igelspacher. „Herr Weisensel wäre zwar dann nicht Nationaltrainer, aber als Begründer der Idee stünde er trotzdem im Rampenlicht.“ Das wiederum widerstrebt dem Ideengeber. Denn der sieht sich als Initiator der Auswahl, zumal er eine Trainerlizenz hat.

Knapp drei Monate Zeit hat er noch, um sich mit dem BFV zusammenzuraufen. Ende Mai kommen die Tamilen. Dann soll das Feld bestellt sein für das erste Spiel einer fränkischen Fußball-Nationalmannschaft.

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