Lisa Herzogs Plädoyer für die Freiheit: Es lebe der Liberalismus

Trotz FDP und Politikversagen: Lisa Herzogs entwirft in ihrem Buch „Freiheit nicht nur den Reichen“ ein „Plädoyer für einen zeitgemäßen Liberalismus“.

Abgesang auf Neoliberale: ehemalige FDP-Spitzenpolitiker als Karnevalsfiguren. Bild: dpa

Der Begriff des Liberalismus ist wie kaum ein anderer mit dem der Freiheit verbunden, vor allem dem der individuellen Freiheit in Abgrenzung von staatlicher oder kollektiver Allmacht. Neben Konservatismus und Sozialismus gehört der Liberalismus seit der Aufklärung zu den drei wesentlichen politisch-demokratischen Denkströmungen der westlichen Welt. Er erwies sich allerdings in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch als Einfallstor für rechte Ideologien.

Die Parteienkonstellation unter Europas Liberalen hat sich teils erheblich verändert. So machte Jörg Haider aus der Freiheitlichen Partei in Österreich ab den 1980er Jahren eine rechtspopulistische Sammlungsbewegung, die unter Liberalismus auch unter dem aktuellen Führer Heinz-Christian Strache vor allem die einseitige Begünstigung der eigenen Klientel versteht. „Liberal“ ist hier zum Synonym für Vetternwirtschaft, autoritäres Staatsverständnis und rassistische Lebensvorstellungen geworden.

Der deutschen FDP kann man vor allem zugutehalten, dass sie bislang den Versuchungen eines solchen nationalistischen Populismus widerstanden hat. Mehr aber auch nicht. Für ihre neoliberalen Wirtschaftsvorstellungen konnten die deutschen Liberalen zuletzt kaum mehr Zustimmung und Wähler finden. Zu offensichtlich verband sich hier ihr Begriff von Liberalismus mit einseitig elitären und für die große Allgemeinheit ungerechten und riskanten Wirtschaftspraktiken.

Zu offenkundig war zudem das politische Versagen der Neoliberalen, wenn es um die Steuerung der jüngsten Finanz- und Schuldenkrisen ging. Diese brachen wie Naturkatastrophen über die Gesellschaften herein. Auch den liberalsten Wirtschaftspolitikern blieb nichts anderes übrig, als durch massive staatliche Eingriffe das Wirtschaftssystem zu stützen und sich unter staatliche Rettungsschirme zu flüchten.

Objektive Kriterien

Es ist nicht leicht, in solcher Zeit ein „Plädoyer für einen zeitgemäßen Liberalismus“ zu verfassen, wie dies Lisa Herzog tut. Der Haupttitel ihres Buches lautet „Freiheit gehört nicht nur den Reichen“ und versucht damit erst gar nicht, den zeitgemäßen Problemen auszuweichen.

Offenbar sieht die 1983 geborene wissenschaftliche Mitarbeiterin des Frankfurter Instituts für Sozialforschung gar keine andere Chance, als die Sache frontal anzugehen. Zu sehr ist der Liberalismusbegriff durch Marktradikale und Neoliberalismus beschädigt.

Lisa Herzog: Freiheit gehört nicht nur den Reichen. C.H. Beck, 2014, 207 S., 14,95 Euro.

Herzog geht also zurück in die Werte- und Ideengeschichte, aus der sich die Annahmen des historischen Liberalismus speisten. Liberale Theoretiker wie John Stuart Mill formulierten wesentliche Grundsätze unseres rechtstaatlichen Denkens, der Gewaltenteilung, wie des Abwägens der Rechte des Einzelnen im Verhältnis zur Allgemeinheit.

Herzog erörtert auch die grundlegenden wirtschaftsliberalen Vorstellungen, von Adam Smith bis John Locke, mit denen sich Begriffe wie „Privateigentum“ und „Vertragsfreiheit“ verbinden, auf denen die Konzepte von bürgerlicher Nationalökonomie und freier Marktwirtschaft gründen.

Deutlich wird aber auch, dass es kaum möglich ist, „objektive“ Kriterien dafür zu formulieren, wie sich Liberalität und Gerechtigkeit am besten verbinden. Und so klingt bei Herzog manches doch recht schlicht („Um also in einer Marktgesellschaft ein freies Leben zu führen, reicht der ’freie Markt‘ nicht aus“), auch wenn sie in vielem recht hat („Die Freiheit der Bürger darf aber nicht abhängig von der Konjunktur werden“).

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.