Kommentar EU-USA-Gipfel: Fatales Freund-Feind-Denken

Obama und die EU-Chefs sehen nur Gefahr, die von Russland ausgeht. Die Probleme in der Ukraine ignorieren sie geflissentlich.

Männer, die aus Flugzeugen steigen, hier mal wieder Barack Obama. Bild: ap

Die Ukraine belohnen, Russland bestrafen: So lautet die Doppelstrategie des Westens seit Beginn der Krimkrise. Beim EU-USA-Gipfel heute in Brüssel dürfte sie die Tagesordnung beherrschen. Die EU-Kommission hat schon mehrere Kommissare nach Kiew geschickt, um die versprochenen Milliardenhilfen auf den Weg zu bringen. Doch nun kommen Zweifel an der ukrainischen Regierung auf. Massive Zweifel.

Genährt werden sie nicht nur durch den Rücktritt des Verteidigungsministers und den gewaltsamen Tod eines Nationalistenführers, der den berüchtigten „rechten Sektor“ auf dem Maidan kommandiert hatte. Beide Vorfälle werfen ein Schlaglicht auf die Interims-Regierung, die offenbar weder die rechten Schläger noch die eigene Armee im Griff hat.

Doch auch die Oppositionsführer in Kiew benehmen sich nicht gerade so, wie man es von EU-gesponserten Demokraten erwartet. Da gibt die von Kanzlerin Merkel geadelte Ex-Regierungschefin Timoschenko zu, dass sie „diesem Drecksack“ (Putin) „in die Stirn schießen“ möchte ­ genau das hatte sie in einem offenbar vom russischen Geheimdienst aufgezeichneten Gespräch gesagt (und nicht dementiert). Und Präsidentschaftskandidat Klitschko - der Held der EU-Konservativen - erklärt gleich die ganze Regierung für unfähig.

Offenbar war es ein Fehler, die Hilfen für die Ukraine ohne Vorbedingungen freizugeben. Aber noch lässt sich das ausbügeln. Die EU sollte die versprochenen Milliarden erst nach den Wahlen im Mai auszahlen. Zur Bedingung sollte sie machen, dass an der neuen Regierung keine Rechtsextremen beteiligt werden. Gerade wenn man Russland für sein Fehlverhalten bestrafen will, muss man selbst vorbildlich sein.

Leider besteht wenig Hoffnung, dass Obama und die EU-Chefs dies heute in Brüssel beherzigen. Sie sehen nur die russische Gefahr; die Gefahren in der Ukraine sehen sie nicht. Dabei würde ein abgestuftes, an klare Bedingungen gebundenes Vorgehen viel besser zur EU und ihrer wertegebundenen Aussenpolitik passen als ein Blankoscheck. Die Ukraine darf kein zweites Ungarn werden oder gar ein zweites Bulgarien. Erst wenn das Freund-Feind-Denken aufhört, kann die Ukraine genesen.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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