Rechtslage zu Drohneneinsätzen: Nicht per se völkerrechtswidrig

Generalbundesanwalt Range prüft, ob Deutschland Schaltzentrale im US-Drohnenkrieg ist. Am Stützpunkt Ramstein sollen alle Fäden zusammenlaufen.

Drehkreuz für den Einsatz der Killerdrohnen: US-Airbase Ramstein in Rheinland-Pfalz. Bild: imago/Schepp

FREIBURG taz | Die Bundesanwaltschaft prüft Medienberichte über Deutschlands Rolle im Drohnenkrieg der USA. Vorige Woche hatten NDR und Süddeutsche Zeitung berichtet, dass US-Soldaten im Militärstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz bei tödlichen Drohnenangriffen eine entscheidende Rolle spielen. Generalbundesanwalt Harald Range wertet die Berichte nun „im Hinblick auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat nach dem Völkerstrafgesetzbuch aus“, erklärte seine Sprecherin gegenüber der taz.

Nach Darstellung von NDR und SZ laufen die Datenverbindungen zwischen unbemannten US-Drohnen im jeweiligen Einsatzgebiet und den Befehlsgebern in den USA stets über Ramstein.

„Im Luftwaffenstützpunkt Ramstein laufen wirklich alle Informationen zusammen, wie durch einen Trichter“, sagte der ehemalige US-Drohnenpilot Brandon Bryant im NDR-Magazin „Panorama“. Von der Drohne gelieferte Bilder würden in Ramstein in einer Einheit namens DGS (Distributed Ground System) ausgewertet. Dort soll sichergestellt werden, dass die von der Drohne aus abgefeuerte Rakete die richtige Person tötet.

Ähnliches hatten die beiden Medien bereits im Vorjahr berichtet. Damals ging es aber nur um die Beteiligung an Drohnenangriffen in Afrika, insbesondere in Somalia. In die Auswahl der Ziele sei auch die US-Kommandozentrale für Afrika (Africom) in Stuttgart einbezogen, hieß es damals. Neu ist, dass die Einheit aus Ramstein in die Steuerung der ungleich zahlreicheren US-Drohnenangriffe in Pakistan einbezogen ist. Deutschland sei die „Schaltzentrale“ im US-Drohnenkrieg, betont „Panorama“.

Verhältnismäßigkeit ist legal

Was in der Berichterstattung allerdings etwas unterging: Drohnenangriffe sind nicht per se völkerrechtswidrig und verboten. Drohnen dürfen – wie Panzer und Jagdflugzeuge – zum Töten von Menschen grundsätzlich eingesetzt werden, wenn dies erstens in einem bewaffneten Konflikt passiert und sich zweitens gegen Kämpfer (Kombattanten) richtet und der Angriff drittens nicht unverhältnismäßig viele zivile Opfer fordert.

Nicht zulässig ist der Einsatz nach europäischer Ansicht aber gegen bloße Terroristen. Die US-Ideologie vom „Krieg gegen den Terror“ wird in Europa nicht geteilt. Die Hinrichtung von Terroristen ohne Gerichtsverfahren per Drohnenbeschuss wäre nach deutschem Recht als Kriegsverbrechen oder Mord zu bewerten.

Es kommt also auf die Umstände des konkreten Falls an. Gründlich geprüft hat die Bundesanwaltschaft (BAW) den tödlichen Drohnenangriff auf den deutschen Staatsbürger Bünyamin E., der im Oktober 2010 mit vier anderen Islamisten in Pakistan getötet wurde. Nach den BAW-Ermittlungen hat sich E. in Pakistan als Mitglied organisierter bewaffneter Gruppen aufgehalten und sich dort an Kämpfen beteiligt. Die Tötung von E. sei deshalb nicht strafbar gewesen, stellte die BAW im Juli 2013 fest.

Ähnlich argumentierte sie im Fall von Samir H. aus Aachen. Der 29-Jährige war im März 2012 durch Raketenbeschuss von einer Drohne aus getötet worden. Der Tod des Offenbachers Patrick Klaus N. im Februar 2012 wird noch untersucht. Beide starben ebenfalls in Pakistan.

Es ist davon auszugehen, dass die neuen Berichte kein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts auslösen, da sie keine Hinweise auf die Tötung geschützter Personen enthalten, an denen die US-Soldaten von Ramstein beteiligt sein sollen.

Andere Probleme stellen sich mit Blick auf Drohneneinsätze in Somalia. Nach den Medienberichten von 2013 hat die BAW einen Beobachtungsvorgang angelegt. Nach Angaben der BAW-Sprecherin ergaben sich dabei aber keine „tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittlungszuständigkeit der Bundesjustiz begründet sein könnte“. Das soll wohl heißen, dass die BAW annimmt, in Somalia bestehe gar kein bewaffneter Konflikt. Denn nur dann wäre die Bundesanwaltschaft zuständig.

Nach deutscher Rechtslage Mord

Das klingt nur auf den ersten Blick abwiegelnd. Tatsächlich wäre das aber erheblicher Sprengstoff für das deutsch-amerikanische Verhältnis, weshalb sich die BAW wohl auch so undeutlich ausdrückt. Denn wenn die USA in Somalia außerhalb eines bewaffneten Konflikts Drohnen einsetzen, dann wäre das eindeutig völkerrechtswidrig und nach deutscher Rechtslage jeweils als Mord strafbar.

Für Morde außerhalb von bewaffneten Konflikten wäre zwar nicht die BAW zuständig, aber die lokalen Staatsanwaltschaften in Zweibrücken (für Ramstein) und Stuttgart (für das Africom).

Strafrechtlich dürfte den Soldaten wenig passieren. Deutsche Ermittler haben keine Handhabe zur Strafverfolgung von US-Soldaten wegen dienstlicher Handlungen in Deutschland. Dafür sind nach dem Nato-Truppenstatut die US-Dienststellen zuständig, diese dürften wohl nach ihrem Verständnis vom „War on Terror“ keine Straftaten sehen.

Brisanter ist die Lage für die Bundesregierung. Denn diese wird es nicht dulden können, dass von deutschem Boden aus extralegale Hinrichtungen in anderen Teilen der Welt unterstützt werden. Bisher zieht sie sich auf US-Zusicherungen zurück, dass „von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland Einsätze bewaffneter ferngesteuerter Luftfahrzeuge weder geflogen noch befehligt werden“.

Beihilfe zum Mord

Das mag zwar sein, aber die Beiträge zur Steuerung der Drohnen und zur Auswahl der Ziele können in nicht gerechtfertigten Fällen durchaus als Mittäterschaft bei einem Mord oder zumindest als Beihilfe dazu bewertet werden.

Um Derartiges künftig zu verhindern, müsste die Bundesregierung nicht unbedingt den Aufenthaltsvertrag für die US-Truppen kündigen. Eine Zusatzvereinbarung würde genügen, wonach sich die in Deutschland stationierten US-Truppen nur an Drohnenangriffen beteiligen, die nach der in Europa maßgeblichen Auslegung des Völkerrechts legal sind. Allerdings ist die Bundesregierung wohl zu schwach, der US-Regierung solch ein Zugeständnis abzuringen.

Die Bundesregierung müsste nun aber zumindest die Lieferung von Handydaten von ausgereisten deutschen Islamisten an die US-Regierung einstellen. Denn wie Ex-Drohnenpilot Brandon Bryant darlegte, können diese für die zielgenaue Ortung von Verdächtigen benutzt werden. Bisher hatte die Bundesregierung dies bestritten.

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