Massenhaft und stimmgewaltig

Mit einem Masseneintritt wollen Studierende in einigen Städten die FDP übernehmen. In Berlin sind 850 Beitrittserklärungen unterzeichnet. Die Partei ist gewappnet  ■ Von Severin Weiland

Guido Westerwelle, Generalsekretär der Bundes-FDP, blickt in diesen Tagen aufmerksam nach Berlin. Ein studentisches „Projekt Absolute Mehrheit“ ruft zum Masseneintritt in den Berliner Landesverband auf. „Ich sehe dem ganz gelassen entgegen“, sagte Westerwelle zur taz. „Klamaukeintritte wird es nicht geben. Wer ernsthaft die Ziele der FDP unterstützt, wie sie im Grundsatzprogramm stehen, der ist herzlich willkommen.“ Und überhaupt: Die „leistungsbereiten Studenten“ seien die „natürlichen Verbündeten der FDP“.

Soviel Zuspruch tut gut. 850 unterschriebene Formulare wollen die Studenten schon zusammen haben. Ihr Ziel: 3.000 Studenten allein in Berlin bis Ende Januar. Kommt die Zahl nicht zusammen, müsse man „überlegen, ob wir trotzdem in die FDP hineingehen“, sagt der Informatikstudent Enrico Rudolph, einer der Organisatoren. In zwölf Städten haben sich nach Angaben der Studenten weitere Unterstützergruppen gebildet, doch nirgendwo ist der Zulauf so groß wie in Berlin.

Der hiesigen FDP dämmert erst langsam, daß es sich nicht um einen Karnevalsscherz handelt. Manchen Orts- und Bezirksvorsitzenden habe er schon darauf vorbereitet, „daß da wirklich etwas auf sie zukommt“, sagt der Landesvorsitzende Martin Matz. 2.700 Mitglieder zählt die FDP. Rund 1.000 Studierende in der Partei — und die Mehrheitsverhältnisse könnten gekippt werden. Matz, der in dieser Woche auf dem Landesparteitag wiedergewählt werden will, überzeugte sich in der Technischen Universität (TU) persönlich von den potentiellen neuen Parteifreunden. Die Studenten reagierten überrascht — und Matz ebenso. „Das waren wirklich ernsthafte, junge Leute.“ Matz versprach, ihr Anliegen ernst zu nehmen: „Es wird keine miesen, satzungsmäßigen Tricks geben.“ Ein „wenig mehr Leben in der Bude“ könne der Berliner FDP nicht schaden.

Mißtrauen schlägt den Studenten auch aus dem eigenen Milieu entgegen. Der Allgemeine Studentenausschuß der TU verwies sie des Raumes, am Wochenende kursierte gar eine gefälschte Presseerklärung, in der es hieß, das Projekt unterstütze FDP-Chef Matz in seinem Kampf gegen die Nationalliberalen um den Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl.

Den Studenten ist noch nicht klar, daß sie sich auf eine Ochsentour eingelassen haben. So einfach ist ein Beitritt zur FDP nicht. Zunächst wird der Ortsvorstand den Bewerber auf seine liberale Gesinnung hin prüfen, doch der Landesvorstand kann gegen die Aufnahme sein Veto einlegen. Von den 400 Neueintritten in den vergangenen Jahren, erinnert sich Matz, habe es nur zwei Ablehnungen gegeben. Es handelte sich um einen Ex-Neonazi und um einen rechtskonservativen Professor der FU. „Bei den Studenten“, sagt der Berliner FDP-Pressesprecher Jan Burdinski, „kann man ja in der Regel davon ausgehen, daß sich nur wenige zum nationalliberalen Flügel zählen würden“. Und das, sei „sehr angenehm“.