Hitlers Kopf doch nicht aus Brekers Hand?

■ Die in Bremen beschlagnahmte Büste des Diktators stand zumindest nicht in der Reichskanzlei

Bremen (taz) – Nur Hans-Jürgen Rippe, Chef der Abteilung für Staatsschutz, hat den Schlüssel für den schweren Eisentresor im vierten Stock des Bremer Polizeipräsidiums. Eingehüllt in eine beigefarbene Wolldecke liegt hier seit knapp sechs Wochen die Hitler- Büste von Arno Breker, die vom Bremer Auktionshaus Bolland & Marotz versteigert werden sollte, ehe sie Ende November von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden war (taz 27.11.). Der Hitler-Kopf aus Bronze, den der „Lieblingsbildhauer des Führers“ laut eingeritzter Signatur am Hals im Jahr 1937 modelliert haben soll, hat die Wirren der Zeit gut überstanden. Nur ein tiefer Kratzer am rechten Nasenflügel verunstaltet das Antlitz des Diktators.

Seitdem er die Büste beschlagnahmt hat, muß sich Staatsanwalt Uwe Picard am Telefon Beleidigungen anhören, weil er es „gewagt“ habe, den „Kopf unseres Führers und Reichskanzlers“ zu beschlagnahmen. Das Amtsgericht hat die Beschlagnahmung inzwischen für Rechtens erklärt, weil die Büste aller Wahrscheinlichkeit nach Eigentum der Bundesrepublik Deutschland ist. Doch das will der Hamburger Antiquitätenhändler Andre Hüsken, der die Hitler-Büste bei Bolland & Marotz versteigern lassen wollte, nicht hinnehmen. Er will notfalls auf Herausgabe der Büste klagen. „Das hat nichts mit Verherrlichung des Naziregimes zu tun“, sagt Hüsken. Der „Skandal“ sei die Sicherstellung des Kopfes durch die Staatsanwaltschaft. „Im Dritten Reich hat man unbequeme Kunst auch beschlagnahmt“, empört er sich.

Nazidevotionalien seien nicht sein Metier, versichert Hüsken. Er habe den Kopf vor vier Jahren lediglich von seinem Onkel geerbt und wolle ihn jetzt verkaufen. In der Branche ist Hüsken allerdings kein Unbekannter. 1989 wurde er vom Landgericht Berlin zu zwei Jahren auf Bewährung und zu 50.000 Mark Geldstrafe verurteilt, weil er NS-Dokumente verkauft hatte, die ein Jahr zuvor unter Mithilfe eines Bediensteten aus dem Document-Center in Berlin gestohlen worden waren. Der Richter sprach damals von einer „schlimmen Erscheinungsform der kommerziellen Verwertung“. Hüsken schweigt einen Moment, als er auf das Urteil angesprochen wird. „Ich habe nicht gewußt, daß die Unterlagen gestohlen waren“, sagt er schließlich. „Außerdem ist das lange her. Graben Sie jetzt keine Leichen aus.“

Der Auktionskatalog von Bolland & Marotz gibt keinen Aufschluß über die Herkunft der Skulptur. „Bekannt sind zwei Exemplare, eines davon befand sich in der Berliner Reichskanzlei“, werben die Auktionatoren für das vermeintlich seltene Stück. Doch in dem Nachschlagewerk, auf das sich der Auktionskatalog beruft, ist keine Rede von zwei Exemplaren. Im „Allgemeinen Künstlerlexikon“ heißt es, italienische und französische Kriegsgefangene hätten Modelle Brekers in Stein und Bronze vergrößert und vervielfältigt, „darunter auch die 1941 entstandene Hitler-Büste“. Dieser Hinweis spricht eher dafür, daß es zwei Fassungen des Kopfes gibt, eine von 1937 und eine von 1941. Auch Staatsanwalt Picard geht mittlerweile nicht mehr davon aus, daß die beschlagnahmte Hitler- Büste in der Berliner Reichskanzlei gestanden hat. Ein Foto aus dem Jahr 1945, das ihm das Historische Museum Berlin zugeschickt hat, zeigt einen russischen Schriftsteller, der die Hitler-Büste unterm Arm aus der Reichskanzlei trägt. „Das Original ist vermutlich in Rußland vernichtet worden“, vermutet Picard. „Die Büste, die wir beschlagnahmt haben, ist viel zu groß und schwer, um sie unter dem Arm zu tragen.“ Ein weiteres Indiz für die Herkunft der Hitler- Büste findet sich nach Recherchen der taz in Dresden. Dort wurde 1936 das Luftgau-Kommando 4 eingeweiht. Im ersten Obergeschoß stand im großen Sitzungssaal eine Hitler-Büste von Arno Breker. Das beweist ein Foto aus dem Jahr 1939, das in einer Diplomarbeit über die Architektur des Stützpunktes abgebildet ist. Als die Landesregierung 1946 in das Gebäude einzog, war die Büste allerdings schon verschwunden, bestätigt Mario Förster, Pressesprecher der Bundeswehrverwaltung, die heute in dem Gebäude untergebracht ist. Für den Fall, daß die in Bremen aufgetauchte Büste tatsächlich identisch mit dem Dresdner Exemplar ist, winkt die Bundeswehr bereits vorsorglich ab. Sprecher Förster zur taz: Die Bundeswehr habe an der Herausgabe des Hitler-Kopfs „selbstverständlich kein Interesse“. Kerstin Schneider