Kampf gegen Denguefieber: Großeinsatz der Gen-Mücken

Ein britisches Unternehmen lässt in Brasilien einen riesigen Schwarm genmanipulierter Mücken frei. Sie sollen die Überträger des Denguefiebers auslöschen.

Draufhauen geht auch, wenn es nicht schon zu spät ist: Aedes aegypti bei der Arbeit Bild: reuters

BERLIN taz | Es klingt wie der Anfang eines Öko-Thrillers von Michael Crichton oder Frank Schätzing: Ein britisches Biotechunternehmen lässt in Brasilien einen riesigen Schwarm genmanipulierter Gelbfiebermücken (Aedes aegypti) frei. Angeblich alles Männchen, die nicht stechen. Liest man so etwa in einem Buch, weiß man genau, was als nächstes passiert: Eine Sprecherin des Unternehmens erklärt, dass damit ein schlimmes Problem gelöst werde, das die Menschheit bedrohe. Ein unabhängiger Wissenschaftler warnt davor, dass noch nicht ausreichend geforscht sei, um Risiken auszuschließen. Recht hat in der Regel - letzterer.

Tatsächlich hält sich die Wirklichkeit an das gleiche Muster. Zumindest für den Anfang, der Schluss ist noch offen. Die Moskitos sind ein Produkt der Firma Oxitec, die sich auf die „Kontrolle von Insekten“ spezialisiert hat, wie auf ihrer Webseite nachzulesen ist. Und sie sollen helfen, das in Brasilien und anderen Ländern Lateinamerikas grassierende Dengue-Fieber – möglichst noch vor der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer – besser in den Griff zu bekommen.

Der Virus, mit dem sich weltweit jährlich etwa 100 Millionen Menschen infizieren, führt zu starken Muskelschmerzen, Hautausschlägen und starken Lymphknotenschwellungen. Im Schnitt ist der Verlauf in einer halben Million Fällen schwer, es kann zu inneren Blutungen kommen, die Erkrankten fallen ins Koma oder sterben. Übertragen wird die Krankheit vor allem von Gelbfiebermücken.

Es gibt weder Impfstoffe noch helfen konventionelle Methoden wie Larvengift in Gewässern oder Wassertanks und nicht einmal Moskitonetze verlässlich. Denn die Gelbfiebermücken haben diverse Resistenzen entwickelt, sie leben und brüten vor allem in Städten und nutzen dort Pfützen oder Flaschen und Dosen mit Getränkeresten. Und Moskitos, die den Dengue-Virus tragen, stechen eher tagsüber als nachts.

Oxitec hat den Insekten nun ein tödliches Gen eingepflanzt, mit dem sie nur überleben können, wenn sie Tetrazyklin bekommen. Weil die Weibchen stechen, werden sie schon im Larvenstadium aussortiert, die Männchen dagegen sollen ausfliegen, sich mit wilden Weibchen paaren, deren Nachwuchs dann stirbt, weil ihm ja das Antibiotikum fehlt. „Die männlichen Moskitos wirken so wie ein lebendes Insektizid“, sagt Aldo Malavasi, der Vorsitzende von Moscamed, der brasilianischen Firma, die die Oxitec-Mücken derzeit in Jacobina testet. Nach Angaben von Oxitec soll die Gelbfiebermückenpopulation in ersten Feldversuchen um 90 Prozent geschrumpft sein.

Die brasilianische Regierung hatte der Freisetzung Anfang April zugestimmt. Nach massivem Lobbying ihrer britischen Kollegen, sagen Umwelt- und Menschenrechtsgruppen, die vor dem Experiment warnen. Sie fordern eine öffentliche Konsultation, die Offenlegung der Forschungsdaten und einen Monitoringplan für den freigelassenen Schwarm.

„Es gibt keine Daten, die zeigen, dass genveränderte Moskitos das Vorkommen von Dengue tatsächlich verringern“, sagt Helen Wallace von GeneWatch UK. Sie hält das ganze Projekt für einen "verzweifelten Versuch, britische Biotechnologie voranzubringen und die Kapitalgeber zu belohnen“. Zudem habe Oxitec versäumt, negative Effekte zu untersuchen. So sei unklar, was passiert, wenn überlebende weibliche Mutanten Menschen, Haus- oder Wildtiere stechen. Oder wie sich die genmanipulierten Mücken entwickeln, wenn sie nicht wie geplant sterben – schließlich brauchen sie nur mit industriell gehaltenem Geflügel in Verbindung zu kommen, das regelmäßig mit Tetracyclin behandelt wird. "Moskitos sind höchst mobil", sagt Wallace. „Wenn etwas schief geht, kann man sie nicht mehr einfangen“

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