Nach Polizei-Attacke auf Kirche am 1. Mai: „Das gab es nicht einmal in der DDR“

In Plauen stürmten Polizisten am 1. Mai eine Kirche, in der sich Nazigegner aufhielten. Die Aktion wird von Politikern vieler Parteien kritisiert.

Der Feind steht links – zumindest für ein paar übereifrige Polizeibeamte in Plauen. Bild: dpa

DRESDEN taz | In Sachsen hält die Kritik am skrupellosen Vorgehen der Polizei bei einer Demonstration gegen einen Nazi-Aufzug am 1. Mai an. Beamte waren an dem Tag in eine evangelische Kirche in Plauen eingedrungen und hatten 200 größtenteils friedliche Gegendemonstranten stundenlang eingekesselt.

Sachsens Landesbischof Joachim Bohl protestierte bei Innenminister Markus Ulbig (CDU). Das Vorgehen sei „eine Grenzüberschreitung, die unverhältnismäßig und völlig überzogen ist“, sagte Bohl. „Das gab es nicht einmal in der DDR“, empörte sich auch der selbst eingekesselte SPD-Landeschef Martin Dulig über das Vorgehen.

Laut dem Grünen-Landesvorsitzenden Volkmar Zschocke verliefen die Proteste von insgesamt etwa 2.000 Teilnehmern zunächst friedlich. Die Pauluskirche war nach Absprache mit Gemeinde und Polizei unter anderem für die Toilettenbenutzung geöffnet. Nachdem die Neonazis vorbeimarschiert seien, hätten Polizeibeamte plötzlich ohne Räumungsaufforderung den Vorraum der Kirche gestürmt. Andere Demonstranten seien bei der anschließenden Einkesselung brutal die Kirchentreppe hinabgestoßen worden.

Martin Strunden, Innenministeriumssprecher, verweist hingegen auf Fotos einer Barrikade aus einem umgestürzten Toilettenhäuschen und Baustellenabsperrungen, die offenbar von Linksautonomen errichtet wurde. Die Beamten hätten befürchtet, Blockierer wollten sich in der Kirche der Identitätsfeststellung entziehen. Deswegen sei die Polizei dort eingedrungen. Gegen 393 Personen wird nun wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz ermittelt.

Die Einsatzleitung hat sich inzwischen beim Gemeindepfarrer entschuldigt. Am Montag fand auch ein Gespräch zwischen Kirchenvertretern und der Polizeidirektion Zwickau statt. Innenminister Ulbig äußerte auf Nachfrage Verständnis für die „Irritationen“ der Kirche und begrüßte die Entschuldigung der Polizei. Er verwies aber auch auf gewalttätige Blockadeversuche, Anlass für das Vorgehen.

CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer warf den Grünen „Täter-Verharmlosung“ wegen der „schweren Verbrechen linker Chaoten“ vor. Die Grünen-Landtagsfraktion erwartet vom Innenminister eine öffentliche Erklärung und kündigte parlamentarische Anfragen an.

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