Braunschweig geht mit Jubel: Abschied der Guten

Trotz ihres Abstiegs in die Zweite Liga wurden die Fußballer von Eintracht Braunschweig am letzten Spieltag von den Fans gefeiert. In Liga zwei geht es mit weitgehend unverändertem Kader weiter.

Wandertruppe in einer fremden Welt: Braunschweigs Fußballer verabschieden sich aus Liga eins Bild: dpa

BRAUNSCHWEIG Als die Fans dann die Treue-Hymne „You’ll never walk alone“ sangen, kullerten Torsten Lieberknecht Tränen aus den Augen. Zehn Minuten war da erst besiegelt, was ganz Fußballdeutschland schon vor dieser Saison als unvermeidlich angesehen hatte: Eintracht Braunschweig muss zurück in die Zweite Liga.

Nun aber standen Trainer Lieberknecht und seine Spieler nach diesem bitteren 1:3 bei der TSG 1899 Hoffenheim vor 6.000 Braunschweiger Fans und wurden gefeiert, als hätten sie den Abstieg gerade vermieden. Ein kleines Mädchen lief auf den Platz und drückte dem Trainer eine Rose in den Vereinsfarben blau und gelb in die Hand. „Und diese Rosen waren nicht dornig“, meinte Lieberknecht hinterher.

Es war rührend, wie Braunschweig sich aus dieser Liga verabschiedete, auch wenn vielleicht ein bisschen zu viel Pathos mitschwang und alles spätestens mit dem Rosenkind ein bisschen an einen Volksmusikstadl aus dem Fernsehen erinnerte.

Eintracht Braunschweig übernahm in dieser Saison die Rolle des guten, lieben Absteigers, dem, so vermutete jedenfalls vor dem letzten Spieltag Torsten Lieberknecht, die meisten Fußballfans außerhalb von Nürnberg und Hamburg den Klassenerhalt gegönnt hätten.

Diese Vermutung mag zutreffen, aber betrachtet man die sportliche Leistung und nicht die geschickte Inszenierung des Klubs, dann ist Eintracht Braunschweig mit nur 25 Punkten und nur 29 erzielten Toren in Liga eins so chancenlos geblieben wie erwartet. Die Mannschaft zeigte sich nur dann konkurrenzfähig, wenn sie an der Obergrenze ihres Leistungsvermögens kratzte. Gelang dies nicht – wie in Hoffenheim –, wirkte diese Mannschaft wie eine staunende Wandergruppe, die sich in eine fremde Welt verirrt hat.

„Wir waren halt so doof aufzusteigen“, sagte Lieberknecht mit seinem typischen ironischen Unterton, „und haben gesehen, wie schön es dort ist, aber auch wie schwer.“

Als seine Mannschaft vor fünf Wochen das für die Fans im Norden so wichtige Derby gegen Hannover 96 gewann, schien die Rettung des in dieser Saison ewigen Tabellenletzten plötzlich greifbar. Aber danach gab es fünf Pleiten in jenen fünf Spielen, die auch die Konkurrenz aus Nürnberg und Hamburg verlor. Ein Sieg nur aus diesen fünf Partien – und die Eintracht spielte nun statt des HSV die Relegation gegen Greuther Fürth. Aber die Spieler haben sich von diesem „emotionalen Kraftakt“ (Lieberknecht) gegen Hannover nicht erholt.

Für die Eintracht war jedes Jahr ein Kraftakt, seit Lieberknecht die Mannschaft vor sechs Jahren im Abstiegskampf der Dritten Liga übernommen und den Abstieg in die Regionalliga gerade noch so verhindert hatte. Die Eintracht wurde vielleicht auch deshalb trotz des bitteren Abstiegs von ihren Fans gefeiert, weil „alle wissen, woher wir kommen“, wie Manager Marc Arnold sagt.

Ein verlorenes Jahr war es trotz der vielen sportlichen Tiefschläge nicht, der Verein konnte durch die Mehreinnahmen viel in die Infrastruktur der Geschäftsstelle, der Trainingsplätze und des Nachwuchsleistungszentrums investieren. Größenwahnsinnig wird nach diesem ersten Jahr erste Liga nach zuvor 28 oft bitteren Jahren in Liga zwei und drei niemand in Braunschweig.

Mit 25 Millionen Euro wird sich der Gesamtetat in der neuen Runde auf dem gleichen Niveau bewegen wie im Aufstiegsjahr. Der Kader bleibt weitgehend zusammen. Lediglich der Weggang von Torwart Davari steht fest (Ziel noch unbekannt), der ausgeliehene Bellarabi kehrt nach Leverkusen zurück, an Nielsen soll RB Leipzig Interesse haben, auch der bosnische WM-Spieler Bicakcic und Ellabdelaoui haben Angebote anderer Klubs. Die Zukunft des nach dem Abstieg ablösefreien Torjägers Kumbela ist ungewiss.

Nun wird es für Braunschweig in Liga zwei weitergehen mit dem Projekt, sich im Profifußball zu etablieren. Mit der Rückendeckung der Fans fallen die unmittelbare Trauer über den Abstieg und der Blick in die Zukunft leichter. Vom direkten Wiederaufstieg will Trainer Lieberknecht aber lieber nicht reden. Er weiß bei allem Pathos auch, dass sich Grundsätzliches ändern muss in Braunschweig. Der bodenständige Pfälzer sagt jetzt knallhart: „Wir müssen im nächsten Jahr erfolgreicher spielen als jetzt in der ersten Liga.“ Da ist was dran.

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