„Taktischer Kapitalismus“

■ Paul Garrin über die militärischen Wurzeln des Internets, den öffentlichen Raum und die ökonomischen Grundlagen der Kunst

taz: www.taz.de versteht jeder. Was ist so schlecht am etablierten Namensmodell im Internet?

Paul Garrin: Durch den Run von Spekulanten auf begehrte Namen sind inzwischen nicht mehr viele gute übrig. Die Beschränkungen der sogenannten Domain Names waren ein Erbe der hierarchischen militärischen Ordnung des Kalten Krieges, aus der das Netz entstanden ist.

Im nächsten Jahr soll es sieben neue Top Level Domains geben.

Ich bin gegen diese „Domains“ an sich. In dem Begriff steckt das militärische Erbe des Internets: „Domain“ heißt „Domination“, Beherrschung, Kontrolle, Territorium – dieses Denken kommt direkt aus dem Pentagon. Und so betrachten Network Solutions (NSI) das auch: Die denken, daß diese Namen ihr Eigentum sind, wie ein Grundstück, das man kaufen kann. Und plötzlich gehört das Wort „Earth“ einer Firma!

Man kan man bei NSI anmelden, was man will, solange der Name noch nicht vergeben ist: anarchy.org, killclinton.com oder blowjob.edu. Worin besteht die Gefahr für das Internet?

Was diese Firma macht, ist eine Einschränkung von öffentlichem Gut. Die nehmen einfach ein Wörterbuch, suchen sich ein paar Wörter wie „art“ oder „sex“ raus, und behaupten, daß die ihr Eigentum seien. Das ist absurd! In den USA sind schon der öffentliche Raum, die Gefängnisse und die Sozialämter zum Teil privatisiert, und nun auch noch die Buchstaben des Alphabets! Bevor es das Internet gab, hatte niemand ein „.com“ in seinem Namen. Unternehmen hießen zum Beispiel „Pepsi Cola Bottling Company“ oder „Joe's Bar“, nicht „joes-bar.com“. Wenn „Joe's Bar“ jetzt ins Internet geht, können sie sich bei „namespace“ mit „joes.bar“ anmelden. So kann sich jeder den Namen aussuchen, der ihm gefällt. Dadurch wird es auch einfacher, sich Adressen zu merken. Und eine Firma wie IBM könnte zum Beispiel „ibm.products“, „ibm.services“ und „ibm.chips“ registrieren, dann könnte man leichter finden, was man braucht.

Geht es um bessere Geschäftsbedingungen für IBM?

Aber natürlich! „name.space“ hat jede Menge Nebeneffekte, und einer davon ist, daß Service Provider sogenannte „value-added services“ anbieten können. Außerdem ist es billiger, seine Namensadresse bei uns anzumelden.

Was soll die Klage gegen Network Solutions erreichen?

Wir wollen, daß Network Solutions unsere Namen in ihren Rootserver-File aufnehmen. Dann würden sie nämlich auf der ganzen Welt verteilt, und könnten von jedem Computer aufgerufen werden. Die behaupten, daß das zu kompliziert sei. Aber vor ein paar Monaten haben die auch noch gesagt, daß es aus technischen Gründen nur 150 Top Level Domains geben kann. Wir wollen beweisen, daß es für die Top Level Domains keine technische Grenze gibt.

Wie registriert man sich bei „name.space“?

Wir haben eine Software namens „Integral Database Synchronizer Demon“ (IDSD) entwickelt, um die Registrierung von Namensadressen zu dezentralisieren. So kann jeder seinen Internetnamen anmelden – wie ein Reisebüro, das ein Flugticket bucht. Wenn man sich zum Beispiel auf der Webpage von „name.space“ einloggt, kann man in ein Formular den gewünschten Domain Name eingeben, und wenn man damit fertig ist, ist der Name schon angemeldet. Das kostet 25 Dollar. Wir haben vor, in Europa eigene Registrierungsstellen aufzumachen, zum Beispiel in Amsterdam und vielleicht in Berlin.

Ist der Künstler Geschäftsmann geworden?

Das „name.space“-Projekt ist ganz klar kapitalistisch, aber es ist taktischer Kapitalismus. Es muß eine ökonomische Grundlage für Medien geben, die wirklich frei sein wollen. So was gibt's nicht umsonst. Ich finde, daß auch die Kunst soziale Auswirkungen haben sollte und daß sie sich ihre eigene ökonomische Basis schaffen muß, um ohne Zensur oder andere Arten von Kontrolle entstehen zu können. Meine Arbeit hat sich immer mit dem Gegensatz von öffentlichem und privatem Raum beschäftigt. Genau darum geht es auch bei den Domain Names, die Auswirkungen auf das ganze Internet haben. Mit meinen künstlerischen Arbeiten hätte ich niemals soviel erreichen können wie mit „name .space“. Interview: Tilman Baumgärtel