Waffenexportverbote umgangen: Pistolen auf Abwegen

In Eckernförde hergestellte Handfeuerwaffen wurden wohl illegal nach Kolumbien und Kasachstan exportiert. Nicht der erste Vorwurf gegen Sig Sauer.

Eine Sig-Sauer-Pistole aus Eckernförde tauchte verbotenerweise in Kolumbien auf. Bild: dpa

ECKERNFÖRDE/HAMBURG taz | Der Deal läuft wohl immer nach derselben Masche. Vom Eckernförder Stammwerk aus verschifft die Waffenschmiede Sig Sauer Pistolen legal in die USA, genauer an das Schwesterunternehmen Sig Sauer Inc. in New Hampshire. Diese Waffenexporte werden unter einer Bedingung vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle genehmigt: Das US-Außenministerium muss in einem „Endverbleibszertifikat“ bestätigen, dass die in Eckernförde hergestellten Waffen in den USA verbleiben.

Doch die Geschichte hat einen Schönheitsfehler: Statt in Kansas oder Kentucky tauchten Sauer-Waffen „Made in Germany“ in Kasachstan und zuletzt – nach Recherchen des NDR und der Süddeutschen Zeitung – in Kolumbien auf. Zwischen 2009 und 2012 sollen deutsche Sig-Sauer-Pistolen des Typs SP 2022 illegal über die USA in das südamerikanische Land geliefert worden sein. Dort werden diese Waffen von der Policia Nacional eingesetzt, die dem kolumbianischen Verteidigungsministerium untersteht und immer wieder für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird.

Die unrechtmäßige Lieferung von mehr als 100.000 in Deutschland hergestellten Sig-SP-2022-Pistolen nach Kolumbien erfolgte offenbar durch die US-Armee. Die Handfeuerwaffen hätten aus amerikanischer Fertigung stammen sollen. Doch aus Foto- und Videodokumenten sowie Aussagen kolumbianischer Ex-Polizisten geht hervor, das nicht nur US-Ware, sondern auch Waffen und Waffenteile aus deutscher Produktion in Kolumbien anlandeten.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn bestätigt, dass es „keine Genehmigungen oder Re-Export-Genehmigungen für die Ausfuhr dieser Waffen nach Kolumbien erteilt“ habe. Deutsches Waffenkontrollrecht wurde damit gebrochen.

Die J. P. Sauer & Sohn GmbH mit Stammsitz in Isny (Allgäu) wurde 1751 gegründet und ist der älteste aktive deutsche Waffenhersteller:

1951 wurde im Zuge der Firmenerweiterung die J. P. Sauer & Sohn AG in Eckernförde gegründet und später in Sig Sauer umbenannt.

Seit dem Jahr 2000 gehört die Sig Sauer zu einer Holding, der auch die US-Schwester SIG Sauer Inc. in New Hampshire und auch die schweizerische Swiss Arms in Neuhausen angehören.

Knapp 200 Mitarbeiter produzieren und vermarkten heute von Eckernförde aus die gesamte Bandbreite an Kurz- und Langwaffen. Hierbei wird sowohl der zivile Markt als auch das Segment "Law Enforcement/Militär" bedient.

NDR und Süddeutsche Zeitung konnten den Weg einer Waffe anhand der Registrierungsnummer nachvollziehen. Wie viele deutsche Pistolen insgesamt nach Kolumbien gelangt sind, ist aber unklar. Kolumbianische Polizisten berichteten, dass ihre ganze Einheit mit Waffen „Made in Germany“ ausgerüstet worden sei. Die Firma Sig Sauer wollte Presseanfragen bislang nicht beantworten und zieht sich darauf zurück, dass man in Eckernförde nur Waffen exportiere, wenn dafür die vorgeschriebenen Ausfuhrgenehmigungen vorlägen. Auch die zuständigen US-Behörden schweigen bislang zu den Vorwürfen.

„Die Ermittlungen dauern an“

Nicht zum ersten Mal gerät Sig Sauer mit einem solchen Waffendeal in den Fokus der Öffentlichkeit und der Ermittler. Wegen des Vorwurfs, rund 70 Pistolen an die Garde des Präsidenten von Kasachstan geliefert zu haben, durchsuchten Staatsanwaltschaft und Polizei Ende Januar die Eckernförder Betriebsräume und beschlagnahmten zahlreiche Unterlagen und Dateien. Das Unternehmen soll für eine Waffenlieferung nach Kasachstan keine Genehmigung bekommen und die Waffen darum in die USA geschickt haben.

Um die Ausfuhrgenehmigung zu erhalten, wurde der amerikanische Zivilmarkt als Endabnehmer angegeben. Statt des deutschen Firmensitzes soll auch in diesem Fall die Sig Sauer Inc. in New Hampshire 2010 das Geschäft mit Kasachstan abgewickelt haben – mit Genehmigung der USA. Dabei wurden, so der Vorwurf, auch Waffen aus deutscher Produktion mit in die Kisten gepackt.

Seit Monaten recherchiert die Kieler Staatsanwaltschaft diese Vorgänge. Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz und das Waffengesetz, aber auch der Tatbestand eines sogenannten Umgehungsgeschäfts sind die möglichen Straftatbestände. „Die Ermittlungen dauern an“, bestätigt die Kieler Oberstaatsanwältin Birgit Heß. Das mutmaßliche Kolumbien-Geschäft sei aber laut Heß in Kiel noch nicht „Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen“.

Den Hamburger Bundestagsabgeordneten und ehemaligen UN-Waffeninspekteur Jan van Aken (Linke) bestärken die Vorwürfe gegen Sig Sauer in seiner Forderung nach einem Ausfuhrverbot für Waffen. Die Bundesregierung, die die Ausfuhrgenehmigungen erteile, habe „keine Kontrolle darüber, wo die exportierten Waffen am Ende landen“, sagt van Aken. „Kleinwaffen sind genau die Waffen, mit denen Diktatoren ihr Volk unterdrücken und darum brauchen wir ein totales Exportverbot für Kleinwaffen – ohne Ausnahmen.“

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage van Akens belegt jetzt, dass der Kleinwaffenexport sprunghaft zunimmt. Allein im vergangenen Jahr wuchs der genehmigte Exportwert deutscher Kleinwaffen plus Munition in alle Welt um 43 Prozent, von 94 Millionen (2012) auf 135 Millionen Euro.

Eine weitere Anfrage van Akens zeigt, dass viele dieser Waffen über den Hamburger Hafen verschifft werden. Allein im letzten Quartal 2013 gingen laut Bundesfinanzministerium Handfeuerwaffen im Wert von 3,5 Millionen Euro von Hamburg aus auf die Reise. Von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) fordert van Aken, über Hamburg laufende Waffenexporte in Zukunft komplett zu untersagen.

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