Karlspreis der Sudetendeutschen: Verführer und Versöhner

Milan Horacek war Grüner der ersten Stunde. Jetzt bekommt er den Karlspreis der Sudetendeutschen. Das klingt irrer, als es ist.

Horacek engagierte sich im Bundestag für die deutsche Einheit und die deutsch-tschechische Aussöhnung (Bild von 2006). Bild: dpa

Als „verkommenen Parlamentarier“ hat ihn Joschka Fischer Anfang der 80er Jahre einmal bezeichnet: Milan Horacek, Alt-68er, Grüner der ersten Stunde, war damals in den Frankfurter Stadtrat eingezogen. Fischer gab noch den außerparlamentarischen Sponti, der sich hartnäckig weigerte, Horaceks Aufnahmeanträge für die Ökopartei zu unterschreiben: „Fass ihn, der will mich verführen“, will Fischer aus Spaß zu seinem Hund gesagt haben. Bald darauf zogen Horacek und Fischer gemeinsam in den Bonner Bundestag ein.

Horacek stand meist im Schatten des späteren Außenministers. Aber die Ehrung, die Horacek am Wochenende zuteil wird, mutet auf den ersten Blick fast so verrückt an wie die Karriere des Taxifahrers Fischer: Am Samstag erhält er den Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Ein Grüner als Preisträger der Vertriebenen!

Horacek wurde 1946 in Velké Losiny geboren, einem Ort im Altvatergebirge. Die Mutter war Deutsche, blieb von den Vertreibungen aber verschont. Erst als die sowjetischen Panzer den Prager Frühling niederwalzten, floh Horacek nach Deutschland. Der Grenzer, der ihn empfing, war Sudetendeutscher – und brachte Horacek Kaffee und den Playboy, während er auf sein Verhör wartete. Endlich im Westen!

Horacek engagierte sich im Bundestag für die deutsche Einheit und die deutsch-tschechische Aussöhnung, wurde 1991 Büroleiter der Böll-Stiftung in Prag, danach Abgeordneter in Brüssel. Aber im Grunde haben sich die Sudetendeutschen mehr auf Horacek zubewegt als umgekehrt. Noch den EU-Beitritt der Tschechen versuchte die Landsmannschaft zu blockieren, weil die Prager Regierung die Beneš-Dekrete, die die Vertreibung legalisierten, nicht aufhob.

Erst seitdem der tschechische Premier Petr Nečas die Vertreibung bedauerte, setzen die Sudetendeutschen deutlich auf Versöhnung. „Überall, wo es im deutsch-tschechischen und sudetendeutsch-tschechischen Dialog Fortschritte gab, war Horacek als Vermittler, gegen nationalistische Scheuklappen kämpfend, mittendrin“, schreibt der Sprecher der Sudetendeutschen und Noch-CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt zur Verleihung des Karlspreises.

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