Magdeburger blieben zu Hause

Am Samstag gedachten nur 3.000 Menschen des ermordeten Punks Frank Böttcher. Am Tatort, im Stadtteil Olvenstedt, gerieten einige DemonstrantInnen außer sich vor Wut  ■ Aus Magdeburg Jens Rübsam

Wut hat sich breit gemacht auf dem Magdeburger „Alten Markt“. Wut über den Mord an dem 17jährigen Punk Frank Böttcher. Wut über den – inzwischen geständigen – Täter aus der rechten Szene. Wut über den gesellschaftlichen Trend nach rechts. Wut auch darüber, daß nur wenige Magdeburger gekommen sind, um zu demonstrieren. „Gegen den rechten Terror, gegen Gewalt“, so der Aufruf eines breiten Bündnisses, das von Antifa-Gruppen über die PDS bis zu den Kirchen reicht. Nicht vergessen werden soll der Mord an Torsten Lamprecht, der 1992 bei einer Punk-Geburtstagsfete von Skinheads erschlagen wurde. Auch nicht der Himmelsfahrtstag 1994, an dem Ausländer von 150 Rechten durch die Innenstadt getrieben wurden. Gedacht werden soll vor allem Frank Böttchers, der vor zwei Wochen durch sieben Messerstiche in den Rücken starb.

Im Antifa-Block brennt die Luft vor Wut. Und als Domprediger Giselher Quast vor dem Rathaus zu einer Schweigeminute für Frank Böttcher bittet, bleiben die autonomen Linken nicht ruhig. „Rache für Frank“ verlangen sie und rufen nach Vergeltung für den Mord: „Schweigen“, schreien sie, „Schweigen nützt nichts.“ Rosemarie Hein (PDS) fordert, „alles zu tun, daß rechtes Denken in dieser Stadt keine Heimat findet“. Und Hans-Jochen Tschiche von den Bündnisgrünen sagt: „Wir müssen dafür sorgen, daß die braune Saat in Deutschland nicht wieder aufgehen kann.“

3.000 DemonstrantInnen ziehen in Richtung Olvenstedt, in jenen Stadtteil, in dem Frank Böttcher ermordet wurde. Am Anfang des Zuges die Antifa-Jugend und die Autonomen, am Ende die VertreterInnen aus Politik, Kirche, Gewerkschaften und Kultur, ein grünes Band gegen Gewalt haltend. Auf den Balkonen die MagdeburgerInnen.

Am Abend wird sich Mitinitiator Norbert Pohlmann eingestehen: „Wir haben es nicht geschafft, die Bevölkerung zu mobilisieren.“ Wahrscheinlich seien viele aus Angst nicht gekommen. Bürgermeister Wolfgang Czogalla (parteilos) wird entgegnen: „Man kann es den Bürgern nicht verdenken“, um dann entschuldigend nachzuschieben: „Auch ich hätte mir gewünscht, daß mehr Magdeburger teilgenommen hätten.“

Gegen 16 Uhr eskaliert die Situation in Olvenstedt. 50 Autonome werfen Scheiben einer Bank, eines Geschenkartikelladens und eines Parkhauses ein. Am Tatort des Mordes, der Straßenbahnhaltestelle, liefern sich Autonome und Polizei eine Straßenschlacht. Resümee der Polizei: 22 Beamte und mehrere DemonstrantInnen wurden verletzt, 35 AnhängerInnen der linken Szene wurden vorläufig festgenommen. Nach der Demonstration sorgt sich Bürgermeister Czogalla um den Ruf der Stadt: „Wir sind keine Frontstadt der Bandenkriege, wie Medien behaupten.“ Magdeburg habe Probleme wie jede andere Stadt auch. Andreas Huth von der Antifa-Initiative hält dagegen: „Eine Frechheit, vom Ruf Magdeburgs zu sprechen, wenn jemand ermordet wurde.“ Am späten Samstag abend kommt es abermals zu Auseinandersetzungen. 70 Punks versuchen, im Ortsteil Stadtfeld eine Straße zu blockieren. Als die Polizei die Blockade räumt, flüchten sie in ein leerstehendes Haus. Bilanz des Einsatzes: 45 Festnahmen.