Und ein Taxi wird kommen

■ Angestrengte Leichtigkeit oder Was hätte Wenders jetzt gemacht? Taxi Lisboa, ein dokumentarischer Spielfilm von Wolfgang Gaudlitz

Immer wenn den angestrengten unter den Autorenfilmern nostalgisch ums Herz wird und sie sich besonders europäisch fühlen, ziehen sie aus ins Pittoreske. Am liebsten in die Altstädte in Ehren ergrauter Metropolen. Und in jüngster Zeit besonders gerne nach Lissabon. So gab sich Wim Wenders in Lisbon Story ganz vorbewußt und fahndete, mit aller aufzubringenden Empfindsamkeit, nach einem unverstellten Blick auf seine Welt, die er hier vor allem als faltiges Fassadenantlitz der portugiesischen Hauptstadt goutierte.

Auch in dem dokumentarischen Spielfilm Taxi Lisboa von Wolfgang Gladitz ist der Himmel über Lissabon besonders hoch gehängt. Gaudlitz erzählt die Geschichte des hundert Jahre alten Taxifahrers Augusto Macedo. Ein Einzelschicksal, an dem der Regisseur das ganze Zeit- und Lebensgefühl der Stadt brechen will. Betulich arrangierte Nebenhandlung mit anachronistischem Panoptikum, in dem vom Schuhputzer bis zum Jongleur, vom geflohenem Juden bis zum Pizzabäcker alles vertreten ist, versteigen sich zu hausbackenem Surrealismus. Und vielen Einstellungen sieht man die vorab erbrachte Anstrengung bei der Suche nach einem geeigneten Schauplatz unbedingt an. Keine Brücke, die nicht erlebte und bevorstehende Zeiten und Generationen miteinader verbrüdert. Kein Gesprächsfetzen, der sich nicht vielmeinend um alles und nichts schmiegt. Dort, wo nicht der Wind durch die Gassen pfeift, sondern ein mühsam ins Bild gezwungener poetischer Atem solches erledigen muß, zählt auch meist der Zufall zum festgecasteten Personal. Da stehen unverhofft Einsame am Straßenrand, spielen Saxophon oder lassen sich in vage Gespräche verwickeln. Graffiti verwandeln sich in mysteriöse Passanten mit noch mysteriöseren Koffern, denen jedoch schon auf halber Strecke die Rätsel ausgehen. Ein Mädchen begibt sich regelmäßig mit Augusto Macedo auf Bräutigamschau und Dichter Fernando Pessoa spricht aus dem Autoradio, wenn Macedo einschläft. Schließlich versuchen noch Akrobaten und Zauberer, dem Gestellten etwas Phantastisches anzugaukeln.

Kein Zweifel, Wolf Gaudlitz will ein Kino der Kontemplation und schafft eines der unfreiwilligen Folklore. Jedes Zwiespältige, Kontroverse geht seinem Film ab. Gaudlitz' Film läuft letzlich auch Gefahr, die eigenen Hauptfigur ausbeutet. Zu schön die Furchen im Gesicht, zu ehrfürchtig der Kamerablick auf die großen, alten Hände des Taxifahrers. Und so wirkt Taxi Lisboa in all seinem romantischen Bemühen seltsam steril und öde.

Birgit Glombitza

Abaton