■ Postbank kündigt die Konten der Scientology-Sekte
: Billiger Populismus

Groß war das Geschrei, als Münchner Banken sich im vorigen Jahr weigerten, sozial wenig solventen Ausländern Konten einzurichten. Die Münchner Zeitungen überschlugen sich in Solidaritätsbekundungen. Schnell erkannte man, daß ein Leben ohne eigenes Sparkassen- oder Bankkonto einer sozialen Ausgrenzung gleichkommt. Das Recht auf ein Konto könne niemandem verwehrt werden, lautete einhellig die veröffentlichte Meinung.

Bemerkenswert anders äußert sich das öffentliche Rechtsempfinden nun im Fall Scientology gegen die Postbank, der gestern vor dem Stuttgarter Landgericht eröffnet wurde. Offenbar vermutete die Postbank, daß ihre Kundschaft mit einem zufriedenen „Gut so, Postbank“ reagiert, wenn der Sekte mit der Begründung „Wir wollen nicht“ die Konten und damit die Geschäftsbeziehungen gekündigt werden.

Sollten die Banken also ein moralisches Gewissen haben? Wird es demnächst – wie Ölmultis und Autohersteller in puncto Ökologie – politisch korrekte Werbung geben für ein neues Girokonto mit dem Schriftzug „Wir haben verstanden – 2 Prozent mehr Zinsen für den guten Katholiken“?

Hoffentlich nicht. Eine in öffentliche Ungnade gefallene Personengruppe darf nicht geächtet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies begründet geschieht oder nicht. Die sonst immer so stolz hochgehaltene Meinungs- und Religionsfreiheit muß auch für Menschen und Institutionen gelten, die dem gerade aktuellen Volksempfinden wiedersprechen.

Diese Form der Ausgrenzung schüttet, nach der peinlichen Mission: Impossible-Boykottaktion der Jungen Union, nur erneut Wasser auf die Propagandamühlen des Scientology-Konzerns. Händereibend werden die Konzernherren wieder die Parallele zu Nazideutschland ziehen und, zumindest in den USA, damit mehr und mehr Mitleid erwecken.

Die öffentliche Auseinandersetzung mit Scientology muß stattfinden, gewiß. Doch vor allem durch Diskussion. Wer Sanktionen gegen die Sekte durchsetzen will, soll vor Gericht ziehen. Aber dafür sieht selbst Innenminister Manfred Kanther „keinen auf bestimmte Tatsachen gestützten Verdacht“. Die Kontokündigung der um Kundschaft buhlenden Postbank ist nichts als billiger Populismus. Clemens Heidel