Debatte um Waffenlieferung in den Irak: Linke schimpfen über Gysi

Linken-Politiker finden Gysis Waffen-Forderungen „grundfalsch“. Die Bundesregierung will Ausrüstung liefern, die nicht tödlich ist.

Falsch abgebogen? Bild: dpa

BERLIN taz | Mit der Forderung nach Waffen für die Kurden schockiert der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi, Linke, seine Partei – und erntet Respekt aus der CSU. In der taz hatte Gysi gefordert, Deutschland solle die kurdischen Kämpfer mit Waffenlieferungen unterstützen, obwohl die Linke Rüstungsexporte eigentlich stoppen will. „Bei der Stabilisierung von Staaten darf man sich nicht hinter Vorschriften oder Ideologien verstecken“, sagt der CSU-Abgeordnete Henning Otte, Mitglied des Verteidigungsausschusses, zur taz. Das scheine sogar Gregor Gysi endlich einzusehen, so Otte.

Ihm zufolge gehe es beim Export von Waffen in den Nahen Osten "auch immer um den Kampf gegen den radikalen Islamismus, der uns alle gefährdet". Im Zuge dessen könne es „sinnvoll sein, ein stabiles System und ein staatliches Gewaltmonopol zu unterstützen, um geordnete und sichere Verhältnisse in einem Staat oder einer Region aufrecht zu erhalten", sagte Otte. Doch ein solcher Schritt müsse auch europäisch und mit den USA abgestimmt werden.

Bei Gysis Parteikollegen kam der Vorstoß hingegen nicht gut an. „Die Waffenlieferungen an Kurdistan sind grundfalsch“, kritisierte Parteivize Jan van Aken im Gespräch mit der taz. „Gregor Gysi kennt sich in der Region nicht aus und hat aus Fehlinformationen falsche Schlüsse gezogen.“ Momentan solle sich Deutschland auf humanitäre Hilfe konzentrieren. Waffenlieferungen nützten der Propaganda des Präsidenten der kurdischen Autonomiegebiete im Irak, Massud Barsani, der einen unabhängigen Staat wolle.

Auch Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der Fraktion, widersprach Gysi. Waffen an die Kurden bezeichnete er als „Büchse der Pandora, die, erst einmal geöffnet, nicht wieder geschlossen werden kann“. Die Linken-Politikerin Christine Buchholz, Mitglied des Verteidigungsausschusses, berief sich auf die Grundhaltung der Linken, die Rüstungsexporte in den Nahen Osten ablehne: „Es gibt keinen Grund, an dieser Haltung zu rütteln.“ Waffenlieferungen seien heikel, da auch der irakische Staat Teil des Problems sei.

Um humanitäre Hilfe und politische Deeskalation kreist auch eine gemeinsame Erklärung, die die Vorsitzenden der Linken, Bernd Riexinger und Katja Kipping, zusammen mit Gregor Gysi am Dienstag abgaben. Von Waffenlieferungen indes ist darin keine Rede – als ignoriere die Führung den Streit in den eigenen Reihen.

Auf seiner Facebook-Seite kommt Gysi derweil nicht an einer Erklärung vorbei. „Ich war und bleibe ein Gegner von deutschen Waffenexporten“, stellt er dort klar. Seine Waffen-Forderungen vom Vortag bettet er nun in einen internationalen Kontext: „Was wir jetzt benötigen, sind Beschlüsse des Sicherheitsrats der UNO auf der Grundlage ihrer Charta.“

Waffenlieferung als Einzelfall

Indes weht in der Bundesregierung ein neuer Wind. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist zu einer Lieferung von Rüstungsgütern wie gepanzerten Fahrzeugen oder Sprengfallen-Detektoren an den Irak bereit, sagte sie am Dienstag in Berlin. Waffenlieferungen für den Kampf gegen die IS kämen zunächst nicht in Frage. „Aber unterhalb dieser Schwelle möchten wir alle Möglichkeiten ausnutzen, die uns zur Verfügung stehen“, sagte von der Leyen. Wenn es darum gehe, „einen Genozid zu verhindern, dann müssen wir Dinge intensiv auch innerhalb Deutschlands noch einmal miteinander diskutieren“, sagte sie.

Zwar heißt es in den sogenannten Grundsätzen deutscher Waffenpolitik, Kriegswaffen würden nicht genehmigt, wenn die Länder „in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind“. Doch dort findet sich auch eine Passage, mit der sich eine Bewaffnung der Kurden rechtfertigen ließe: Exporte sind demnach im Einzelfall möglich, wenn „besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen“. Derzeit aber, meinte der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), sei das noch kein Thema.

Laut Grünen-Vorsitzendem Cem Özdemir hingegen bestehe „schnellstmöglicher Handlungsbedarf“, um einen Völkermord zu verhindern. „Die Bundesregierung darf jetzt nicht lamentieren, sondern muss in enger Absprache mit unseren europäischen und transatlantischen Verbündeten alle Optionen vorbehaltlos prüfen und entscheiden“, sagte er zur taz. Das gelte für die Möglichkeiten der Rüstungsexportrichtlinien und einen größeren Beitrag bei der humanitären Hilfe. Auch eine Ausbildung der kurdischen Truppen schloss er nicht aus.

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