Volontäre im Bayerischen Rundfunk: Kerle, Kühe, Kirche

Mit ihrem Abschlussprojekt wollten die Volontäre des BR etwas wagen. Sie beweisen aber hauptsächlich, wie verknöchert der Sender ist.

Die Volontärinnen des BR, das sind die mit den Kameras und Mikros, bei der Arbeit. Bild: Mainpost/BR/Ralph Rautenberg

Es könnte etwas dran sein an dem Eindruck, die Bayern seien provinziell. Zumindest das Fernsehprogramm des Bayerischen Rundfunks unterfüttert ihn. Wer es vom Nachmittag bis in den späten Abend guckt, kommt nicht umhin festzustellen, dass es drei große Themen gibt: Kerle, Kühe, Kirche. Was komplett fehlt: eine Verbindung in die Welt. Das Exotischste an einem Dienstag im BR ist Eis mit Basilikum.

Der BR ist eine der größten Sendeanstalten der ARD und spuckt Jahr für Jahr junge Menschen aus, die als Volontäre ausgebildet wurden. Sechs von ihnen haben zusammen mit einer Volontärin des NDR für ihr Gesellenstück eine Reportage gefertigt, die „anders“ sein soll. Und allein, dass sie für ihr Stück des Landkreises Rhön-Grabfeld, „Der Ort, an dem keiner wohnen will“, gesucht haben, dürfte im Heile-heile-Segen-Himmel des BR Schockstarre hervorrufen.

Die fünf jungen Journalistinnen und ihr Kollege haben sich vier Protagonisten aus der unterfränkischen Region gesucht und stellen diese in deren Absicht vor, die Region (der einzige Landkreis Bayerns, aus dem mehr Menschen weg- als zuziehen) attraktiv zu machen.

Den Bürgermeister, der versucht, einen Markt mit regionalen Produkten zu etablieren, aber sich nicht um die Werbung kümmert, die Studentin, die unter enormem Aufwand ein „4-Jahreszeiten-Fest“ organisiert, für dessen Gästezahl auch ein „1-Jahreszeit“-Zelt gereicht hätte, einen bankrotten Schreiner sowie eine naiv-optimistische Mittdreißigerin, die für ihr Café einen Standort am Stadtrand gewählt hat.

„ausgerechnet“, 1.9., 22.35 Uhr, BR.

Abgesehen von ein paar bilderbuchhaften Anfängerfehlern wie der Frage an einen Passanten, wie es sei, in einer „Geisterstadt“ zu leben, ohne dass der Zuschauer erfährt, wie wenige Einwohner es in Erbstadt gibt, ist die Reportage erschreckend gut gelungen. Erschreckend deshalb, weil die sechs FilmemacherInnen sich leider lediglich brav und gekonnt an dem abarbeiten, wie Reportagen heutzutage gemacht werden: Eine Journalistin, Vera Cornette, wird vor die Kamera geschickt, locker und anteilnehmend begleitet und befragt sie die Protagonisten, die abwechselnd vorgestellt werden. Dazwischen gibt es ein paar Statistiken und grafische Elemente und eine Stimme aus dem Off.

Ein reger Kurort

Dabei haben die FilmemacherInnen sehr wohl ein Bewusstsein für das Andere. So schneiden sie äußerst charmante Filme aus den 70er Jahren dazwischen, die die Gegend als regen Kurort zeigen, oder lassen den Sprecher so schöne Sätze sagen wie: „Mit Bratwürsten kämpft Jürgen Heinsinger gegen die Abwanderung.“ Aber man spürt die Befürchtung, etwas zu machen, das zu gewagt sein könnte. Schließlich ist bereits die Wahl des Themas ein Affront gegenüber den Seligen im blau-weißen Land.

Tatsächlich eröffnet die Reportage einen überaus warmen Blick auf Menschen, die sich nicht entmutigen lassen. Doch wenn ein so herkömmliches, am Ende sehr braves Stück bereits gewagt ist, dann muss man wohl umso mehr fragen: Bayerischer Rundfunk, was ist bei dir los?

Wo sind deine großen, verqueren Köpfe wie Helmut Dietl und Franz Xaver Kroetz, die dem Nachwuchs mal ganz andere Ideen in die Köpfe pflanzen? Die ihn ermuntern, das Fernsehen neu zu erfinden und Formate in die Welt zu setzen, die anders sind? Du wirst jetzt sagen, unsere Zuschauer sind eh schon scheintot, die wollen nix anderes. Mir san mir und mir san hin. Na gut, BR, möchte ich entgegnen, Fernsehen, dieses von uns allen finanzierte Flimmerding, könnte der neue heiße Scheiß sein, so wie es das in den USA zum Beispiel ist. Aber Bayern ist nicht die USA. Da hast du schon recht.

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