Kommentar Occupy Hongkong: Die Botschaft kommt in China an

Die Führung der Kommunistischen Partei in Peking befürchtet, die Proteste in Hongkong könnten aufs Festland überschwappen. Zu Recht.

Der Regenschirm als Widerstandssymbol Bild: reuters

Gewisse Verhaltensweisen sind nur schwer abzulegen. Aus Furcht, die bunten Bilder der Demokratie-Proteste in Hongkong könnten auch die Fantasie der Unzufriedenen in der Volksrepublik beflügeln, beschäftigen sich die chinesischen Zensoren seit Anfang der Woche offenbar vor allem damit, sämtliche Einträge aus den sozialen Netzwerken zu löschen, die auch nur entfernt Bezug nehmen auf Occupy oder Regenschirme. Den Bilderdienst Instagram haben die Zensoren komplett gesperrt.

Doch die Wirkung dieser Maßnahmen äußerst fraglich. Abgesehen davon, dass Millionen von geschickten Netzaktivisten unzählige Wege finden, die Bilder und Kurznachrichten aus Hongkong dennoch im chinesischen Netz zu streuen – die zentrale Botschaft ist auch in der Volksrepublik angekommen: Die kleine südchinesische Sonderverwaltungszone lässt sich die Bevormundung durch die Machthaber in Peking nicht länger gefallen und begehrt auf.

Bislang sind die Hongkonger Demokratie-Aktivisten nicht einmal besonders radikal vorgegangen. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um brave Schüler und Studirende, die sich gegen den Pfefferspray- und Tränengaseinsatz mit nichts anderem gewehrt haben als mit erhobenen Händen und Regenschirmen. Doch genau diese Bilder sind zum Symbol der Hongkonger Demokratieproteste geworden.

No Win Situation für die Führung

Die große Mehrheit der Chinesen dürfte aufgrund der weitgehenden Nachrichtensperre von den Protesten nur unzureichend informiert sein. Sie werden am heutigen Nationalfeiertag mit Bildern von den Feiern zum Gründungstag der Volksrepublik vor 65 Jahren berieselt. Doch selbst auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking waren heute Chinesen, die demonstrativ gelbe Regenschirme aufgespannt oder sich eine gelbe Schleife angehängt haben - das Symbol für Solidarität.

Viel wird in den nächsten Tagen davon abhängen, wie Peking und die ihr unterstellte Hongkonger Obrigkeit mit dem Protest weiter umgehen werden. Sie stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Lassen sie die Proteste laufen, könnte dies als Zeichen der Schwäche gesehen werden - parteiinterne Widersacher hat der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping zur Genüge. Je länger zugleich die Blockaden anhalten, desto größer wird die Gefahr, dass sich der momentan noch friedliche Protest radikalisiert und die in der Stadt so dominierende Finanzindustrie sich beklagt.

Ein hartes Durchgreifen der Polizei könnte für Peking aber ebenso riskant werden. Der heftige Einsatz der Beamten mit Pfefferspray, Tränengas und Gummiknüppel am vergangenen Sonntag hat in der Siebenmillionenmetropole bereits für sehr viel Empörung gesorgt und dazu beigetragen, dass sich seitdem noch mehr Hongkonger mit auf die Straße setzen.

So oder so - einen Etappensieg haben die Demokratie-Aktivisten bereits vorzuweisen. Ihr Ruf nach mehr Demokratie in Hongkong steht stellvertretend für die Forderung nach einem grundlegenden politischen Wandel in ganz China. Diese Botschaft ist angekommen – trotz Zensur.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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