Kommentar Wahl Bosnien-Herzegowina: Sieg der alten Garde

Die neue demokratische Strömung konnte die 46 Prozent Nichtwähler nicht mobilisieren. So haben wieder die Nationalisten gewonnen.

Hat einen ernsthaften Gegenspieler im eigenen Lager erhalten: der alte und neue Präsident der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik Bild: reuters

Das Wahlergebnis in Bosnien-Herzegowina hinterläßt gemischte Gefühle. Die Führungen der alten Parteien haben sich mit Abstrichen wieder durchgesetzt. Und das trotz des Aufrufes aller internationalen Organisationen und sogar der amerikanischen Botschaft, endlich reformorientierte, nicht korrupte und nicht nationalistische Parteien und Listenverbindungen nach vorne zu bringen.

Doch die nationalistischen Parteien wie die kroatische HDZ und die muslimische SDA können sich auf ihre Klientel verlassen. Sie garantieren ja auch Jobs in der Verwaltung und den Staatsunternehmen.

Immerhin wurde der selbstherrliche und alle positiven politischen Traditionen der bosnischen Sozialdemokraten verachtende Parteichef Zlatko Lagumdzia abgestraft. Und immerhin haben die Wähler in der serbischen Teilrepublik mit Mladen Ivanic einen moderaten Liberalen in das dreiköpfige Staatspräsidium entsandt. Zwar gewann er nur mit hauchdünnem Vorsprung, doch der starke Mann der Serben, der alte und neue Präsident der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, hat einen ernsthaften Gegenspieler im eigenen Lager erhalten.

Für die Zivilgesellschaft ist das alles zu wenig. Nach der Protestbewegung und nach den Erfahrungen mit dem Versagen der Parteien während der Jahrhundertflut hatte sie auf einen grundlegenderen Wandel gehofft. Es gelang nicht, die 46 Prozent resignierten Nichtwähler gegen die bisher Mächtigen zu mobilisieren.

Für wen auch? Es wurden ja keine ernsthaften Alternativen angeboten. Das Wahlergebnis hat auch mit der Schwäche der nichtnationalistischen, demokratischen und menschenrechtsorientierten Strömung zu tun.

Sie ist zersplittert und in den Kleinstädten und Dörfern zu schwach, ihr fehlt es an Geld und Infrastruktur. Und last but not least: Ihr fehlen überzeugende charismatische Führungspersönlichkeiten.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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