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■ Dreizehn deutsche Tageszeitungen bieten heute wenigstens Teile ihrer Ausgaben im Internet an – vollständig ist nur die taz

Noch vor einem halben Jahr konnten Informations-Junkies eine ruhige Kugel schieben. Sämtliche deutschen Zeitungen im World Wide Web lesen? Kein Problem! Es gab nur drei: die digitaz (http://www.prz.tu-berlin.de/taz/) brachte den vollen Text der gedruckten taz schon am Vorabend auf den Schirm; die Schweriner Volkszeitung (http://win.bda.de/bda/nat/hn/svz.html) stellte vormittags Teile ihrer Regionalausgabe ins Netz und Die Welt(http://www.welt.de/) erschien abends mit ausgewählten Texten und aktualisierten Börseninformationen.

Heute dürfte das Ansinnen eines Zeitungs-Marathons selbst hartgesottenen Bildschirmlesern den Angstschweiß auf die Stirn treiben: 13 Tageszeitungsverlage haben ihre Angebote ins WWW gestellt. Weitere werden bis zum Jahresende folgen.

Besonders aktuell ist http:// www.germany.live.de, ein Nachrichtendienst auf Basis der Deutschen Presse-Agentur, der von Tageszeitungsredakteuren im Auftrag der Böblinger Kreiszeitung dreimal täglich aktualisiert und redigiert wird. Hochaktuell kommt ebenfalls die Rhein Zeitung aus Koblenz daher (http://primus.cicero.de/), die seit August im Testbetrieb Meldungen der Nachrichtenagenturen dpa und Reuter auf ihren Server schaufelt. Damit wird das „Thema des Tages“ laufend aktualisiert, ebenso die „Topnews“. Am Sonntag nach der Ermordung Rabins war die Rhein Zeitung im Internet die einzige deutschsprachige Quelle für aktuelle Berichte und Hintergrundinformationen. Das graphisch aufwendig gestaltete Design kostet allerdings lange Ladezeiten. Bisweilen gibt es technische Probleme. Dann erscheint die Vortagesausgabe auf dem Schirm und läßt sich auch durch die „Reload“-Taste nicht vertreiben. Im Januar wird die Rhein Zeitung offiziell einen eigenen regionalen Online-Dienst mit Internetzugang starten. Das Archiv und die im Volltext durchsuchbaren Kleinanzeigen werden dann nur den Abonnenten zugänglich sein.

Gleichfalls auf Regionalinformation, aber auf offenen Zugang setzt die Mittelbayrische Zeitung aus Regensburg. Sie hat zusammen mit Partnern „Donau Online“ (http://www.donau.de) ins Leben gerufen, den bislang einzigen freien Netzzugang eines deutschen Zeitungsverlages. Seit Anfang dieses Monats können Leser und Leserinnen im Raum Regensburg/ Weiden/Cham ohne zusätzliche Kosten zum Ortstarif im WWW surfen. Inhaltlich hat Donau Online noch nicht viel zu sehen: Auszüge aus den verschiedenen Lokalausgaben der Zeitung stehen neben Angeboten des hauseigenen Buchverlages, man kann Leserbriefe mailen, der Kleinanzeigenteil ist noch in Arbeit. Wer Spaß am elektronischen Layout hat und über die passende Software verfügt, ist bei der Online-Version der Hamburger Morgenpost (http:// www.mopo.de/) bestens aufgehoben. Das Boulevardblatt präsentiert in vier Rubriken täglich rund zwei Dutzend neue Artikel. Bemerkenswert gut gemacht ist der Veranstaltungskalender: Welche Konzerte gibt es am Samstag in Hamburg nach 22 Uhr? In welchem Kino läuft noch „Das Netz“?

Springers Welt, die neuerdings Werbung auf ihrer Titelseite hat, bringt jeden Tag 35 bis 38 neue Artikel. Ihre große Stärke ist das einfach zu bedienende Volltext-Archiv aller seit dem 17. Mai 1995 online erschienenen Artikel. Auch die Süddeutsche Zeitung (http:// www-dw.gmd.de/sz/) unterhält ein Archiv mit allen Artikeln, die seit dem 5. Oktober online erschienen sind. Nur haben die Web-Master die Recherche erschwert, um das Geschäft den Online-Datenbanken nicht zu verderben: Gesucht werden kann immer nur nach Artikeln eines einzelnen Erscheinungstages. Ein echter Geheimtip ist dagegen der Holsteinische Courier aus Neumünster (http://www.courier.de/). Wer sich von der nichtssagenden Homepage nicht abschrecken läßt (keine Schlagzeilen, kein Impressum) darf mit kostenlosem Paßwort auf umfangreiche dpa-Daten (Text und Bild) zugreifen. Wer jedoch lieber surft, als derart gezielt nach Informationen zu suchen, wird möglicherweise mit der Saarbrücker Zeitung (http://www.sz-sb.de/) glücklicher. 130 bis 150 Artikel fügt die Redaktion täglich hinzu. Eine Steigerung ist nur noch die Online-Volltextausgabe, wie sie die taz von Anfang anbot.

Der nächste Schritt in die Zukunft sind Texte, die nur noch online erscheinen. Die Schweriner Volkszeitung, die Seniorin unter den Web-Regionalzeitungen, bietet auf ihren Regionalseiten bereits eine Serie „Virtuelles Mecklenburg Vorpommern“ an. In Wort und Bild und vielen Links lädt die Redaktion zum Bummeln ein: eine Führung durch das Schweriner Schloß, ein Ausflug zum Rostocker Hafen...

Doch nicht überall, wo Tageszeitung draufsteht, ist auch eine drin. Unter der Adresse der Nürnberger Nachrichten (http://www.osn.de/nn/) findet sich nur die Computerseite – monatlich aktualisiert. Das Schwäbische Tagblatt Tübingen (http://www.cityinfonetz.de/tagblatt/00.html) postet neben einer montags aktualisierten Wochenchronik Serviceinformationen und Eigenwerbung. Beim Berliner Tagesspiegel (http://www.tagesspiegel-berlin.de/) sind nur Auszüge aus dem gedruckten Veranstaltungsprogramm, das Impressum und ein Briefkasten für E- Mails zu sehen. Nur einmal im Monat aktualisiert wird bislang der Veranstaltungskalender der Biberacher Lokalausgabe der Schwäbischen Zeitung (http://www.bvd.de/). Das wird sich aber bald ändern: Anfang 1996 wird diese winzige Lokalzeitung komplett online gehen und auch gleich ihr Archiv öffnen. Katja Riefler

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