Weitere „NSU“-CD in Sachsen aufgetaucht: Behörden haben es wieder verpeilt

In Chemnitz hat die Polizei im März eine CD mit Hinweisen auf den NSU beschlagnahmt – und keinen Zusammenhang gesehen. Erst jetzt wurde sie ausgewertet.

Sachsens Innenminister Ulbig begrüßt Schulanfänger. Auch der Verfassungsschutz gehört zurück auf die Schulbank. Bild: dpa

BERLIN taz | Nach dem brisanten Fund einer „NSU/NSDAP“-CD im Bundesamt für Verfassungsschutz hat nun auch das sächsische Innenministerium eingeräumt, in einer Asservatenkammer eine CD mit Hinweisen auf einen gewissen „NSU“ gefunden zu haben. Die CD sei schon am 28. März 2014 bei einer Razzia beschlagnahmt worden, teilte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf Nachfrage der Linksfraktion mit.

Nach Informationen aus Sicherheitskreisen wurde die CD im Rahmen des Vereinsverbots gegen die rechtsextreme Gruppierung „Nationale Sozialisten Chemnitz“ (NSC) bei dem Chemnitzer Neonazi Maik A. gefunden, aber von den sächsischen Behörden erst sechs Monate später ausgewertet und mit bereits bekannten Kopien der „NSU/NSDAP“-CD in Verbindung gebracht. Nach Angaben des sächsischen Innenministeriums liegt der Datenträger nun seit Mitte Oktober dem Bundeskriminalamt zur Prüfung vor.

Der jüngste Fund ausgerechnet in Chemnitz ist insofern bemerkenswert, als Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe nach ihrem Untertauchen zeitweilig in der Stadt im Südwesten Sachsens unterkamen – mit Unterstützung der örtlichen Neonaziszene. Dem NSU wird auch eine Serie von Raubüberfällen in Chemnitz zugerechnet.

Nach dem Verbot der „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ im vergangenen Frühjahr hatten die Behörden insgesamt 15 Wohnungen und einen Szenetreff im Raum Chemnitz durchsucht – und dabei neben Waffen auch Computer, Propagandamaterial und CDs beschlagnahmt. Sachsens Verfassungsschutzchef Gordian Meyer-Plath hatte nach dem Verbot versichert, er sehe keine Verbindungen zum Umfeld des NSU-Trios.

Die Expertin der sächsischen Linksfraktion, Kerstin Köditz, findet das verwunderlich: Sachsens Verfassungsschutzchef Meyer-Plath habe diese These verbreitet, bevor überhaupt die beschlagnahmten Materialien gesichtet worden seien. Ihr sei außerdem „komplett schleierhaft, warum diese CD erst jetzt gefunden wurde“.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte im Oktober eingeräumt, seit 2005 eine CD im Archiv gelagert zu haben, die einen Ordner mit einem Hinweis auf einen „NSDAP/NSU“ enthält. Der im Frühjahr gestorbene Top-V-Mann Thomas R., Deckname „Corelli“, hatte sie der Behörde reingereicht. Der „Corelli“-Affäre soll demnächst ein Sonderermittler im Auftrag des Bundestags nachgehen.

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■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

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■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

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