Mit langem Atem endlich am Ziel

■ Nach 18 Jahren Vorarbeit soll beim Wohnprojekt „Offensives Altern“ endlich mit dem Bau des Hauses begonnen werden / Alte und junge Frauen wohnen gemeinsam

„Bitte schreib nicht Seniorinnen, Damen oder so 'nen Schnickschnack“, meint Doritt. Und Schluß soll sein mit den Klischees von den lieben, netten, aber blöden Omas. „Wir sind alte Frauen, ganz einfach“, schließen sich ihr Uscha und Lore an. Vor 18 Jahren haben sie die Gruppe „Offensives Altern“ mitgegründet, um andere Lebensmöglichkeiten für alte Frauen zu schaffen. Ein Wohnprojekt schwebt ihnen vor, in dem junge und alte Frauen zusammenleben. Gegenseitige Unterstützung im Alltag, beim Einkaufen und bei der Kinderbetreuung, aber auch gemeinsame politische Arbeit soll das generationenübergreifende Wohnexperiment ermöglichen. Ende 1996 soll das Haus stehen. Doch die Vorgeschichte ist nahezu eine unendliche Geschichte.

Warum ein Frauenwohnprojekt? „Es gibt mehr alte alleinstehende Frauen als Männer und mehr alleinerziehende Frauen als Männer“, erklärt Uscha. Mit diesen schlichten demographischen Fakten hat sie schon manchen Skeptiker überzeugt. Doch im Grunde war die Frauenbewegung die Mutter der Projektidee.

Lesben sind im Projekt in der Minderheit. Eigentlich sei es ja unfair, denn Lesben könnten ja mit der Partnerin ins Projekt einziehen, heterosexuelle Frauen hingegen nicht mit Partner, scherzt eine Frau. Denn schließlich sei es ein Frauenwohnprojekt. Das bedeute jedoch nicht, daß Männer im Haus unerwünscht wären – Geliebte, Freunde, Söhne, Enkel, Neffen könnten auch übers Wochenende kommen –, nur wohnen dürfen sie dort nicht.

1982 begannen sie ihre Idee umzusetzen. Vereinsgründung, Anträge bei den Senatsverwaltungen, neue Anträge, Gespräche mit Bezirken und mit Wohnungsbaugesellschaften folgten. Die Zähigkeit hat sich gelohnt. 1989 bot die „Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892“ an, im Rahmen einer größeren Wohnanlage ein Haus für das Projekt zu bauen. Insgesamt sind nun 24 Wohnungen geplant, die zwischen fünfzig und achtzig Quadratmeter groß sind. Wohnungsgrundrisse für Wohngemeinschaften sind bisher mangels Interesse nicht vorgesehen. 16 Wohnungen sind schon vergeben. Für die restlichen werden vor allem jüngere Frauen gesucht. Denn noch bilden die 50- bis 65jährigen und alte Frauen die Mehrheit.

Im äußersten Zipfel von Britz, umgeben von Kleingartenkolonien und Eigenheimen, liegt das Gelände. Der U-Bahnanschluß ist in erträglicher Nähe, nur fehlen erreichbare Einkaufsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite des Grundstücks hat die Genossenschaft schon gebaut: einen Komplex für „Kommunikatives Wohnen“. Hier mischt sich die alte Genossenschaftsidee des gemeinschaftlichen Wohnens mit grünem Innenhof, Platz für Wäscheleinen, Kinder und Nachbarschaftliches mit neueren Vorstellungen von der Überwindung städtischer Vereinzelung. Atriumhäuser sind entstanden, Häuser mit Innenhöfen, die zur verlängerten Wohnung werden sollen.

„Die Genossenschaft hat unser Projekt genommen, weil wir die Idee ergänzen“, erklärt Uscha. Daß ihnen die Ausführung und die Finanzierung aus der Hand genommen worden ist, bereuen die Frauen nicht. Den Architekten haben sie auch für sich gewinnen können: „So erfreut war er anfangs nicht, als ein Haufen Frauen um ihn herum saß mit Sonderwünschen“, erzählt Uscha. „Inzwischen ist es sein Lieblingsprojekt.“ Nach langem Ringen können die Frauen auch auf die Unterstützung der Senatsverwaltung zählen. „Gott sei Dank ist das gerade im Trend.“ Nachbarschaftshilfe wird gefördert, weil längerfristig Geld gespart wird, darüber machen sie sich keine Illusionen.

Die Senatsverwaltung war überzeugt, die Pläne gezeichnet, die Finanzierung des Projekts gesichert. Doch ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, vier Meter hoch, ziemlich häßlich und im Besitz des Bundes, erwies sich als Hindernis. Lange dauerte es, bis der Koloß aus der Zivilschutzbindung entlassen wurde. Stehen bleibt der Bunker allerdings trotzdem – ein Abriß wäre viel zu teuer –, nur kann er jetzt komplett umbaut werden.

Ob denn über das viele Warten auch Frauen aus dem Projekt ausgestiegen sind, frage ich. „Es sind insofern welche ausgestiegen, als sie gestorben sind“, kontert Doritt und lacht. Zwei der aktivsten Projektfrauen waren es – ebenso bitter ist, daß andere Frauen mangels Alternative ins Altenheim ziehen mußten. Auch mehrere junge Frauen mit Kindern mußten sich andere Wohnmöglichkeiten suchen. Wenn jedoch alles gut geht, wird der Kauf in zwei Wochen perfekt sein. Dann kann im Herbst mit dem Bau begonnen werden.

Fünfzehn Monate Bauzeit sind anvisiert, „das ist eine gute Zeit, um sich gegenseitig kennenzulernen“, meint Uscha. „Wenn wir nichts miteinander anfangen könnten, bräuchten wir auch nicht zusammenzuziehen“, ist Lore überzeugt. Sie ist mit 80 Jahren die Älteste im Projekt. Doch nach so langem Hin und Her ist es nicht einfach, plötzlich alle Zelte abzubrechen. Uscha träumt: „Wenn ich das Projekt um mich rumbauen könnte, würd ich das glatt machen.“ Doris Maassen

Am heutigen Samstag, 15.30 Uhr, im Nachbarschaftsheim Mittelhof, Königstraße 43 (Zehlendorf), können sich Interessentinnen über das Wohnprojekt informieren.

321 37 88 Büro; oder 823 41 92 Uscha