Vertriebenen-Blatt wird beobachtet

Zeitschrift der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ wettert gegen „negroide Verbindungen“ und „jüdische Vergangenheitsbeschwörer“ / Jetzt observiert der Verfassungsschutz  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – Fritz, die Zeitung der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ wettert gegen „jüdische Vergangenenheitsbeschwörer“, „Überfremdung“ und „Umerziehung“, das Vertriebenenblatt bezeichnet Schwarze als „Neger“ und „Sexprotze“. Lange hatte das Bundesinnenministerium dem Organ der Jugendorganisation der „Landsmannschaft Ostpreußen“ einen Persilschein ausgestellt. Das ist jetzt vorbei. Zum ersten Mal wird damit eine Publikation einer Untergliederung des „Bundes der Vertriebenen“ (BdV) vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Im Hause Kanther hat man „tatsächliche Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen festgestellt. Dies geht aus der Antwort von Innenstaatssekretär Lintner auf eine Anfrage der PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke hervor.

Knapp 1.000 Mitglieder zählt die 1991 gegründete „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“ (JLO). Sie sind angetreten, für die „Wahrung und Vollendung der nationalen Einheit aller Deutschen“ zu wirken. „Geschichte wiederholt sich nicht, aber die Geschichte kennt auch keinen Schlußstrich“, lautet der JLO-Wahlspruch. Das Verbandsorgan Fritz erscheint monatlich in einer Auflage von 5.000 Stück. Die „Junge Zeitung für Deutschland“ nimmt dabei kein Blatt vor den Mund, wenn es um rassistisches und antisemitisches Gedankengut geht. „Haben die Bewohner von Rostock ein Recht auf Bewahrung ihrer Heimat, oder müssen sie sich damit abfinden, daß an der nächsten Straßenecke der Balkan beginnt“, fragt Fritz-Autor Alexander Preuß in der November-Ausgabe 1992. Die Antwort folgt auf dem Fuß: „Unverschämte Gäste kann man auch vor die Türe setzen“, schließlich gelte es, sich der „Völkermischung“ zu erwehren. In anderen Ausgaben beklagen die Autoren die „negroiden Verbindungen“ deutscher „Töchterchen“ und deren „bunten Nachwuchs“. Der Zweite Weltkrieg ist für sie „vor allem gegen das deutsche Volk“ und gegen die „preußische Kultur der Wehrhaftigkeit und des Widerstands gegen fremde Herrschaft“ gerichtet.

Solche Töne sind kein Wunder angesichts der politischen Herkunft der Fritz-Autorenschaft und der JLO-Führungsriege. Michael Paulwitz, regelmäßiger Autor in Fritz und bis vor einem Jahr im JLO-Bundesvorstand noch zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, ist Mitglied der rechtsextremen Münchner Burschenschaft „Danubia“ und schwang seine Feder bereits für Criticon und die Junge Freiheit (JF). Beim letztjährigen „Deutschlandtreffen der Ostpreußen“ in Düsseldorf durfte er die „Feuerrede“ halten. Ansgar Graw, bis vor kurzem noch stellvertretender JLO-Bundesvorsitzender, schreibt für Criticon und hievt neurechte Autoren in die Zeitschrift Das Parlament. Bei einer ersten Anfrage im Dezember letzten Jahres verneinte das Bundesinnenministerium noch das Vorliegen von Anhaltspunkten für rechtsextreme Bestrebungen. Dagegen gab man zu, eine Tagung der JLO mit dem stellvertretenden JF-Chefredakteur als Referenten unterstützt zu haben mit Mitteln aus dem Fonds für „kulturelle Breitenarbeit“.

Solche Förderung kann JLO- Chef Rüdiger Stolle wohl für die nächste Zeit abschreiben. „Sicherlich ist das eine oder andere unglücklich ausgedrückt“, entschuldigt er die verbalen Ausfälle des Fritz. Daß die JLO „mit aller Kraft staatstragend“ sei, will er jetzt in einem Gespräch mit dem Verfassungsschutz klären. Wilhelm von Gottberg, Vorsitzender der JLO- Mutterorganisation „Landsmannschaft Ostpreußen“ und Interviewpartner der JF, will auf einer JLO- Vorstandssitzung die Verantwortlichen zur Rede stellen und veranlassen, daß jede zukünftige Ausgabe von Fritz gegengelesen werde.

Inzwischen hat das Bundesinnenministerium den Präsidenten des Bundes der Vertriebenen (BdV), Fritz Wittmann, „gebeten, seinen Einfluß geltend zu machen“. Das habe dieser auch zugesagt, betonte Staatssekretär Lintner. „Wenn unser Präsident etwas versprochen hat, dann hält er es auch“, kommentierte BdV-Pressesprecher Walter Stratmann gegenüber der taz die Stellungnahme des Innenministeriums einsilbig.

Meint der BdV-Chef sein Versprechen ernst, dann wartet noch eine Menge Arbeit auf ihn. Im Ostpreußenblatt, dem offiziellen Organ der „Landsmannschaft Ostpreußen“, publizieren ungestört rechtsextreme Autoren. Das Blatt druckt Anzeigen wie „Kriminelle Zigeuner – Raus aus Deutschland“ und wirbt für rechtsextreme Aktivitäten in Kaliningrad. In der jüngsten Ausgabe der vom Verfassungsschutz eindeutig als rechtsextrem eingestuften Zeitschrift Nation und Europa ist ein achtseitiger Grundsatzartikel zu finden. Darin wird der „Mut zur geschichtlichen Wahrheit“ gefordert, und bestehende Grenzen werden als „Übergangslösung“ bezeichnet, die bei einem Scheitern der Vereinigung Europas zur Debatte gestellt werden müßte. Der Autor ist Paul Latussek, stellvertretender Vorsitzender des BdV.