Bremens „Piepmatz-Affäre“

Bremer Ampel zerbricht an der Ausweisung von Vogelschutzgebieten durch grünen Umweltsenator / Wedemeier für vorgezogene Neuwahlen  ■ Von Dirk Asendorpf

Die Bremer Ampelkoalition ist am Ende. Nach einer Rücktrittsforderung der FDP an den grünen Umweltsenator Ralf Fücks deutet jetzt alles auf vorgezogene Neuwahlen hin. Direkter Anlaß für den Bruch der einzigen westdeutschen Koalition aus SPD, FDP und Grünen ist die Bremer „Piepmatz-Affäre“. Die Behörde des grünen Umweltsenators Ralf Fücks hatte ohne Beteiligung von Landesregierung und Bürgerschaft sieben Bremer Gebiete, die zum Teil unter Naturschutz stehen, bei der Europäischen Union als Vogelschutzgebiete angemeldet. In der Sache steht Fücks weiterhin zu dieser Maßnahme, im Verfahren wirft er sich mittlerweile einen „gravierenden Fehler“ vor. Mit dem Alleingang seines Ressorts habe er gegen die Landesverfassung verstoßen. „Es gibt Grund für Selbstkritik, nicht aber für einen Rücktritt.“

Während die FDP den Fall zum Anlaß genommen hat, die Zusammenarbeit in der Ampelkoalition aufzukündigen, steht die SPD weiterhin zu Fücks. Bürgermeister Klaus Wedemeier erklärte, er halte die Erklärungen des grünen Senators für ausreichend. Die SPD-Landtagsfraktion hatte bei einer Probeabstimmung am Montag abend das von der CDU eingebrachte Mißtrauensvotum abgelehnt. Für eine Fortsetzung der Koalition von SPD und Grünen ohne die FDP reichen die Bremer Mehrheitsverhältnisse allerdings nicht. So gehen denn alle Fraktionen inzwischen davon aus, daß es zu einer Selbstauflösung des Bremer Landesparlaments und damit zu vorgezogenen Neuwahlen kommen wird.

Der jetzige Bruch der Ampelkoalition kam zwar unvorhergesehen, das Ende der Zusammenarbeit von SPD, FDP und Grünen jedoch nicht. Längst zeichnete sich ab, daß die FDP nicht innerhalb einer Koalition mit den Grünen in den Wahlkampf ziehen will. Zu sehr war sie zunehmend unter den Druck der Bremer Wirtschaftslobby geraten.

Zusätzlich fühlt sich FDP seit Januar von einer neugegründeten Wählerinitiative unter dem Titel „Arbeit für Bremen“ bedroht. Prominente SPD-Mitglieder um den Bremer Sparkassen-Direktor Friedrich Rebers wollen mit dieser Initiative ein „wirtschaftsfreundlicheres Klima“ in der Stadt durchsetzen. Außerdem soll verhindert werden, daß die zehn Milliarden Mark, die Bremen in den kommenden Jahren als Sanierungshilfe des Bundes zur Verfügung stehen, „in rot-grüne Hände geraten“. Damit konkurriert die Wählerinitiative um die gleichen Stimmen wie die FDP, die in Bremen 1983 schon einmal an der Fünfprozenthürde gescheitert war. Schnelle Neuwahlen kämen der Initiative „Arbeit für Bremen“ allerdings ungelegen, immerhin hat sie gerade erst begonnen, ein Programm zu formulieren.

Für die SPD spricht hingegen alles für Neuwahlen. Auf diese Weise kann sie weitere Auseinandersetzung über die eigene programmatische Schwäche verhindern. Und so kündigte Bürgermeister Klaus Wedemeier denn auch schon am Montag seine Zustimmung zu Neuwahlen an.

Schon im Herbst 1991, kurz nach dem Beginn der Bremer Ampel, hatte sich gezeigt, daß es in wesentlichen Fragen keine gemeinsame Grundlage für das Parteienbündnis gab. Während der grüne Politiker Ralf Fücks kurz nach der Wahl die Ampel noch als ein „Bremer Laboratorium für neue Ideen“ bezeichnet hatte, glaubt er inzwischen längst nicht mehr an den damals beschworenen Erfolg einer „Verbindung aus ökologischen, liberalen und sozialen Politikansätzen“.

Denn statt der erhofften „Verbindung ökologischer und liberaler Politik“ knirschte es in der Bremer Ampel immer wieder heftig zwischen dem FDP-Wirtschaftsressort und dem grünen Umweltsenator. Während Umweltsenator Fücks sich für die Wiederverwendung brachliegender innerstädtischer Gewerbeflächen warb, wollte der Wirtschaftssenator möglichst neue Gewerbegebiete durchsetzen. Heftig umstritten blieben in der Ampel darüber hinaus auch die Verkehrspolitik in der Innenstadt, der Bau einer Autobahnumgehung und der Ausbau des Bremerhavener Container- Hafens.

Bereits bei der ersten wichtigen Streitfrage fand die Ampel keinen Kompromiß. Nur mit seinem Veto konnte der grüne Umweltsenator Mitte 1993 den Plan von SPD und FDP stoppen, eine Wiese am Stadtrand, die sogenannte Hemelinger Marsch, als Gewerbegebiet auszuweisen. Genau dieses Gebiet hat nun den Koalitionsbruch heraufbeschworen, weil es von der Umweltverwaltung unter Vogelschutz gestellt wurde.