Zappa allein zu Haus

„Civilization Phase III“, die als Vermächtnis angekündigte, „letzte“ Zappa-Platte, bringt den Humor der Sechziger mit der Technik der Neunziger zusammen – und ist trotzdem ein einsames, kulturpessimistisches Alterswerk  ■ Von Diedrich Diederichsen

Wenn der Kulturpessimist – sei es der adornitische oder der posthistorisch- reaktionäre – erzählt, hat er einen Ort außerhalb dessen eingenommen, dessen Niedergang er beschreibt. Wenn es die Kultur ist, die den Bach runtergeht, spricht er im Namen ihrer Vergangenheit oder der Kunst, immer öfter auch der Natur. Eine Fülle von Tendenzen äußerst unterschiedlicher Art einer Gesamttendenz „der Kultur“ zuzurechnen ermöglicht überhaupt erst, den großen einzelnen zu rekonstruieren, der als Genie immer wieder und immer nicht gebraucht wird. Fröhliche „Genies“ werden als frivol zurückgewiesen.

Für Frank Zappa hat es an dem Ort, von dem aus er den Niedergang dekretiert, schon lange keine Gemeinschaften mehr gegeben, und mit dem Prinzip der Band hatte er schon immer führungsstilistische Schwierigkeiten. Um so erstaunlicher, daß es in „Civilization Phase III“, diesem „Opern“/„Ballett“/„Hörspiel“-Projekt, eine Gemeinschaft von Leuten ist, die sich vor dem Niedergang versucht, in Sicherheit zu bringen – wobei nie ganz klar wird, ob sie nicht auch eines seiner Symptome vertreten.

Bezeichnend ist ihr Fluchtort: ein Piano – nicht nur geräumiger Kulturträger einer von Bach endlich ausgerechneten, über sich selbst aufgeklärten, „wohltemperierten“ abendländischen Musik, sondern auch das in Sachen Universalität unmittelbare Vorgängermodell zum Computer. Die Bewohner sagen sich zwar immer zuerst, daß es kein Hotel, dann kein Computer ist, in dem sie leben, sondern ein Piano. Doch wird bald klar, daß Zappa seinen monumentalen Zivilisationskommentar um zwei Stufen der Mathematisierbarkeit von Musik angelegt hat.

Wenn man zusammennimmt, daß Freuds „Unbehagen in der Kultur“ auf englisch „Civilization and its Discontents“ heißt; daß die dritte Phase normalerweise die letzte ist; die Plattenfirma Zappas letzte Platte (eigentlich die erste posthume und garantiert nicht die letzte solche) offensiv als Die Letzte verkauft, dann kann man, wenn man darüber hinaus Zappas in seinen letzten Lebensjahren zusehends windiger kulturpessimistisch werdende Statements zum Verfall von diesem und jenem kennt, davon ausgehen, daß der gegenwärtige Trend, Politik zu kulturalisieren und dann dem allgemeinen Verfall in der Kultur (=Civilization) zuzurechnen, auch hier seine Doppel-CD gewordenen, posthumen Urständ feiert. Schließlich war Zappa der erste Gesamtkulturkritiker überhaupt gewesen, den die erste Pop-Generation hervorgebracht hatte, der erste, der auf das Ganze der Hippie-Kultur sah und sich darüber lustig machte – allerdings nicht so eindeutig „zynisch“, wie ihm immer nachgesagt wurde, sondern durchaus in Solidarität mit den Utopien, die er scheitern sah: Die Form des „Freak Out“ war ja genau die formale Umsetzung aller Ziele der Befreiung, die sich daher besonders auch als dialektisches Vehikel der (Selbst-)Kritik eignete.

Es wäre logisch, von ihm ein Resümee zu erwarten, das all diejenigen seiner Altersgenossen befriedigt, die mit der Aufgabe aller radikalen (und meist auch der moderaten) kritischen Positionen ihren Frieden gemacht haben und ihre Jugend nur noch mit einem anthropologisch zu erklärenden Stadium eigentümlicher Säftemischung erklären.

Es ehrt Zappa, daß er sich diese Berechenbarkeit nicht leistet. Da er ja schon am Anfang die skeptischste Position einnahm, wäre es (und war es in vielen Fällen seiner Kommentare der letzten Jahrzehnte auch) nur zu unbefriedigend, daran zu erinnern, daß er es immer schon gewußt hat.

Zappa griff für die Doppel-CD „Civilization Phase III“ auf ein paar untergegangene Tapes aus den legendären Aufnahme-Sessions in den Apostolic Studios von 1967 zurück, bei denen unter anderem „Ruben and the Jets“ und vor allem „Uncle Meat“ entstanden. Er hatte Mikrofone in einem Klavier untergebracht und die Musiker, die damals mit ihm aufnahmen, sowie andere herumlaufende Hipster – darunter der legendäre Spider Barbour von den legendären, vergessenen, unterbewerteten Chrysalis – gebeten, in das Piano hineinzukriechen oder sich hineinzulehnen und irgend etwas in ein von Zappa konstruiertes Mikro- Set-Up zu einem Thema zu sabbeln, das Zappa über das Studio- Mikro vorgeben würde.

Einige Fetzen dieses Gelabers konnte man auf Zappas erster Solo-LP „Lumpy Gravy“ hören. Einer davon, eine tiefe, leicht eiernde Stimme, die mehrfach „Merry Go Round“ in einem ironischen Ton wiederholt, findet auch gleich am Anfang von „CIII“ Verwendung. Zappa hat den alten Dialog und neue, nunmehr digital 1991 in einem Bösendorfer aufgenommene, diesmal multilinguale Gesprächsruinen, gesprochen von Familienmitgliedern, Musikern des Ensemble Modern und anderen, miteinander kombiniert und zwischen musikalische Pieces gesetzt, die das Ganze als Oper/Hörspiel/Ballett-mit-Text formieren und auch zu Reproduktion und Aufführung einladen: Bühnenbild, Rollennamen etc. sind alle noch von Zappa vorbereitet worden.

Die Musik zwischen den Sprechpassagen klingt, wie ein vorbeikommender Kollege ganz zu Recht bemerkte, „wie eine Mischung aus ,Uncle Meat‘ und ,Jazz From Hell‘“, dabei belasse ich's erstmal auch. Details folgen später. Zunächst will ich kurz klären, wo ich im Universum der Zappa- Freunde stehe, damit Fanatiker anderer Richtungen nicht weiterlesen müssen.

Einerseits ein Anhänger der weit verbreiteten Richtung, derzufolge alles Wesentliche bis „Weasels Ripped My Flesh“ (1970) gesagt war, konnte ich unter anderen Prämissen auch die Flo-&-Eddie- Phase, „Hot Rats“ – wg. „Peaches in regalia“ –, die ganz trüben sexistischen und sonstwie peinlichen Platten zwischen „Overnite Sensation“ und „Apo'strophe“, auch manchen Jazz-Rock zwischen „Grand Wazoo“ und „Waka Jawaka“, aber außer diesen eigentlich in den folgenden knapp 20 Jahren seines Schaffens nur noch „Jazz From Hell“ oder das eine oder andere Orchester-Piece schätzen. Also einerseits verselbständigte Comedy auf Frühsiebzi

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ger-Alternativkneipen/Programmkino-Niveau, weil es mehr als alte Otto-Sketche oder Arrabal-Retrospektiven rüberbringt, was ein ganzes Universum von Hipstern einst für unbezahlbaren Tabubruch hielt (und dieses ultratypisch Dokumentarisch/Bezeichnende transzendierte sich schon damals selbst zu etwas Klassisch- Popmäßigem); andererseits natürlich alles, was musikalisch an die großen Kompositionen von „Uncle Meat“, „Weasels...“, „Freak Out“, „Absolutely Free“ und „Lumpy Gravy“ heranreichte – die man ja auch nie wegen der reinen Musik schätzte, sondern wegen ihrer einmaligen Sprünge zwischen den Codes.

Während der von den frühen ambivalenten Sketches auf „Absolutely Free“ oder „We're Only In It For The Money“, oder den beiden Platten mit Flo & Eddie und „200 Motels“ vertretene Zappa nach jenen archetypischen Siebziger-Jahre-Studentenplatten unrecycelbar tot schien, allerspätestens seit „Joe's Garage“ nur noch von Idioten, die das Wort „Bürgerschreck“ und das „Jazz is not dead, it just...“- Zitat auf ihrer Toilette in einer Schatulle aufbewahrten, ertragen werden konnte, schien durch Platten wie „Jazz From Hell“ der „Musiker“ Zappa, jenseits von Selbstplagiat, Mainstream-Rock und Zwangshumor, immer wieder revitalisierbar.

Wenn also Zappa-Fans wie ich einen Wunsch frei gehabt hätten für diese Platte, hätte er geheißen: Der Humor der Sechziger plus eine auf die Höhe von Zappas so geliebter Synclavier-Technologie gebrachte Instrumental-Musik aus der Tradition von „Uncle Meat“. Exakt dieser Wunsch ist mir nun erfüllt worden, und ich werde begründen müssen, warum ich das Bestellte – zumindest teilweise – zurückgehen lassen muß.

Eineinhalb Stunden Musik, zwanzig Minuten teilweise zufälliger, teilweise zu „Handlung“ oder surrealen Gesprächen von Bewohnern eines Pianos verdichteter Dialog bieten ausführlich Gelegenheit, sämtliche, und zwar sämtliche von den besseren Zappa-Ismen, noch einmal zu studieren.

Zunächst könnte man das Szenario von den Klavierbewohnern – wie bereits angedeutet – als Allegorie lesen: etwa auf das Synclavier, das Zappa benutzt und in dem ja tatsächlich all die von echten Musikern des Ensemble Modern gespielten Klänge gesampelt wohnen; oder auf alle möglichen Gesellschaftsmodelle; oder auf Civilization and its discotheques. Tatsächlich ist das Szenario als allegorisches kohärenter als – sagen wir – „Billy the Mountain“, das großartige und unterschätzte „The Adventures Of Gregory Peccary“ (von „Studio Tan“, '72 aufgenommen, '78 veröffentlicht) oder „200 Motels“.

Aber gerade das ist natürlich unerträglich: Hinweise dieser Art – etwa wenn jemand ruft: „This is a piano not a computer“ (was übers „Synclavier“ auch immer gesagt wird) – überhört man gerne. Der Vorstellung, Szenarien dieser Art als etwas anderes denn als Anlässe für die Entfaltung gewisser Talente oder Witze zu benutzen, wußte Zappa ja früher gerade durch Zweideutigkeit und rechtzeitig eingesetzte Entkräftung der Kohärenz durch Schnitte zu begegnen. Auf den erlösenden, unterbrechenden Ruf: „Suzy Creamcheese, what's got into you?“ wartet man hier vergeblich. Was sich von der Metaphorik noch verwandt anhört mit Surreal-Scherz-Spielbildern wie „Prelude to an Afternoon of a Sexually Aroused Gas Mask“ entpuppt sich immer öfter, wenn auch zum Glück nie vollständig, als – tatsächlich – szenisches Räsonment über „unsere Kultur“.

Man kann über die Ästhetik der Hörspielpassagen reden, auch wenn sie insgesamt nur ein Sechstel der Doppel-CD ausmachen. Stehen sie am Anfang kürzeren Musikpassagen gegenüber, verschwinden sie jeweils gegen Ende eines Aktes (=einer CD) unter zwanzigminütigen Suiten („N-Lite“, „Beat The Reaper“, „Waffenspiel“). Vorher folgen sie in ihren besten Momenten jener spontanen, aber gelangweilten, coolen, aber leicht dümmlichen Hipster-Redeweise, die man von alten Zappa-Platten als inkohärente Unterbrechungen kannte und die ja auch die Vorlage bzw. das Ur-Material für dieses Werk abgaben.

Die neuen Passagen wirken dagegen arg inszeniert und auf kleine inhaltliche Ideen hin zugespitzt. Das ist nicht nur trübe, weil das weniger dem Gefühl entspricht, das einem Musik und O-Ton für die „Piano-People“ und den Humor der „Meat“-Sessions haben entwickeln lassen. Die damalige Hörspiel-Ästhetik wurde von „We're Only In It..“, „Lumpy Gravy“, „Uncle Meat“ etc. durchaus aufgegriffen und in Pieces wie der Kafka-Vertonung „The Chrome-Plated Megaphone of Destiny“, dem „Return of the Son of The Monster Magnet“ oder dem erwähnten „Prelude to an Afternoon...“ überholt und in einen historisch gerechtfertigten und nötigen zweiten, elektronischen (Westcoast-)Dadaismus überführt, dem fälligen Mix aus Pynchon und Spike Jones, Fluxus und Toontown.

Heute bleibt der Hörspielanteil natürlich klar hinter dem zurück, was für HipHop-Acts wie allen voran KMD („Mr. Hood, Mr. Hood, Mr. Hood“), aber auch vom Wu Tang Clan bis zu den mittleren Public Enemy unter vielen anderen das täglich Brot der CD-Produktion ist. Trotz digitaler Soundverarbeitung scheint der späte Zappa eine viel weniger collagenhafte Einstellung zum Soundbite zu haben als der analog produzierende und noch Instrumentalklänge durch Bandmanipulation modifizierende frühe Zappa. Daß man in einem ornamental-üppigen Großpiece wie „Beat the Reaper“ die durch Geschwindigkeitsmanipulation hochgepeitschten Quiekstimmen von Roy Estrada aus „Dog Breath...“ als gesampelte Klangquelle zumindest wiederzuerkennen glaubt, bleibt ein eher seltenes Erlebnis. Sonst wird alles – Wort, Ton, Bedeutung, Klang – fein auseinandergehalten.

Der erste Akt ist ganz, der zweite zu siebzig Prozent mit dem Synclavier eingespielt worden, einem Gerät, das mit „elektronisch fotografierten“, gesampelten Klängen arbeitet, hier in der Regel mit vom Ensemble Modern oder anderen Musikern eigens eingespielten, wie mir scheint, nicht oder selten mit vorgefundenen Quellen. Das entspricht auch der Produktionsweise von „Jazz From Hell“, funktioniert aber ganz anders als dort, wo das Rohmaterial von Rock- und Jazzmusikern stammte: Es leistet zwar keinen Widerstand, läßt sich aber in Großformen natürlich varianten-, facetten- und ideenreich ausbreiten. Solange sich jedoch keine hektischen Bubblegum-Drums, „lustige“ Stimmen, schlechte Witze und andere Trivialitäten daran reiben, wird diese Musik zu einer weiteren Form ehrgeiziger Klangorganisation, wie sie seit den zwanziger Jahren denkbar und modern gewesen wäre und sich im Unterschied zu – sagen wir – Varèse nur einer natürlich unendlich vergrößerten Klangfülle bei radikal bequemeren Aufführungsmöglichkeiten erfreuen kann.

Diese wirken natürlich auch auf die Interessantheit der Sounds zurück, die bei den oft überlangen – passagenweise immer wieder sensationellen, reichhaltigen; aber die Quantität übersetzt sich nicht in Qualität – Kompositionen hier nicht besonders ausgeprägt zur Geltung kommen. „Lustige“ Klänge – im Spike Jonesschen Sinne, der für Zappa ja weitgehend mit maßgeblich war für das Verständnis musikalischer „Codemischung“ – erhält man natürlich nur in Nachbarschaft zu bekannten, konventionellen oder zwingenden: durch Verzerrungen. Wenn aber nichts der Ausgangsklang ist, gibt es auch keine Verzerrung mehr.

Zappas Vorliebe für „spitze“ – konventionell zwischen Glockenspiel, Vibraphon und dergleichen liegende – Unisoni, „irre“ Klänge im Umfeld der Klarinette verselbständigen sich so wie die Palette eines Malers zum Markenzeichen. Zwar fängt er mehr denn je mit dem Material an, man könnte mit gewissem Recht sagen, daß dies tatsächlich die ausgeführtesten, abwechslungsreichsten Zappa- Kompositionen sind, aber sie verharren in einem Code ohne Reibung mit der geschichtlichen Gewordenheit des Materials. Philosophisch könnte man einwenden, zu Recht, wo es doch seit Derrida und Digital Recording eh kein Originalmaterial gibt, politisch/soziologisch falsch, weil Klänge weiterhin, wenn nicht mehr denn je, über soziale Funktionen und Konventionen organisiert und codiert sind.

Mir kommen diese Kompositionen vor, als hätte Pollock überlebt, hätte zwanzig Jahre genervt, geschimpft und schlechte Pop-art gemacht und dann in den letzten Lebensjahren zum Abstract-Expressionism zurückgefunden, nur um jetzt seine Drippings auf dreißigfacher Größe und digital erzeugt weiterzuführen. Sicherlich reizvoll für eine Ausstellung, aber keine Lösung für die Probleme seines Werks.

Zappa hat sich zwanzig Jahre damit beschäftigt, fade Witze über anderer Leute Dummheit zu machen, sich über die Supermarkt- Kultur der USA, die Niveaulosigkeit des Top-40-Radios und die Verdorbenheit von Valley Girls aufzuregen. Daß das eigene kulturelle Gegenmodell einem über so viel Selbsterhebung über leichte Gegner verlorengehen muß, erinnert an Fälle wie Eckhard Henscheid, der sich so lange über Luise Rinser, Gerhard Zwerenz, seine mangelnde Anerkennung als Dichter und „Dummdeutsch“ aufgeregt hat, bis er nur noch Jargon, umgeben und ermuntert von einer Plagiatorengefolgschaft aus Stadtzeitungsfeuilletonisten, produzieren konnte, weil er nicht mehr wußte, von wo aus er eigentlich sprach.

Zappas mehrspuriges Talent, sein ursprünglich nie eindeutig denunzierender Geist, hat sich fixiert und so ein Modell von sublimer E-Kultur als idyllisches Refugium vor den Banalitäten des kalifornischen way of life erbaut, zudem vom einsam bedienten, aber potentiell universellen Zugriff einer digitalen Wundermaschine unterstützt, das ihn von den Korrektiven durch Szenen, Bewegungen, Kollegen abgekappt hat und als bloßes Gegenmodell, das von seiner Notwendigkeit nichts mehr wußte, natürlich steril werden mußte.

Gerne wird Zappa – zum Beispiel von den Ensemble-Modern- Leuten oder neulich der Titanic – als ein der tumben Rockmusik gegenüber erhabener Geist geschildert. Diese Leute kennen natürlich weder Tortoise noch Timber, weder Gastr Del Sol noch The Sea And The Cake oder die neuen Red Krayola, wo ja exakt das aus heutiger Sicht fortgesetzt wird, was Zappa einst begonnen hat. Unter vielen anderen Prämissen gilt bei diesen Leuten zum Beispiel: Auch kompliziertere Klangfolgen in bezug auf ihren immer schon vorhandenen Bedeutungsgehalt hin behandeln, Komik von Klangfarben in bezug auf konventionelle Klänge (was sind heute Klangkonventionen? Auf „Jazz From Hell“ wußte auch Zappa das noch.) untersuchen; auch nicht musikalisches Material in einem musikalischen Sinne behandeln. Alle Techniken der Klangorganisation, die die E-Musik kennt, anwenden, ohne deren autonomes Gebaren zu übernehmen, sondern im Hinblick auf Bewegungen, Szenen, Subkulturen, soziale Realitäten. Mit einem Wort: Codes mischen, gegeneinander ausspielen. Sprachen bestehen nicht nur aus Worten und Wörtern, sondern auch aus Satzzeichen, Shiftern, Typographie etc.

All das hat Zappa einst für Pop eingeführt bzw. intensiviert, sein Name hat lange dafür eingestanden, noch De La Soul mußten sich nach ihrer ersten Platte immer wieder Zappa-Vergleiche gefallen lassen, obwohl sie nie einen Ton von FZ gehört hatten. Als er – nach all den Rock-Pop-Jahren – gegen Ende seines Lebens diese Seite seiner Musik wieder aufgenommen hatte, war es für jene Anbindung zu spät, er konnte sich nur noch in der Logik eines Genie-mit-Werk inszenieren, das gegen den Rest der schnöden Welt stand.

Einem solchen Genie leisten die Klänge, zumal wenn sie in einem Synclavier wohnen, keinen Widerstand: Seine Virtuosität verpufft, enorm gesteigert, im Universum der Kunst. Musikalisch ist auf „Civilization Phase III“ mehr los als auf allen anderen Zappa-Platten – und das ist eine Menge; aber alles in nur einem Code – und das ist zu wenig.