Durchs Dröhnland
: Kein bißchen Grunge. Und das ist doch nett

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Selten eine Band gehört, die fies schabende Geräusche so selbstverständlich in einen massenkompatiblen Kontext einbaut. dEUS kommen aus Belgien, aber das hilft auch nicht weiter. Eher stehen sie in der Tradition New Yorker Avantgarde-Rocks, und in manchen der vielen leisen Momente könnten sie gar als eine auf den zeitgemäßen Punkt gebrachte Version von Velvet Underground durchgehen. Doch dabei bleibt's nicht, homogen fügen sich Sprechblues oder Punkausbrüche ein. Und das lockere Hintupfen erinnert an Pavement. Das Quintett versucht wie viele andere, einen Ausweg zu finden aus der verfahrenen Situation des Undergroundrock im Zeitalter seiner kommerziellen Verwertbarkeit. Aber dEUS gehören zu den wenigen, die ihn – scheint's – gefunden haben. Einen sehr persönlichen dazu.

Heute, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–1114, Neukölln.

Es gab einmal ein kleines Berliner Trio namens Stan Red Fox mit einem kleinen verrückten Sänger und Trompeter namens Lars Rudolph. Als X.I.D hat sich die Rhythmusgruppe endgültig von Rudolph emanzipiert, sich mit Heiko Schramm noch einen geholt, der den halben Ost- Underground durchlaufen hat, und spielen nun mal hymnischen, mal vertrackten Rockpop, der auch schon mal crossovert, mal funkt, mal metalt. Das hört sich jetzt durchdachter an, als das Ganze klingt, auch wenn hier versierte Musikanten am Werk sind, die nur manchmal zuviel auf einmal wollen.

6.11., 21 Uhr, Huxley's Jr.

Count Basic ist das fast schon parodistisch distinguierte Soul- Projekt des Kärntner Gitarristen Peter Legat. Der hat als Jazz-Musiker promoviert und eine erkleckliche Anzahl einschlägiger Größen rekrutiert, darunter die watteweiche Stimme von Kelli Sae. Produziert hat der Galliano- Bassist Ernie McKone, Galliano selbst war ganz angetan. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Das hat mit Heurigen nicht das Mindeste am Hut, aber dudelt so entspannt daher, daß James Taylor der Schweiß auf der Stirn steht.

7./8.11., 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg.

Ian Broudie war immer der Mann im Hintergrund, einer, der ein Delphin geworden wäre, wenn er die Wahl gehabt hätte. Ganz ganz früher hat er mal Gitarre gespielt in einer Band, bei der jener Holly Johnson sang, der dann doch nie bis nach Hollywood kam. Schließlich zog er sich völlig zurück und stand nur mehr hinter dem Mischpult für Echo & the Bunnymen, The Fall, die Pale Fountains oder Colourfield. Und dann erfand er den hübschen Namen The Lightning Seeds und rettete im Alleingang die englische Popmusik, auch wenn das kaum jemand mitbekommen hat. Das sehr Private war der einzige Fehler an seinem Pop-Entwurf, die Musik selbst war und ist immer noch perfekt. Aus Liverpool kommend, atmet sie natürlich die Beatles (vor allem deren verkünstelte Geigenphase) oder auch die Kinks. Ist immer klassisch, immer hingehaucht, immer wollüstig arrangiert, ohne aufgeblasen zu wirken. Schlicht zu intelligent, um das Radio zu dominieren.

9.11., 21 Uhr, Huxley's Jr.

Wir sind derselbe Jahrgang, aber Vicki Vomit ist in Erfurt geboren, deshalb kann er viel besser sächsisch. Was ihm bei seinem veritablen Mitgrölhit „Arbeitslos und Spaß dabei“ sehr dienlich war. Der Rest seiner Lieder ist nicht anders, wenn auch nicht immer sächsisch: Dumpfbackenrock mit rüdem Humor, an dem nicht stört, daß er sich mitunter unter der Gürtellinie bewegt. Das Zeug ist einfach nicht witzig. Songtitel gefällig? „Jeanette hat Pickel“, „Durchfall im Weltall“.

9.11., 20 Uhr, Café One Way, Choriner Straße 35, Prenzlberg.

Zu zwei Dritteln GI-Kinder sind die Prophets of Rage aus Kaiserslautern, ihr HipHop mißt sich so eher an den US-Vorbildern als an der deutschen Szene. Dabei glänzen sie nicht gerade durch neue Ideen, sondern eher durch eine versierte Umsetzung von alten Errungenschaften. In den schönsten Augenblicken blinzelt DC Basehead entspannt über ihre Schulter.

10.11. mit Megavier, Metropol, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.

Weit entfernt von ihren Anfängen als freundlich dilettierende Velvet-Epigonen haben sich inzwischen die Kastrierten Philosophen. Die Münchener Band um das Traumpaar des deutschen Undergrounds Katrin Achinger und Matthias Arfmann hat statt dessen einen hochbelesenen Überbau zusammengetragen, der im neuen Album „Souldier“ gipfelt, das sich als Soundtrack eines noch zu drehenden Filmes versteht. Für die Melange aus besinnlichen Elementen und Power-Pop nutzt Arfmann seine lange Erfahrung als Produzent weidlich aus. Jetzt, wo Philip Boa den Metal entdeckt hat, könnten die Philosophen durchaus die vakante Stelle übernehmen. Und ein Herrscherpaar ist ja auch viel sympathischer als ein König.

10.11., 20.30 Uhr, im Marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg.

In den beiden letzten Ausgaben des Fanzines Glitterhouse (schon lange im Howl aufgegangen) fand sich eine monumentale Serie über die Hoodoo Gurus. Eine Band, die damals – nach drei LPs – und seitdem eigentlich kaum aufgefallen ist. Aber auf diesen insgesamt sieben Seiten ließ sich am Werdegang der Bandmitglieder über mannigfaltige Querverbindungen problemlos nahezu die gesamte Historie des australischen Gitarrenrocks nachzeichnen, der damals kurz und heftig boomte. Um so trauriger, daß die inzwischen sechste Platte der Hoodoo Gurus von ihrer Plattenfirma als „die trashige Variante von Midnight Oil“ verkauft wird. Mal abgesehen davon, daß diese beiden Bands außer der gemeinsamen Heimat gar nichts gemein haben, daß die Gurus schon Musik gemacht haben, als bestimmte Glatzköpfe noch in der Wiege schunkelten, haben sie das einfach nicht verdient. Im Gegensatz zum Studentengesäusel von Midnight Oil haben die Hoodoo Gurus nie etwas anderes als Garagenrock gemacht, dessen weihevollste Kultstätte damals in den auslaufenden 80er Jahren eindeutig auf dem fünften Kontinent stand. Allerdings hatten die Gurus im Gegensatz zu anderen immer eine saubere Produktion und auf jeder Platte zwei, drei Songs mit Hitpotential. Beim Potential ist es denn auch geblieben, und so sitzen sie zwischen allen Stühlen: Zum Kult zu glatt, zum Erfolg zu dreckig. Nach mehr als zehn Jahren Bandgeschichte sind die Hoodoo Gurus nur mehr eine Rockband unter vielen, aber immerhin kein bißchen Grunge. Und das ist doch nett.

10.11., 20.30 Uhr, Loft im Metropol. Thomas Winkler