Da schmunzelt der Laie

Der Bertelsmann-Preis ging an Channel 4 (England) und TVW 7 Perth (Australien)  ■ Von Achim Baum

„Global player“ wie die Bertelsmann AG halten sich nicht mit Kleinigkeiten auf. So wurde schon Wochen vor seiner Wiederwahl der „Ministerpräsident des Freistaates Sachsen“, Kurt Biedenkopf, als Festredner zur Verleihung des Carl-Bertelsmann-Preises 1994 angekündigt. Das hätte – unter streng demokratischen Prinzipien betrachtet – auch schief gehen können. Mindestens ebenso riskant ist der Umstand, daß ausgerechnet Bertelsmann, mit 37 Prozent am Kommerzspitzenreiter RTL beteiligt, einen Preis für „Gesellschaftliche Verantwortung im Fernsehen“ vergibt. Da schmunzelt der Laie, und kaum ein Fachmann wundert sich noch. Denn schließlich hat Bertelsmann in Sachen Fernsehen einiges an Kompetenz und Reputation gutzumachen – hat sich „das Haus“ (wie Bertelsmann in Gütersloh respektheischend genannt wird) doch mit dem Crash des „informationsorientierten Vollprogramms“ Vox die Giga-Medienpleite geleistet.

Wie das alles auch immer zusammenpassen mag, fest steht: Die Bertelsmann AG und die Bertelsmann Stiftung sind zwei Paar Schuhe; das eine ist der zweitgrößte Medienkonzern der Welt, das andere eine gemeinnützige Stiftung mit „gesellschafts- und unternehmenspolitischer“ Zielsetzung, initiiert und geleitet von Reinhard Mohn, dem früheren Chef „des Hauses“. Mohns Stiftung vergibt den mit 300.000 Mark dotierten Carl-Bertelsmann-Preis nun schon seit 7 Jahren und stets ging es um „innovative“ oder „exemplarische“ Lösungen „für zentrale gesellschaftspolitische Problembereiche“, beispielsweise um eine vorbildliche Einwanderungs- und Integrationspolitik oder um die demokratische und effiziente Kommunalverwaltung.

Wohl selten zuvor aber war der Preis derart von der politischen Aktualität bestimmt. Denn angesichts der bevorstehenden Neuregelung des Rundfunkstaatsvertrags der Länder sind die Interessen der Bertelsmann AG unmittelbar berührt. Der Carl-Bertelsmann-Preis stellt in den Augen Reinhard Mohns gerade den rechten „Meilenstein“ auf dem weiteren medienpolitischen Weg dar. Bislang, so der Übervater aus Gütersloh, zeichne die deutsche Medienpolitik sich durch ihre Provinzialität aus, die Konzentrationskontrolle sei das „Lieblingskind“ des Staates, die Rahmenbedingungen für „Flexibilität“ und „Evolution“ auf dem Fernsehsektor aber seien durch ein Übermaß an föderalistischen Regelungen erstickt worden. Gutachter Ernst Gottfried Mahrenholz, Verfassungsrichter a.D., assistiert, die medienpolitische Debatte dürfe nicht länger „hart am Rande des Bürgerkriegs“ geführt werden.

Ein Jahr lang haben die von der Stiftung eingesetzten ExpertInnen rund um den Erdball nach preiswürdigen Kandidaten gefahndet. Und wer die Preisträger betrachtet, den englischen Channel 4 und das australische TVW 7 Perth, gewinnt ein Bild davon, was Mahrenholz und Mohn sich unter einem „sauber durchgeführten“ dualen Fernsehsystem vorstellen. Channel 4 veranstaltet auf der einen Seite ein journalistisch und ästhetisch provozierendes Programm mit flotten Bilderfolgen, zugleich mit wöchentlichen Themenschwerpunkten und Minderheitenprogrammen („das Extrem“ sind für Mahrenholz die Schwulensendungen). Dabei produziert Channel 4 kaum selbst, sondern vergibt – unter präzisen Vorgaben – Aufträge an freie Produzenten.

TVW 7 dagegen, ein Regionalsender für die Umgebung des westaustralischen Perth, zeigt ein Familienprogramm, das in ständiger Rücksprache mit dem Publikum entsteht. Der Sender, Teil der „Seven Network“, eine der drei größten Fernsehketten Australiens, schafft Programmplätze für Wohlfahrtsorganisationen, startet Initiativen zur Jobvermittlung und zur Verkehrssicherheit.

Gemeinsam ist beiden Sendern, daß sie sich aufgrund ihrer Einschaltquoten erfolgreich aus Werbeeinnahmen finanzieren können und zugleich ihre journalistischen Standards permanent kontrollieren. Während TVW 7 Perth jedoch Funktionen erfüllt, die – unter deutschen Kriterien betrachtet – zwischen einem öffentlich-rechtlichen Programm und dem Offenen Kanal liegen, gilt Channel 4 schon seit langem als Vorbild für modernes Fernsehen, das nicht auf Kosten der journalistischen Seriosität geht. Hätten die Bertelsmann-Manager sich dieses Proramm schon vor Jahren mal zu Gemüte geführt, wäre ihnen die Vox-Schlappe erspart geblieben.