Doping im Fußball: Anabolika und Beißhemmung

Bei zwei Bundesligaclubs haben einst Dopingmittel eine Rolle gespielt. Die Aufklärer beklagen dabei die Behinderung ihrer Arbeit.

Gut drauf: VfB-Stürmer Hermann Ohlicher und Toni Schumacher, Torwart des 1. FC Köln, beim 3:0 im September 1979 Bild: imago/Pressefoto Baumann

BERLIN taz | Das sportpolitische Erdbeben hatte sich bereits Mitte Februar angekündigt. Letizia Paoli, die der Untersuchungskommission zur Dopingvergangenheit an der Universität Freiburg vorsteht, erklärte da, über Material von „dopinghistorisch einzigartiger Bedeutung“ zu verfügen. Zur Auswertung aber bat sie sich noch Zeit aus.

Ihr Kommissionskollege Andreas Singler ist nun im Alleingang vorgeprescht: „Anabolikadoping in systematischer Weise lässt sich anhand der neuen Aktenbestände erstmals auch für den Profifußball in Deutschland sicher beweisen“, schreibt Singler in einer Pressemitteilung.

Es geht um Vorfälle aus den späten 1970er und den frühen 1980er Jahren. Im größeren Umfang betreffen sie den Bundesligisten VfB Stuttgart, punktuell auch den damaligen Zweitligisten SC Freiburg. Frappant dabei sei, dass die Vereine im Umfang von mehreren zehntausend D-Mark den Medikamentenmissbrauch finanziert haben. Die Kommission hat ihre Erkenntnisse aus Aktenbeständen, die aus einem Betrugsverfahren gegen den Sportmediziner Armin Klümper stammen, das zwischen 1984 und 1989 durchgeführt wurde. Klümper gilt als Schlüsselfigur für die Aufarbeitung der Freiburger Dopingvergangenheit.

Vor kurzem war dem Forscherteam von Paoli noch mitgeteilt worden, die 60 Klümper-Akten existierten nicht mehr. Erst kurz vor Ablauf der Untersuchungsfrist der Kommission tauchten sie doch auf. Auch andere Materialien, die als verschwunden galten, fand man noch zufällig in der Garage einer Uni-Mitarbeiterin. Die Kommission beklagt sich schon seit Langem über die Behinderung ihrer Arbeit. Letizia Paoli hatte deshalb bereits mehrmals mit ihrem Rücktritt gedroht.

Hartnäckigkeit der Aufklärer

Ohne die Hartnäckigkeit und Widerständigkeit der Aufklärer wären womöglich die nun vorliegenden Verbindungen zwischen deutschem Profifußball und Doping in den Archiven verstaubt. Die DFB-Funktionäre haben bislang stets mantrahaft vorgetragen, Doping im Fußball habe keinen Sinn. Auch die ersten Reaktionen auf die Pressemitteilung aus Freiburg folgen dieser Losung. „Das ist absolut lächerlich, so einen Schwachsinn habe ich noch nie gehört“, sagte Jürgen Sundermann, der den VfB zwischen 1976 und 1979 trainierte. Der damalige Physiotherapeut Francois Caneri erklärte: „Doping hat es beim VfB nicht gegeben – das hätte ich gewusst.“

Sowohl der VfB Stuttgart als auch der SC Freiburg reagierten eher defensiv. Beide Vereine erklärten, sie könnten nach ihrem derzeitigen Kenntnisstand nicht nachvollziehen, auf welcher Grundlage die Kommission zu ihren Erkenntnissen gelangt sei. Unbestreitbar ist jedenfalls, dass beide Vereine Ende der 70er, Anfang der 80er sehr erfolgreich aufspielten. Der VfB Stuttgart stieg 1977 in die Bundesliga auf, 1979 wurde er Vizemeister. Die Freiburger schafften 1978 den Sprung in die zweite Liga.

Damals spielten viele prominente Akteure bei den Vereinen: Hansi Müller, Bernd und Karl-Heinz Förster, die 1980 mit der Nationalmannschaft auch Europameister wurden, sowie der heutige Bundestrainer Joachim Löw. Die Kommission weist allerdings darauf hin, „dass eine Zuordnung von Medikationen an einzelne, konkret zu benennende Spieler nach Auswertung der Akten“ nicht möglich sei.

Ephedrin und Captagon

Vollkommen neu ist der Umstand, dass im Fußball gedopt wird, nicht. Laut der 2013 von der Berliner Humboldt-Universität veröffentlichten Studie „Doping in Deutschland“ sollen sich einige der deutschen Weltmeister von 1954 mit dem Aufputschmittel Pervitin beholfen haben. Schon 1987 hatte Ex-Nationaltorhüter Toni Schumacher in seinem Buch „Anpfiff“ geschrieben, es sei unter Bundesliga-Profis gang und gäbe, Aufputschmittel wie Ephedrin und Captagon zu sich zu nehmen.

Die Beißhemmung gegenüber der Lieblingssportart Nr. 1 ist ausgeprägt. Das zeigt sich gerade im Fall des VfB Stuttgart. 1992 erklärte dessen damaliger Trainer Christoph Daum, Clenbuterol kenne er gut, das werde beim VfB eingesetzt. Einen Tag später wurde alles dementiert. Daum habe das Dopingmittel Clenbuterol mit Anabolika verwechselt, die entsprechend einer Richtlinien des IOC lediglich bei verletzten Spielern eingesetzt würden. In diesem Zusammenhang nannte der damalige VfB-Manager Dieter Hoeneß auch den Namen Armin Klümper.

Damals ging niemand der Sache nach. Diese Geschichte verdeutlicht, dass die Ermittlungen der Untersuchungskommission in Freiburg Anlass für weitere Nachforschungen sein sollten. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Manipulationsversuche lediglich in der jetzt genannten Zeitspanne stattgefunden haben. Erst 2014 hat die Nationale Anti-Doping-Agentur die Kontrollen in den deutschen Profiligen übernommen.

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