Symbolpolitik des DFB: Kleingeld für die Kümmerer

Das Motto des 26. Spieltags: „1:0 für ein Willkommen“. Aber bei dieser DFB-„Integrationsinitiative“ hat man die Kernfrage längst aus dem Blick verloren.

„Einen Strich durch Vorurteile machen?“ Ein eher unglückliches Sprachbild Bild: dpa

Die Pressemeldung, die auf eine „umfassende Integrationsinitiative“ hinweist, ist mit der Nummer 13/2015 gekennzeichnet. Verfasst hat sie der Deutsche Fußball-Bund (DFB). Nun kommt es fast täglich vor, dass aus der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt am Main Mitteilungen in den Sportredaktionen eintreffen; die meisten landen im virtuellen Papierkorb.

Bei der Nachricht mit der Nummer 13/2005 ist das anders. Ihr Inhalt lässt darauf schließen, dass sich der DFB zusammen mit der Bundesliga-Stiftung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und der Bundesregierung auf ein Konzept für Flüchtlinge geeinigt hat. 1,2 Millionen Euro will man in Flüchtlingsinitiativen investieren, die Hälfte davon werden DFL und DFB beisteuern. Letzterer plant 600.000 Euro für das Programm „1:0 für ein Willkommen“ ein. Das klingt zunächst vielversprechend. Wer genauer hinsieht, dem offenbart sich ein anderes Bild. Es entlarvt, um was es wirklich geht: Symbolpolitik.

Was als „umfassende Integrationsinitiative“ angekündigt ist, hat für die Basis in etwa so viel Wert wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die 600.000 Euro sollen in den nächsten zwei Jahren 600 Vereinen zugute kommen. Macht also pro Verein etwa 500 Euro jährlich, wobei nur diejenigen honoriert werden, die sich bereits für Flüchtlinge engagieren.

Alle anderen (also die restlichen 24.913 Klubs) schauen in die Röhre, was bedeutet, dass neue Projekte nicht gefördert werden. So weit, so schlecht. Wolfgang Niersbach, der DFB-Präsident, sagt: „Integration geht uns alle an, den einen mehr, den anderen weniger. Wenn eine Gruppierung so groß ist wie der organisierte deutsche Fußball mit fast sieben Millionen Mitgliedern, dann müssen wir uns diesem Thema stellen.“

Da hat er recht. Also, ran ans Werk. Und das läuft dann so ab: Mitstreiter auftreiben, beispielsweise Ligapräsident Reinhard Rauball und Aydan Özoguz (SPD), die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. Nächster Schritt: Pressekonferenz einberufen und die „umfassende Integrationsinitiative“ groß ankündigen. Dazu ein paar blumige Worte für die Medien spenden. Rauball: „Wir wollen hier ein Zeichen setzen und für eine echte Willkommenskultur in Deutschland antreten, dafür werben wir.“

Edding-Kritzelei

Özoguz sagt: „Ich freue mich, dass sich der deutsche Fußball so sehr einsetzt für ein faires Miteinander.“ Niersbach: siehe oben. Für die Visualisierung braucht’s natürlich populäre Botschafter (etwa den Dortmunder Ilkay Gündogan) und einen schmissigen Slogan („Mach einen Strich durch Vorurteile“). Und schließlich einen Bundesliga-Spieltag, um das Ganze ins Stadion zu transportieren. Okay, vielleicht noch Sky und die ARD, die den TV-Spot ausstrahlen. Da sieht man dann Gündogan, wie er mit einem dicken schwarzen Edding das Wort „Diskriminierung“ so zusammenstreicht, dass „nie“ übrig bleibt. Echt cool. In der Theorie.

In der Praxis sieht alles ein wenig anders aus. Obwohl: Echt cool, denkt sich bestimmt auch der zehnjährige Flüchtling aus Syrien, der in einer schäbigen Unterkunft die „Sportschau“ verfolgen kann. Er kann zwar weder das Wort „Diskriminierung“ lesen und versteht noch weniger, was der Spot mit seiner Situation zu tun hat (den Ilkay, ja, den erkennt er vielleicht), er weiß aber sicher, dass nach der Edding-Kritzelei der Ball rollt. Das wissen übrigens auch die Vorsitzenden der 25.513 Vereine, die das Edding-Gekritzel lesen. Nur was sie damit anfangen sollen, wissen sie ebenso wenig wie der Syrer. Letztlich sind beide auf direkte Hilfe angewiesen – oder fußballerisch gesprochen: Entscheidend ist auf dem Platz.

Entscheidend für den DFB ist die öffentliche Aufmerksamkeit. Die Kernfrage hat man wohl längst aus den Augen verloren: Mit welchen Maßnahmen hilft man den Vereinen und den Flüchtlingen wirklich? Mit TV-Spots? Mit 500 Euro jährlich? Auf taz-Nachfrage erklärt DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg, zuständig für Sozial- und Gesellschaftspolitik: „Der Zuschuss ist eine Honorierung für die zusätzlichen Bemühungen der Vereine. Er kann als symbolischer Beitrag für die Wertigkeit des Ehrenamtes verstanden werden.“

Unwillkomme Zusatzbelastungen

Das sind wenigstens keine blumigen Worte. Sie zeigen vielmehr, wie es um die Belange der Amateure bestellt ist: nämlich schlecht. Sie sollen über Ehrenamtliche neue Angebote für Flüchtlinge schaffen und werden dafür symbolisch entlohnt. Dabei sind viele Vereine froh, wenn sie überhaupt den regulären Spielbetrieb gestemmt bekommen. Zusatzbelastungen sind da höchst unwillkommen. Zumal die Arbeit mit Flüchtlingen – je nach Intensität – Ressourcen auf mehreren Ebenen verschlingt. Sie kostet Zeit, Platz, Geld und Personal.

Auch die Politik betont stets, welch wichtige Rolle der Fußball beim Thema Integration spielen kann. Gleichzeitig fehlen jedoch konkrete Maßnahmen. Etwa die Einrichtung einer Verbindungsstelle, die sich um die Kommunikation zwischen Flüchtlingsheimen und Sportvereinen kümmert, die Fahrdienste leistet, bei Bedarf Übersetzer oder Sozialarbeiter organisiert, den Versicherungsschutz regelt, die Ausrüstung finanziert. Das alles kostet Geld. Und zwar deutlich mehr als 600.000 Euro für zwei Jahre.

Von der Bereitschaft, mehr zu investieren, hängt ab, wie ernst es Verbände und Politik mit einer „umfassenden Integrationsinitiative“ im Sport meinen. Die Pressemitteilung mit der Nummer 13/2015 könnte nun doch noch im Papierkorb landen.

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