Kommentar deutsch-griechischer Gipfel: Schluss mit dem Griechenbashing

Mit dem Empfang von Alexis Tsipras hat Merkel einen erfreulichen Kontrapunkt zu der Kakophonie der letzten Wochen gesetzt. Doch das reicht nicht.

Es geht nicht nur um atmosphärische Fragen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Bild: dpa

Die Bilder sind die Botschaft. Der Antrittsbesuch von Alexis Tsipras bei Angela Merkel am Montag in Berlin hat zwar keine greifbaren Ergebnisse zur Lösung der ökonomischen und sozialen Krise in Griechenland gebracht. Aber wichtig war er trotzdem. „Wir müssen uns besser verstehen“, hat Tsipras bei seinem Zusammentreffen mit Merkel gesagt. Es gebe „keinen anderen Weg als den des Dialogs, um bestehende Schwierigkeiten zu überwinden“. Da hat er recht – und offenkundig hat das inzwischen auch Merkel begriffen.

Mit ihrem Empfang des griechischen Ministerpräsidenten hat die Bundeskanzlerin ein Zeichen an die deutsche Öffentlichkeit gesendet: Es muss endlich Schluss sein mit dem hämischen Griechenbashing. Damit hat sie einen erfreulichen Kontrapunkt zu der unerträglichen Kakophonie gesetzt, die seit dem Wahlsieg von Syriza Anfang des Jahres immer weiter angeschwollen ist.

Es war die Fresse des hässlichen Deutschen, die sich da in den vergangenen Wochen und Monaten gerade in den Reihen der Union, aber auch bei so manchem SPD-Politiker gezeigt hat. Mit welcher nationalchauvinistischen Herablassung und Empathielosigkeit über die Menschen in Griechenland gesprochen wurde, von denen viele derzeit aufgrund der von der EU verordneten katastrophalen Austeritätspolitik im Elend leben müssen, das erinnerte an längst überwunden geglaubte Zeiten.

Es ist höchste Zeit, dass hier eine andere Tonlage angeschlagen wird. Wer für die europäische Idee eintritt, muss bereit sein, spaltende Feindbilder abzubauen und Stereotype zu überwinden. „Weder sind die Griechen Faulenzer, noch sind die Deutschen Schuld an den Übeln und den Missständen in Griechenland“, warb Tsipras dafür eindringlich. Allerdings reicht das alleine noch nicht. Denn so wichtig sie sind: Es geht nicht nur um atmosphärische Fragen.

Sondern vielmehr um eine Grundsatzfrage: Welcher Spielraum wird einer demokratisch legitimierten Regierung gelassen, ihren Wählerauftrag zu erfüllen? Er habe schon vor einiger Zeit Tsipras prognostiziert, entweder zu scheitern oder das Gegenteil seiner Wahlversprechen umsetzen zu müssen, hat unlängst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gesagt. Falls die Bundesregierung weiterhin auf die Unterwerfung der griechischen Regierung setzt, nimmt sie damit nicht nur die weitere Verelendung in Griechenland billigend in Kauf, sie gefährdet auch das europäische Projekt.

Ob Angela Merkel auch hier endlich eine Kurskorrektur vornimmt, ist nach ihrem Treffen mit Tsipras noch nicht erkennbar. Aber auch diese Frage wird sie schnell beantworten müssen.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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