„Nazi und Skinhead“

■ Syker Skinheadprozeß: Brutaler Überfall aufParty

In der Nacht zum 20. Mai 1993 überfiel eine Bande von Skins feiernde Jugendliche am „Bacardi-Beach“, in der Achimer Wesermarsch. Mit Baseballschlägern, Eisenstangen und Gaspistolen fielen 30 bis 40 „Glatzen“ über die Fetengäste her. Ein Mädchen erhielt lebensgefährliche Stiche mit einem Messer. Fünf weitere Mädchen und ein Junge wurden schwer verletzt. Der mutmaßliche Haupttäter, der 24jährige Andreas Hackmann (“Hacki“) aus Syke, muß sich seit letzter Woche vor dem Landgericht Verden wegen versuchten Totschlags, schwerer Körperverletzung und Volksverhetzung verantworten.

„Ich saß am Feuer. Auf einmal kam jemand aus dem Dunkel und schlug mit einer Art Schlagring den Leuten vor mir auf den Kopf. Im nächsten Augenblick sprangen mehrere andere Skins in den Kreis und schlugen los“, erzählt ein Fetenteilnehmer vor Gericht. In Todesangst hatten die Jugendlichen damals versucht, den brutalen Schlägern zu entkommen. Einige waren in ihrer Panik in die Weser gesprungen, andere kilometerweit durch die Marsch gerannt.

Der Überfall löste unter Eltern und Politikern heftige Debatten aus. Für ein Volksfest wurde gar eine private Schutztruppe mit Hundestaffel engagiert. Unter den Jugendlichen herrschte wochenlang Angst. Die Polizei hatte bereits in der Nacht des Überfalls die Personalien einiger Skins aufgenommen. Die Suche nach dem Messerstecher konzentrierte sich bald auf Andreas Hackmann. Auch mehrere seiner „Kameraden“ gaben bei der Polizei an, „Hacki“ oder auch „Opi“ habe auf das Mädchen eingestochen.

Der 24jährige Hackmann ist der Älteste und auch Erfahrenste der Skins. Für die Bomberjackenfans aus der Provinz ist „Hacki aus Berlin“ ein Begriff. Der in Syke aufgewachsene Polizistensohn, der schon als 13jähriger Schüler in der Szene mitmischte, lebte von 1990 - 1992 mit rechten Hausbesetzern in der Weitlingstraße, einem bekannten Nazitreff in Ostberlin. Dort hatte er sich als „Pressesprecher“ sein Taschengeld verdient, indem er gegen „Gebühr“ Informationen und Interviews vermittelte.

Im besetzten Haus residierte auch die rechtsextreme „Nationale Alternative“, der Hackmann sich vorübergehend anschloß. Wegen einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Hausbewohner wurde er in Berlin zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Ende 1992 zog er wieder zu seinen Eltern nach Syke. In einem Interview für ein Buch über Jugend und Gewalt in Deutschland (Farin/Seidel-Pielen, Ohne Gewalt läuft nichts, Berlin 1993) sagte Hacmann über sich selbst: „Ich hab da so'n gewissen Konflikt: Ich bin Nationalsozialist und Skinhead und das beißt sich. Skins sind für Chaos, für Randale, und Nazis für Recht und Ordnung.“ Seine politischen Ansichten sind diffus faschistisch. In dem Interview prahlte er mit seiner Bewaffnung: Samuraischwert, Morgenstern, Luftpistole, verschiedene Schlagstöcke, „und wenn's ganz hart kommt, dann hol ich die beiden Messer raus, ein Stoßmesser und ein Butterfly“, las ihm der Richter bei der Prozeßeröffnung in Verden vor.

Die Verletzungen der Achimer Abiturientin stammen von einem Butterflymesser. „Ich hab da teilweise etwas rumgesponnen“, wiegelte Hackmann im Gerichtssaal ab. Und überhaupt gibt er sich brav. Die Haare hat er wachsen lassen, Lippen- und Spitzbart erinnern entfernt an den jungen Lenin, er trägt Turnschuhe statt Springerstiefel und sitzt ruhig und konzentriert neben seinem Verteidiger. Zur Sache selbst äußert er sich nicht. Das Gericht hat 31 Zeugen geladen, Fetenbesucher und Skins, um zu beweisen, daß Andreas Hackmann den Schuß aus der Leuchtpistole abgab, das Mädchen niederstach und gemeinsam mit anderen „Advent, Advent, ein Jude brennt“ gröhlte.

Zumindestens für den Schuß scheint das gelungen. Der verletzte Jugendliche konnte ihn zwar nicht identifizieren, aber einer von Hacmanns Begleitern hat gesehen, daß er aus etwa zwei Metern Entfernung gezielt auf das Gesicht seines Opfers schoß. Der Messerstich ist da schon schwerer nachzuweisen. Je konkreter der Richter nachfragt, desto verschwommener werden die Aussagen der ZeugInnen aus dem Lager der Skins, die stets aufmersam von etwa einem dutzend „Kameraden“ im Zuschauerraum beobachtet werden. Einige ließen sich zwar entlocken, „alle“ hätten nach der Tat gesagt, Hacki sei der Messerstecher gewesen. Aber nur ein Mädchen mochte, obwohl sie offensichtlich stark unter Druck stand, aussagen, daß Hackmann selbst sich mit der Tat gebrüstet habe.

Für Mitte März wird mit dem Urteil gerechnet. Marie Beckmann