„Weihnachtsbetrieb“ mitten im Sommer

■ Wie die Post in Berlin die Umstellung der Postleitzahlen zum 1. Juli bewältigen will / Sendungen mit der alten Zahl kommen verspätet an / Kurzzeitig mehr Briefverteiler

Mit dem Weihnachtsbetrieb vergleicht Pressesprecher Andreas Winkelmann den Aufwand, der dem Postdienst durch die Postleitzahlreform in Berlin entsteht. Von 1. Juli an müssen Postsendungen, die noch die alten Zahlen tragen, umständlicher sortiert werden, damit sie zugestellt werden können. Dietrich Osberg, stellvertretender Amtsleiter im Briefpostamt 11, weist darauf hin, daß wegen der Zusatzbelastung die Zahl der MitarbeiterInnen, die dort die zentrale Berliner Briefverteilung bewältigen, auf unbestimmte Zeit von 1.100 auf 1.600 erhöht werden muß. Die zusätzlichen Kosten sollen sich langfristig auszahlen.

Die Wiedervereinigung war nur der aktuelle Anlaß für die Nummernänderung. Das alte bundesdeutsche Postsystem nämlich ging von dauerhafter Zweistaatlichkeit aus: Für DDR-Gemeinden waren keine Zahlen freigehalten worden. Das Gesamtkonzept „Brief 2000“, zu dem auch andere Maßnahmen wie die neue Gebührenstruktur für Briefe gehören, zielt auf eine Rationalisierung. So soll der Automatisierungsgrad beim Sortieren der Briefe von 25 auf 80 Prozent steigen. Die Postleitzahlen-Reform ist dabei die Grundlage für eine Zentralisierung der Briefverteilung auf rund achtzig „Briefzentren“ in Deutschland, von denen vier in Berlin liegen werden.

Ohne soziale Kosten geht das nicht ab: Harry Sommerfeldt, Bezirkssekretär der Postgewerkschaft, erwartet einen Abbau von bundesweit 20.000 Arbeitsplätzen in den nächsten Jahren.

Die Post nutzte die Gelegenheit, Nachteile des dreißig Jahre alten Systems abzubauen. So wird es eigene Leitzahlen für Großkunden, Postfächer und normale Zustellung geben. Da die Briefe nicht erst auf dem Zustellpostamt sortiert werden müssen, sollen sie schneller als bisher ankommen.

Nachteile erwachsen dagegen den KundInnen, die die ungültig gewordenen Zahlen weiter verwenden. Die so beschrifteten Sendungen werden nach Winkelmanns Auskunft „höchstwahrscheinlich verspätet“ ankommen. Finanzielle Sanktionen sind jedoch nicht geplant. Straflos bleibt auch, wer jetzt schon die neuen Zahlen verwendet. Dies ist nicht gern gesehen, obwohl die Post solche Fälle als Beleg der „großen Akzeptanz“ der neuen Zahlen wertet.

Nicht nur innerhalb Deutschlands hat die Post für die Reform Werbung gemacht: UrlauberInnen können sich auch an Verwaltungen und Botschaften wenden. Wer in der Heimat das in den vergangenen Wochen verteilte Postleitzahlenbuch nicht parat hat, kann davon ausgehen, in einem der Postämter, die die nächste Schließungswelle überstehen, ein Exemplar zum Nachschlagen zu finden. Das Schalterpersonal sei generell nicht dazu da, solche Fragen zu beantworten, meint Andreas Winkelmann. Der Postdienst sei für den Transport der Sendungen und „nicht für die Büroorganisation der Leute“ zuständig. Unter der Nummer 0130/555 55 ist ein Service-Telefon zu erreichen.

Die auffälligste Änderung in Berlin besteht darin, daß die bisherigen Zustellgebiete fast alle unterteilt wurden, so daß jeweils weniger Straßen auseinandergehalten werden müssen. Die alten Bereiche sind nur durch den Vergleich von Karten wiederzuerkennen. So ist das bisherige Berlin 61 jetzt an den Nummern 10961 bis 10969 wiederzuerkennen, die Nachfolgebezirke von Berlin 30 sind mit Zahlen von 10777 bis 10789 neu durchnumeriert.

Die Leitzahlen für Großkunden (wie Postgiroamt oder Schering) und für Postfächer sind immer etwas niedriger als die der zugehörigen Bezirke. Die Nummern der einzelnen Postfächer bleiben jedoch unverändert und beginnen weiterhin mit der Nummer des Postamtes, die ebenso bestehen bleibt. Wer auf die vertraute 36 im Briefkopf nicht verzichten möchte, könnte sich also ein Postfach zulegen. Matthias Fink